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Review

Black Metal

Kritik: Carach Angren - "Franckensteina Strataemontanus"

Wer schaut denn noch Horrorfilme? Hört sie lieber! Habt ihr auch schon die Nase gestrichen voll vom ständigen Netflixen zu ...

VON

Wer schaut denn noch Horrorfilme? Hört sie lieber! Habt ihr auch schon die Nase gestrichen voll vom ständigen Netflixen zu Coronazeiten? Seid ihr mittlerweile auf der Suche nach einer Alternative zu einem spannenden Film? Dann freut es mich, dass ihr auf diese (Musikalbum-)Review gestoßen seid! Richtig gelesen: Wenn ihr Horrorfilme mögt und mit Symphonic Black Metal grundsätzlich etwas anfangen könnt, dann werdet ihr mit der Albumveröffentlichung der Niederländer von Carach Angren definitiv etwas nachzuholen haben.

Und selbst wenn ihr, so wie ich, nicht unbedingt zur Symphonic-, Dark- oder Black Metal-Fraktion gehört, kann ich euch sagen, dass ich wirklich Spaß am neuen Album „Franckensteina Strataemontanus“ habe, da dieses Konzeptalbum über mehrere Songs hinweg die Hörer unterhält, indem die Geschichte des historischen Frankensteins (wenn auch etwas anders) nacherzählt wird.

Carach Angren nehmen ihre Hörer auf „Franckensteina Strataemontanus“ mit auf einen märchenhaften Horrortrip

Ganz märchenhaft beginnt das Opening des Albums in “Here in German Woodland” mit dem Satz „Once upon a golden day“. Eine vertraut wirkenden Erzählerstimme nimmt uns mit in eine pittoreske Landschaft in Deutschland, untermalt von Vogelgezwitscher, sanft langanhaltenden Geigen und einem wohlklingenden Klavier.

Der erste Song des Albums gibt den Hörern das Gefühl, in einem Disneyfilm zu sein oder einem Hörbuch zu lauschen, in dem die Geschichte in teils reimenden Versen vorgetragen wird. Doch es wären nicht Carach Angren, wenn sie nicht den Touch einer schaurigen Horror Metal-Band in sich trügen. Die anfänglich noch sehr freundliche Stimme des Geschichtenerzählers mündet in einen diabolisch klingenden Mephisto.

Mir gefällt die Machart des Storytellings, dass es einen erzählerischen Rahmen im Konzeptalbum gibt und die Geschichte nicht ausschließlich von der Band in ihren Rollen als Bandmitglieder besungen wird. So entsteht in diesem sehr gelungenen Intro aus einem Märchen à la Carach Angren ganz schnell die versprochene Horrorstory.

Die ersten, härteren Töne erklingen im Gleichschritt mit einer symphonischen Begleitung, bevor der dichtende Diabolo im Song “Scourged Ghoul Undead” das Wort erneut ergreift: Szenisch befinden wir uns noch immer am zuvor beschriebenen Ort, wo die Beisetzung eines verstorbenen Jungen geschildert wird und im Anschluss unheilvolle Geschehnisse vom Erzähler prophezeit werden. Mit viel Liebe zum Detail werden die Hintergrundgeräusche, wie das Läuten der Kirchenglocken oder die trauernde Familie, in dem Song eingebettet.

Diese ersten 29 Sekunden des Songs gehören genau genommen noch zur Rahmenhandlung und knüpfen direkt an das Intro an. Dann gibt’s endlich etwas auf die Metal-Ohren und es passiert etwas Sonderbares: Überdramatisierte Geigen, die ich in jedem anderen Kontext für ziemlich anstrengend gehalten hätte, fügen sich mit den abgestimmten Growls des Sängers Dennis „Seregor“ Droomes passend in das Gesamtbild ein. Seregor bleibt nicht nur bei seinen gewöhnlichen Growls, er experimentiert damit und wird gegen Ende rhythmischer. Ein gelungenes Unterfangen, wofür auch der Komponist und der zweite Kopf der Band Clemens „Ardek“ Wijers gelobt werden muss.

Der Titelsong des Albums “Franckensteina Strataemontanus” beginnt im Zeichen des Industrials, etwas elektronisch, wird nach wenigen Sekunden von einem Dark Metal-Run abgelöst. Der Track besteht aus Sequenzen, die oft different zueinander sind und dadurch sehr abwechslungsreich wahrgenommen werden können. Cleaner Gesang und wieder einmal der von mir für gut befundene rhythmische Growl. Mit genau drei Minuten ist das Stück alles andere als lang, aber der Song hat seinen Wiedererkennungswert und überzeugt aufgrund seiner Vielseitigkeit.

Inhaltlich bildet er den Mittelpunkt des Geschehens – die Erschaffung neuen Lebens mit der Hilfe alchemistischer Methoden an einem toten Körper.

