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Es reicht: Wir müssen über Merch Cuts reden!

Ein derzeit ständiger Begleiter.

VON AM 19/03/2023

Wir müssen über Merch Cuts reden! Daran führt kein Weg vorbei. Seit einigen Wochen kocht das Thema immer weiter nach oben. Bands wie Monuments und zuletzt auch Igorrr entscheiden sich dazu keinen Merch in Venues zu verkaufen, da diese sich einen prozentualen Anteil der Verkäufe einräumen. Die Thematik sorgt für Unverständnis und Ärgernis, doch es gibt auch gemischte Gefühle – zurecht?

Was soll der Merch Cut?

Merch Cuts sind keine Neuheit. In den USA kennt man sie schon lange und auch in Europa scheint es nichts zu sein, was gänzlich neu ist. Eine gute Nachricht gibt es jedoch: in Deutschland nehmen die meisten Venues keinen prozentualen Anteil.

47% Merch Cut?

Nein. Monuments lamentierten zuletzt einen Merch Cut von 47%, der genauer beäugt werden sollte. Es handelte sich zwar um 25% Merch Cut, zu dem allerdings eine Umsatzsteuer von 22% hinzugerechnet wurden. Diese Umsatzsteuer hat mit dem Merch Cut nichts zu tun, mit der Brutto/Netto-Rechnung allerdings schon.

Doch um die Umsatzsteuer kommt man, wen man gewerblich Waren verkauft, nicht herum. Mit Merchandiseverkäufen befindet man sich in vielen Situationen allerdings in einer gewissen Grauzone, in Deutschland nutzen einige Bands zudem die Kleinunternehmerregelung, die eine Ausweisung der Umsatzsteuer nicht zwingend notwendig macht.

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Und wenn ich Merch online bestelle?

Kauft man ein Shirt bei Bandcamp, so nimmt sich auch Bandcamp einen Cut von 10%, bei digitalen Downloads sind es sogar 15%. Verkauft eine Band aus England ein Shirt für umgerechnet 20€, so nimmt sich Bandcamp 10% (2€), während 20% (4€) an Steuern abgehen.

Bestellt man ein T-Shirt bei EMP, Impericon, Evil Greed oder vergleichbaren Online Stores, so gibt man neben der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), mit Sicherheit auch einen prozentualen Anteil an den jeweiligen Onlineshop ab. Zahlen liegen uns nicht vor und sind sicher abhängig von individuellen Verträgen.

Von einem 20€ T-Shirt gehen somit sicherlich aber ebenfalls 30% (oder sogar mehr) ab, die nicht bei der Band, sondern beim Staat und Shopbetreiber landen. Dafür bekommt die Band eine Plattform und Distribution für ihren Merch und muss sich nicht selbst um den Versand kümmern.

 

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Hier eine kleine (fiktive) Rechnung:

Beispielrechnung A: Bandeigener Shop

Ein T-Shirt kostet die Band im Einkauf 6€.
Die Band verkauft das T-Shirt für 20€ in ihrem Shop.
Die Steuer beträgt 20%, was 3,33€ entspricht (vom Nettopreisverkaufspreis 16,67 aufgerechnet).*
Es gibt keinen Merch Cut.

Die Band nimmt 20€ ein und hat 9,33€ Kosten/Abgaben.
Die Marge beträgt 10,67€.

Beispielrechnung B: Bandcamp

Ein T-Shirt kostet die Band im Einkauf 6€.
Die Band verkauft das T-Shirt für 20€ auf Bandcamp.
Die Steuer beträgt 20%, was 3,33€ entspricht (vom Nettopreisverkaufspreis 16,67 aufgerechnet).*
Bandcamp nimmt 10%, was 2€ entspricht.

Die Band nimmt 20€ ein und hat 11,33€ Kosten/Abgaben.
Die Marge beträgt 8,67€

Beispielrechnung C: Konzert mit 47% Abgaben

Ein T-Shirt kostet die Band im Einkauf 6€.
DIe Band verkauft das T-Shirt für 20€ auf einem Konzert.
Die Steuer beträgt 22%, was 3,61€ entspricht (vom Nettopreisverkaufspreis 16,67 aufgerechnet).*
Der Merch Cut beträgt 25%, was 5€ entspricht.

Die Band nimmt 20€ ein und hat 14,61€ Kosten/Abgaben.
Die Marge beträgt 5,39€

Möchte die Band wie in Beispiel A eine ännerhende Marge von 10,67€ erreichen, müsste der Preis wie folgt angesetzt werden.
Der Einfachheit halber in gerundete Endpreise angepasst.

