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Kritik: TOUCHÉ AMORÉ – „Stage Four“

Selten war es so wichtig, den Kontext und die Geschichte einer Platte zu kennen wie bei Stage Four, dem vierten ...

VON AM 23/09/2016

Selten war es so wichtig, den Kontext und die Geschichte einer Platte zu kennen wie bei Stage Four, dem vierten Album von TOUCHÉ AMORÉ. Hatte Sänger Jeremy Bolm auf Is Survived By noch den Mut gefasst positiver auf sein Leben zu blicken, verstirbt kurz danach seine Mutter an Krebs und wirft ihn zurück in das Loch, aus dem er sich gerade erst herausgetraut hatte. Musik als Therapie – das Ergebnis klingt überraschend positiv.

Es ist grundsätzlich schwierig, sich kritisch mit einer Platte auseinanderzusetzen, die so ein schmerzvolles Thema behandelt – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, genug Respekt zollen zu wollen. Stage Four klingt beim ersten Hören ungewöhnlich luftig, hat viele Referenzen zu Indie und Post-Rock und lässt hier gerne auch eine Verbindung zu Genrekollegen wie LA DISPUTE oder PIANOS BECOME THE TEETH zu. Beide Bands trauten sich auf den vergangenen Releases auch mal leisere Töne anzustimmen, neue Melodien einfließen zu lassen oder gar auf cleanen Gesang zu setzen. Auch Jeremy Bolm überrascht zum Beispiel in Benediction durch ruhigen, zerbrechlichen Gesang, der nur vorsichtig von der Band begleitet wird und eher nach Indie als nach Post-Hardcore klingt. Ausbrüche gibt es aber auch – und diese gehen durch Mark und Bein.

„There is no dress rehearsal. Just a script that I’ve never read. A sad story that is universal.
A vague idea of what to expect.“
(Eight Seconds)

Bolm ist schonungslos ehrlich, erzählt von der Beerdigung, vom Glauben, den nicht er aber dafür seine Mutter in sich trug oder von ihrer Lieblingsstadt New York City in Skyscraper. Kurz vor ihrem Tod hatten Bolm und sie einen Ausflug in die Metropole gemacht, und sie hatte sich sofort verliebt. Das sind die Geschichten, die Anekdoten, die Erinnerungen, die Stage Four mit einem teilt und die einen von Anfang bis Ende festhalten – auch weil es im finalen Akt die letzte Sprachnachricht der Mutter an Bolm zu hören gibt. Gänsehaut.

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Doch nicht nur aufgrund der Umstände in denen das Album entstanden ist, ist Stage Four ein sehr interessantes Album für TOUCHÈ AMORÈ. Die Band, die grundsätzlich eher zu kurzen Songs mit wenig bis gar keinen Wiederholungen neigt, lässt sich neuerdings doch auf echte Strophen- und Refrain-Strukturen ein. Die gefürchtete Langeweile tritt dabei nicht ein, ganz im Gegenteil. Dazu trägt auch das breite Spektrum bei, das die Band präsentiert: Von bekannten Blastbeats und Hardcore-Stürmen über optimistisch, beinahe fröhliche Post-Rock-Einschläge und Wave-Gitarren schreit, brüllt, aber auch singt Bolm seinen Schmerz heraus und klingt dabei unerwartet selbstbewusst. Eine Entwicklung, die möglicherweise nicht jedem eingefleischten Fan zusagen könnte, jedoch sehr gut funktioniert. Nicht wenige werden nach den elf Songs mit Tränen in den Augen dasitzen und erneut auf Play drücken.

Wertung: 9/10

Band: Touché Amoré
Titel: Stage Four
Genre: Post-Hardcore, Indie
Songs: 11
Release: 16.09.2016
Label: Epitaph Records

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