Vor allem an diesem Track fällt auf, dass die Bassdrums in den vorigen Songs viele Glanzmomente hatten. “The Necromancer” zählt zu den Gitarren-betonten Tracks: Mit ruhigeren Drums, aber intensiven Gitarrenlauten wird der Hörer in die unheimliche Gedankenwelt Frankensteins eingeführt.

Auf ein Weiteres wird in einzelnen Sequenzen die Stimmkraft Seregors besonders deutlich, indem er operettenhaft die Hörer vom Hocker haut. Carach Angren bleiben theatralisch, damit das Album ein Konzeptalbum bleibt: Zu hören ist die Stimme Frankensteins, der sich auf Deutsch zu seinen Experimenten äußert.

Man könnte behaupten, dass Carach Angren in “Sewn for Solitude” einen wagemutigen Sound darbieten wollen. Mit dem Black Metal-Drumset im Nacken entscheidet das Duo aus Holland, die Refrains völlig clean auszuarbeiten. Interessanterweise erinnert der Sound hier an den Stil der Pet Shop Boys.

Was hier wirklich gelungen ist, ist das Verhältnis der Growls zu den cleanen Parts. Und nicht nur das: Der cleane Part vertritt in der Geschichte die Stimme des erschaffenen Monsters. Diese Tatsache beweist, dass die Jungs nichts dem Zufall überlassen haben und die Geschichte des Albums gut durchdacht ist (was man nicht einmal von jedem Film behaupten kann!).

Bei “Operation Compass”, “Monster” und “Der Vampir von Nürnberg” handelt es sich um die Singleauskopplungen der Platte. Operation Compass ist im Vergleich zu den Vorgängersongs mit nur wenigen Song-Höhepunkten ausgestattet. Immerhin weicht das Storytelling, das für mich bei der Bewertung des Konzeptalbums einen höheren Stellenwert erhält, nicht vom Wesentlichen ab.

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Bei “Monster” wirkt der Beat der Single schwerfällig, wie das Stampfen eines riesigen Monsters, das auf Beutezug unterwegs ist. Ein verstimmtes Glockenspiel untermalt diesen Gedanken eines solchen furchterregenden und bösartigen Wesens. Eben diese Schwerfälligkeit und Stetigkeit führt schnell auch mal dazu, dass man sich satt daran hört.

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Die letzte der drei Auskopplungen beginnt mit einem gespenstischen Intro. “Der Vampir von Nürnberg” ist auf sechs Minuten mit Abstand der symphonischste Output des Albums und wird mit Vollgas orchestralisch begleitet. Die Single entpuppt sich zu einem eigenen kleinen “Film”, in dem Frankensteins Monster sich in einem Blutrausch wütet.

Inmitten dieser Apokalypse erhält der Track zeitweise sogar orchestralische Solos mit dramatischen Geigen, die mich an eine spannende Filmszene erinnern, wodurch ich richtig hibbelig werde. Seregor legt als Sänger und zugleich als Darsteller großen Wert auf eine theatrale Performance als „Vampir“ von Nürnberg. Zwischenzeitlich nehme ich den Gesang weniger als Gesang, sondern als Monolog des in meinem Kopf ablaufenden Films wahr.

Carach Angren verstehen etwas davon, eine Geschichte musikalisch zu erzählen und dadurch diesen inneren Film bei seinen Rezipienten hervorzurufen. Dieses düstere Kapitel der Geschichte bleibt inhaltlich und im auditiven Sinne interessant, überzeugt mich mit seinem musikalischen Thema allerdings nicht so richtig.

Normalerweise dienen die Singlereleases eines bevorstehenden Albums als kleine Appetizer zum großen Buffet. Ich empfinde die kleinen Release-Häppchen zu „Franckensteina Strataemontanus” als weniger appetitanregend. Stattdessen stürze ich mich in unserem Fall lieber direkt auf die Hauptspeise, die mich schon eher zufriedenstellt.

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Zusammen mit “Sewn for Solitude” könnte “Skull with a Forked Tongue” vor allem die Gemüter der Black Metal-Anhänger bedienen. Die für das Genre unverkennbaren Blastbeats wurden von Ivo „Namtar“ Wijers eingespielt, der nach 17 Bandjahren erst Anfang dieses Jahres seinen Ausstieg aus der Band bekannt gab.

Zwar punktet der Song nicht gerade mit seiner musikalischen Dynamik, doch mit seinen inhaltlichen Details: Genau wie in “Operation Compass” arbeiten die beiden Musiker Seregor und Ardek die sachlichen Bezüge zur historischen Frankenstein-Grundlage Johann Konrad Dippels heraus: Dippel, der im 17. Jahrhundert auf Burg Frankenstein geboren wurde und seinerzeit als Alchemist und Mediziner tätig war, entwickelte durch seine pathologischen Experimente mit Tierknochen das nach ihm benannte „Dippels Tieröl“.