Ein T-Shirt kostet die Band im Einkauf 6€.
Die Band verkauft das T-Shirt für 30€ auf einem Konzert.
Die Steuer beträgt 22%, was 5,41€ entspricht (vom Nettopreisverkaufspreis 16,67 aufgerechnet).*
Der Merch Cut beträgt 25%, was 7,5€ entspricht.

Die Band nimmt 30€ ein und hat 18,91€ Kosten.
Die Marge beträgt 11,09€.

*Der Bruttoverkaufspreis berechnet sich aus dem Nettoverkauspreis * 1,19 / 100.

Wie ihr seht, ist der Verkaufspreis im Vergleich zu Beispiel A um ganze 50% gestiegen.

„Kauft das Merch lieber im Shop der Band“

Früher galt der Satz, man solle Merchandise am besten bei der Band selbst kaufen, auf dem Konzert und das Geld direkt in die Hände der Bandmitglieder drücken. Auch heute klappt das in den meisten Venues noch. In Venues in denen Merch Cuts gelten, kann der Weg zum bandeigenen Onlineshop tatsächlich der bessere sein.

20 bis 35 Pfund kostet ein Monuments-Shirt auf der Website der Band. Dazu kommen 8 Pfund Versandgebühren. Ein T-Shirt kostet am Ende also etwas weniger als mit einem höher angesetzten Preis, bei der Band kommt allerdings mehr Geld an. Denn von den Preisen muss nur die Steuer in Höhe von 20% abgegeben werden, Versandgebühren werden extra gezahlt.

Kann ein Merch Cut überhaupt okay sein?

Es ist eine Sache der Perspektive. Nimmt sich die Venue einen Anteil der Merchverkäufe, weil sie ihr eigenes Personal mit dem Verkauf der Produkte beschäftigt, ist ein Merch Cut durchaus in Ordnung. Stellt euch vor, zwei Personen, die in der Venue angestellt sind, verkaufen den ganzen Abend lang Merch und arbeiten von 19:00 bis 23:00 ohne Pause. In dieser Zeit werden 50 Shirts á 20€ verkauft von denen 25% als Merch Cut abgehen, um beide Verkäufer*innen zu bezahlen.

Die Venue nimmt 250€ ein, die sie nutzen kann, um die Verkäufer*innen zu entlohnen. Das heißt im Umkehrschluss Profit, aber auch, dass, wenn nur 10 Shirts verkauft werden, ein Betrag von 50€ eingenommen wird, der die Kosten der Verkäufer*innen nicht deckt.

Kümmert sich die Venue um die Abrechnung, den Verkauf und die Versteuerung des Merchs, ist ein Merch Cut durchaus okay. Prozentuale Cuts von 25% bilden hier jedoch das Maximum, das bisher von Bands kommuniziert wurde. Gängig seien 10 bis 20%, wie Cattle Decapitation-Sänger Travis Ryan auf Facebook unter dem Post von Igorrr kommentiert. Mit Hinweis auf Italien und Slowenien, die wohl als einzige Länder auch die VAT direkt verrechnen, da es sonst zu Problemen mit Authoritäten kommen könnte, so Ryan. Die Konsequenz: keinen Merch verkaufen.

Merchandise Preise explodieren.

Entgegen aller Aufregung von Merch Cuts lässt sich aber auch beobachten, dass Merchandise-Preise generell immer höher angesetzt werden. Im Onlineshop von Monuments zeigt sich, was auf Konzerten an den Merch-Wänden ebenfalls zu sehen ist. Manche Shirts kosten soviel wie früher ein Hoodie.

35 Pfund für ein Shirt sind in etwa 39,50€, dazu kommen ca. 9 € Versandkosten, was in einem Preis von nahezu 50€ für die Bestellung eines einzelnen T-Shirts mündet. Auch auf Touren finden sich regelmäßiger Preise von 35€ pro Shirt, so etwa bei Karnivool Anfang des Jahres. Auf der aktuellen I Prevail-Tour offenbarte sich nun ein Preis von 80€ für einen Hoodie und 90€ für einen Zipper.

Die Preise sind gestiegen, ja. Aber was hier teilweise an Preisen aufgerufen wird, grenzt an Ausbeutung. Ob die Preise aus eventuellen Merch Cuts resultieren, oder der Inflation geschuldet sind und dem, dass viele Artists über die Coronazeit nur wenige Einnahmen verbuchen konnten, ist ein anderes Thema.

Ein ganzer Arbeitstag mit Mindestlohn erreicht damit den Wert eines I Prevail-Zippers, den man für weniger Geld in einem Online Shop kaufen könnte. Stattdessen unterstützt man gegebenenfalls Merch Cuts und zahlt horrende Preise, für die es kaum Erklärung geben kann. Oder seid ihr bereit, zukünftig 40€ für ein Shirt zu zahlen? Ich persönlich jedenfalls nicht…  

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Karoline Schaefer (Cat Eye Photography)

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