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Death MetalSymphonic Metal

Kritik: Fleshgod Apocalypse - "Opera"

„Dieses Album hat nicht zum Ziel, den Erwartungen jedes einzelnen Fleshgod Apocalypse-Fans gerecht zu werden. Vielleicht wird einigen dieses neue, ...

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„Dieses Album hat nicht zum Ziel, den Erwartungen jedes einzelnen Fleshgod Apocalypse-Fans gerecht zu werden. Vielleicht wird einigen dieses neue, sehr emotionale Kapitel weniger gefallen. Das einzige Ziel ist es, diese Geschichte zu erzählen. Und unsere Gefühle werden für uns sprechen.“
– Veronica Bordacchini (Clean-Vokalistin)

Schon immer wussten Fleshgod Apocalypse in ihrer Art spektakuläre Musik zu produzieren. Seit ihrer Gründung in 2007 sind die Italiener ihrem rasenden Symphonic Death Metal treu geblieben und doch scheint sich in diesem Jahr gewaltig etwas bei ihnen zu tun. Mit „Opera“ will die Band alles auf eine Karte setzen und dem Symphonischen eine in diesem Ausmaß bisher nie dagewesene Aufmerksamkeit schenken – offenbar ohne Rücksicht auf mögliche Fan-Verluste. Aber kann ihre Interpretation einer apokalyptischen Death Metal-Oper überzeugen? Oder ist sie tragischerweise doch nicht mehr als Schall und Rauch?

Fleshgod Apocalypse: Veränderungen um jeden Preis?

Es sind nur diese fünf Buchstaben zur Orientierung auf dem Album nötig: „O p e r a“ verspricht, neben der unverkennbaren Technical Death Metal-Machart von Fleshgod Apocalypse, klassische Elemente auf ihrer neuen Platte verstärkt zum Einsatz kommen zu lassen. Dieses Versprechen halten sie unmittelbar ein, indem Klarsängerin Veronica Bordacchini, pianistisch begleitet von Francesco Ferrini, das Werk mit der Arie „Ode to Art (De‘ Sepolcri)“ eröffnet.

„Opera“ – eine Oper in 10 Akten

Bei den LPs des Quintetts verhält es sich doch so: Eigentlich sind sie wie die Analogie von der Pralinenschachtel und dem Leben – man weiß bekanntlich nie, was man bekommt und doch weiß man es haargenau. Womit in diesem Fall weniger zu rechnen war: Die gleich zu Beginn der Platte einsetzende, opereske Stimmgewalt, die mit der Arie ihre solistische LP-Premiere feiert. All das und noch viel mehr gehört zu dem stilistischen Konzept des Longplayers, ihre insgesamt zehn Titel als zehn Akte eines singspielerischen Gesamtkunstwerks nachzuempfinden. Grundlage der thematischen Inspiration bildet die Nahtoderfahrung und Genese des Lead-Sängers Francesco Paolis, der sich bei einem Kletterunfall in 2021 schwere Verletzungen zuzog.

Wiederkennungswert trotz „Modernisierung“ im Arrangement

Auf das opereske Überraschungsintro folgt der Track „I Can Never Die“, der zur alten Frische und der gewohnten Wucht der vorigen Alben der Band zurückführt. Ganz nach dem Motto „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“ packt Eugene Ryabchenko ungeniert wie üblich seine schonungslose Blastbeats-Keule aus, während die saftigen Growls Paolis alte FGA-Herzen fraglos höherschlagen lassen.

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Ein weiteres Charakteristikum der Band ist und bleibt die Inszenierung des Unheilvollen, wie sie bei „Pendulum“, „At War With My Soul“ und „Bloodclock“ zu hören ist. Während mit „Pendulum“ direkt einmal das Tor zur Hölle geöffnet wird, das sich durch bösartige Riffs und düstere Bass-Lines sowie durch ein Piano- und Blastbeat-Duett realisiert, suggerieren die ersten Harfenklänge in „Bloodclock“ eine Idylle, die anschließend durch die Saitenhiebe des Gitarristen Fabio Bartoletti und den unnachgiebigen Schlägen des Drummers endgültig zunichte gemacht werden. Ein altes Feuer, das auf „Opera“ von Neuem entfacht wird.