Dieser Fakt wurde thematisch von dem Duo aufgegriffen und in einer beschriebenen Brutalität und Perversität umgesetzt. Wer zu seinem Albumrepertoire morbide Geschichten wie Eisregen, Cannibal Corpse u.ä. zählen kann, der erhält mit Carach Angren gleich einen weiteren Tipp für seine Albenliste.

Ihr wollt wissen, wie der Film endet? Konzeptionell gesehen kann der vorerst letzte Song “Like a Conscious Parasite I Roam” noch einmal einen draufsetzen. Der Track erinnert an den märchenhaften Anfang der Platte. Erst heiter, dann wolkig beginnt ein vorerst letztes Mal die Nacherzählung der künstlich erschaffenen Kreatur Frankensteins. Dabei versuchen Carach Angren das Leben der Kreatur in über acht Minuten Revue passieren zu lassen: Beginnend mit freundlich klingender Blasmusik wird der Sound zunehmend ernster. Das Intro ist – wie erwartet – ein orchestralisches Spektakel. Mit dem einsetzenden Growl besingt Seregor die Gefühlswelt der Kreatur, die sich selbst als Ghul bezeichnet, und welche, durch die Reinkarnation seelisch gefangen in einem toten Körper, auf eine baldige Erlösung hofft.

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We very much regret to inform you that Namtar has decided to leave Carach Angren. He has written a statement on his personal Facebook page to explain his reasons. Namtar has always been an incredible drummer and worked very hard within the band. Although we really regret his departure, we respect his decision. We truly want to thank him for everything and wish him all the best for the future. We, Ardek and Seregor, will continue Carach Angren together from now and we are ready to start revealing our most ambitious album to date! In the touring and live section we will go on with the excellent loyal help of live guitarist Bastiaan Boh (Butcher) and a soon to be announced new live drummer. Thanks Ardek & Seregor

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Wie im Film überkommt mich ein Hauch von Mitgefühl, da die Einsichten aus der Perspektive der Kreatur wahrhaftig mitleiderregend sind. Und dennoch bleibt die Kreatur, trotz der menschenähnlichen Gesinnung ein Monster, das wortwörtlich auf „unschuldiges Blut“ wartet. Freunde der Konzepte, wenn das nicht mal ganz großes (Kopf)kino ist, was dann? Nach knapp vier Minuten endet die vokale Darbietung. Was folgt ist ein Outro, das mit einem reinen instrumental symphonischen Programm nochmal alle Register dramatischer Elemente zieht.

Ok, das mag jetzt das traurige Ende der Geschichte sein, nicht aber das Ende des Albums. Carach Angren präsentiert uns mit “Frederick‘s Experiments” einen Bonustrack, der den wissenschaftlichen Horror auf ein Neues zum lyrischen Gegenstand macht. Intelligent gelöst, da der Song nicht mehr zu der eigentlichen Storyline passt.

Analog zum Film könnte man sagen, dass “Frederick’s Experiments” als Prequel zu “Franckensteina Strataemontanus” gesehen werden kann. Diesmal gewähren uns Carach Angren Einblicke in die Sichtweise des römisch-deutschen Kaisers Friedrich II. Drummer Namtar kennt wie schon in “Skull with a Forked Tongue” keine Pause und obwohl ich mir einen ruhigen, melancholischen Schluss gewünscht hätte, werden mit dem Bonustrack jene Hörer glücklich gemacht, die nach all dem orchestralen Input gegen Ende noch ein letztes Mal auf die Tube drücken wollen.

Credit: Stefan Heilemann / Offizielles Pressebild

ALBUM
Franckensteina Strataemontanus
Künstler: Carach Angren

Erscheinungsdatum: 26.06.2020
Genre:
Label: Napalm Records
Medium: CD

Tracklist:
  1. Here In German Woodland
  2. Scourged Ghoul Undead
  3. Franckensteina Strataemontanus
  4. The Necromancer
  5. Sewn For Solitude
  6. Operation Compass
  7. Monster
  8. Der Vampir von Nürnberg
  9. Skull With A Forked Tongue
  10. Like A Conscious Parasite I Roam
Carach Angren Franckensteina Strataemontanus
Carach Angren Franckensteina Strataemontanus
8
FAZIT
Freunde des Horrors und gruseliger Konzeptalben erwartet mit “Franckensteina Strataemontanus” eine fünfzigminütige LP eines wirklich dunklen Genres. Die erzählten Horrorgeschichten werden musikalisch gut an die Zuhörer herangetragen. Dafür, dass die detailverliebten Musiker ihre Konzepte in einem hohen Maße umgesetzt haben, hat die musikalische Komponente in meinen Augen zum Glück weniger darunter gelitten.

Auch musiktechnisch macht das Album demnach eine ziemlich gute Figur und das, was ich betonen möchte, nicht nur für Symphonic-, Black- oder Dark Metal-Liebhaber. Wer sich bisher noch nicht an den düsteren Kern des Metal-Genres herangetraut hat, erhält hiermit eine gute Möglichkeit sich dem Genre anzunähern.