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Corelumne

„Bloß nicht gewinnen!“ – Wenn Radiotauglichkeit gegen Weiterentwicklung siegt

...und wie sich Deutschland beim ESC ins Aus schießt, bevor er überhaupt begonnen hat.

VON AM 13/02/2022

Warum trendet der Hashtag #EC4ESC so stark, wie viel ergeben am Ende des Tages 24 Mal #nopointsforgermany, wieso hassen plötzlich alle den NDR und wo ist eigentlich diese musikalische #diversity? Das fragt man sich dieser Tage im Netz.

Wie die ESC-Absage für Eskimo Callboy ordentlich Staub aufwirbelt

Und wenn dann im Mai das Finale des Eurovision Song Contest 2022 stattgefunden hat und der deutsche Beitrag mal wieder im Keller der Votingübersicht zu finden ist, wird man sich im Nachhinein auch wieder fragen – woran hat’s denn gelegen?

Vielleicht ja am 08/15 Radio-Pop, mit dem man Deutschland bei dem europäischen Musikwettbewerb vertrat? Vielleicht aber auch einfach an der Tatsache, dass die Ignoranz, mit der die Verantwortlichen der deutschen Eurovision-Delegation an der Kritik an ihrer Gewinnerauswahl derzeit umgehen, dazu führt, dass selbst jahrelange ESC-Fans den Wettbewerb boykottieren wollen?

Eine Geschichte vom Scheitern…

… oder auch: Wie sich eine sogenannte „Fach-Jury“ unbeliebt macht.

Nachdem Eskimo Callboy vergangenes Jahr öffentlich machen, dass sie sich mit „Pump It“ für den (erstmals seit mehreren Jahren wieder aus dem Boden gestampften) Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2022 beworben hatten, tobte nicht nur die Fanbase. Die Beiträge aus dem letzten Jahr zeigten bereits, welche Musikrichtung gut ankommt. Die Rockband Måneskin siegte und unsere Lieblings-Finnen von Blind Channel schafften es mit ihren „Hardcore-Tönen“ (wir zitieren hier den langjährigen ESC-Kommentator Peter Urban, der schon seinen Senf dazu gab, als das Ding noch Grand Prix hieß; natürlich wissen wir, dass es sich hierbei nicht um Hardcore handelt) ebenfalls in die Top 10.

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So dachte man, auch die Verantwortlichen für den Vorentscheid „12 Points For Germany“ hätten VIELLEICHT ja dazugelernt. Der Bewerbungsaufruf im letzten Jahre klang zumindest schon mal vielversprechend, forderte doch Einsendungen aus Musikrichtungen „jeglicher Art“. Jeder Beitrag sei willkommen. Monate später sind wir nun schon gescheitert, bevor der Wettbewerb überhaupt startete.

Ins Rennen geschickt werden – und das ist keinerlei Kritik an den Künstlern per se – sechs Acts, deren Beiträge für den Vorentscheid im Rahmen der aktuellen Musiklandschaft belangloser kaum sein könnten. Eskimo Callboy bekommen eine Absage serviert. Und auf eine offizielle Begründung hat man sich in Kreisen der Eurovision-Delegation wohl nicht geeinigt.

Vorgeschobene Gründe statt Mut zur Weiterenwicklung

Demnach heißt es von offizieller Seite seitens des (im Auftrag der ARD) federführenden NDR, es habe einfach nicht gereicht, obwohl die Band aus Castrop-Rauxel ja immerhin unter die besten 30 gekommen sind. Dass die Absage aufgrund der nicht-vorhandenen „Radiotauglichkeit“ der Musik der Kombo kam, wird hier natürlich nicht kommuniziert. Man könnte sich ja als engstirnig positionieren!

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Der ganz offizielle Grund muss jedoch nicht lang gesucht werden, wenn man 1 und 1 zusammenzählen kann. An der Entscheidung war ein Gremium der ARD-Popwellen beteiligt, die sich vertraglich dazu verpflichteten, die sechs Songs für den ESC-Vorentscheid in den kommenden Wochen zu promoten. Vom Sieger-Song dann mal ganz abgesehen, der wahrscheinlich rund um die Uhr hoch und runter laufen wird.

Metal im Mainstream-Radio? Undenkbar, was soll Alman-Anette nur denken, wenn nachmittags um 16 Uhr auf dem Nachhauseweg vom Kreisamt im Radio „Pump It“ läuft?

Und überhaupt – stellt euch mal vor, Eskimo Callboy würden den Vorentscheid GEWINNEN und dann wirklich im Finale in Turin antreten. Dann hätten wir eine Metal-Band, die unsere ach so diverse Pop-Musiklandschaft, gespickt mit Schlager und Capital Bra, auf der großen Bühne vertritt! Was sollen denn die anderen Länder von uns denken?

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Versuchen könne man es ja nächstes Jahr nochmal, sagte man der Band. Wie wäre es vielleicht mit einem radiotauglichen Song? Immerhin scheint „Pump It“ von vornherein raus gewesen zu sein, munkelt man doch, dass die Band beim Vorentscheid zum Vorentscheid schon „We Got The Moves“ präsentierte. Nicht unbedingt poppiger, wenn auch ein klein bisschen weniger metallisch als „Pump It“. Radiotauglich genug war’s aber wohl immer noch nicht.

Und nun?

Vergeblich wartet man nun… ja, worauf denn eigentlich?

Lieber NDR, liebe ARD, liebe Menschen, die sich da aus Rundfunk und Fernsehen noch an der Entscheidung beteiligt haben. Wenn ihr schon nicht gewinnen wollt oder wenigstens mal ein bisschen im abgeranzten ESC-Haus Staubwischen wollt – die Community würde sich über ein offizielles Statement zur Entscheidungsfindung sehr freuen. Wenigstens EUREN Fans seid ihr es schuldig, denn auch die toben im Netz. Fadenscheinige Ausreden à la „es ist, wie es ist und das wusste man ja vorher schon“ helfen wir auch niemandem weiter.

Und während wir darauf warten, unterzeichnen wir mal die Petition, die eine Wildcard für Eskimo Callboy beim Vorentscheid fordert.

Foto: Eskimo Callboy / Offizielles Pressebild

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