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Hervorzuheben sei an dieser Stelle erneut die bemerkenswert wandelbare Stimme Bordacchinis, die in „At War With My Soul“ und in dem überaus anspruchsvollem „Per Aspera Ad Astra“ mit einer unfassbaren Selbstverständlichkeit nach allen Regeln der dramatisch-sopranen Stimmkunst abliefert, sich andererseits in Songs wie „Matricide 8.21“ gesanglich nach einem moderneren Rocksound orientiert. Die größte Veränderung, die zwischen „Opera“ und seinen LP-Vorgängern ersichtlich wird:Bordacchini arbeitet seit dem Austritt des Ex-Clean-Sängers Paolo Rossi gemeinsam mit Francesco Paoli an der gesanglichen Doppelfront. Zuvor war die Sängerin eher hintergründig als Session-Member für die damals noch sechsköpfige Band tätig gewesen.

Von der Disney-Metal-Tarantella zur Goth-Ballade

Ja, auch die Technical Deather kommen auf dem Full-Length-Werk auf ihre Kosten! Man stelle sich eine Verfolgungsjagd in einem Disneyfilm vor, der die Miracoli-Tarantella-Melodie in einem Symphonic Metal-Orchester wiedergibt – genau so geht es in „Morphine Waltz“ zu. Ob das wohl zu viel des Guten ist? Womöglich.

Fleshgod Apocalypse beenden ihr Opus Magnum mit den stärksten Tracks der Scheibe, der Gothic-Ballade „Till Death Do Us Part” und dem instrumentellen Outro und zeitgleich Titeltrack der Platte „Opera“. „Till Death Do Us Part“ überzeugt zum einen durch das präludienartige Gitarrenspiel, das sich melodisch schnell und vor allem sicher im Ohr festsetzt, zum anderen durch die liebestrunkene, bedrückende Atmosphäre, die erst durch die Rückhaltlosigkeit im Klargesang freigesetzt wird.

Man mag von klassischen Stücken halten, was man möchte. Doch wenn Ferrini seine „Opera“ auf dem Flügel spielt, überkommt einem ein ganz schön mulmiges Gefühl. Es ist ein trauriges, wehleidiges Stück, als würde man auf den schlimmsten Tag seines Lebens zurückblicken und trotzdem ließe sich in all der Melancholie ein gequältes Lächeln entlocken…Gefühle, die sich kaum erfassen lassen – und doch schafft „Opera“ es, das Schöne und das Mulmige auf eine sonderbare Art und Weise zusammenzubringen.

Foto: Francesco Esposito / Offizielles Pressebild

ALBUM
Opera
Künstler: Fleshgod Apocalypse

Erscheinungsdatum: 23.08.2024
Genre: ,
Label: Nuclear Blast
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Ode to Art (De’ Sepolcri)
  2. I Can Never Die
  3. Pendulum
  4. Bloodclock
  5. At War With My Soul
  6. Morphine Waltz
  7. Matricide 8.21
  8. Per Aspera Ad Astra
  9. Till Death Do Us Part
  10. Opera
Fleshgod Apocalypse Opera
Fleshgod Apocalypse Opera
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FAZIT
Fleshgod Apocalypse sahen sich gezwungen, sich nach der Verkleinerung ihrer Gruppe neu zu arrangieren. Herausgekommen ist dabei ein stärkerer Fokus auf den weiblichen Klargesang, realisiert in der Form einer unschlagbaren Doppelfront. Dem Potenzial Bordacchinis freien Lauf zu lassen, war die beste Entscheidung der Band und macht "Opera" als sechsten Langspieler zum ihrem bisher beeindruckendsten Werk.