
Review
Metalcore
Kritik: Your Spirit Dies - „My Gnawing Pains Will Never Rest“
Kompromisslose Härte statt Eingängigkeit.
VON
Tobias Tißen
AM 27/04/2025
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Your Spirit Dies aus Columbia haben sich in den vergangenen Jahren einen Namen in der Hardcore- und Metalcore-Szene gemacht. Nach zwei EPs – „The Process of Grief“ (2020) und „Our Saints Drown In Ash“ (2022) – folgt nun mit „My Gnawing Pains Will Never Rest“ das Debütalbum.
Auch darauf ist die Liebe der US-Amerikaner zum noch rohen Metalcore-Sound der 1990er und frühen 2000er durchgehend spürbar. Vor allem zu den Genre-Pionieren Zao, die Your Spirit Dies zu ihrem Namen inspirierten und deren Frontmann Dan Weyandt auf „My Gnawing Pains Will Never Rest“ sogar kurz vorbeishoutet.
Kompromisslos, düster und ohne den melodischen Anstrich, der viele moderne Genre-Vertreter auszeichnet – statt hymnischer Refrains und klarem Gesang gibt es bei Your Spirit Dies rohe Shouts, aggressive Riffs und wuchtige Breakdowns. Diese ungeschliffene Härte grenzt die Band deutlich von modernen Metalcore-Acts ab. Auf ihren EPs verpflanzten sie die Wurzeln des Genres authentisch in die 2020er – ziehen sie das auch so kompromisslos auf ihrem Langspieldebüt durch, oder wird’s doch eine Spur moderner?
Bei Your Spirit Dies gilt: Härte > Eingängigkeit
Die Antwort ist: Letzteres. Im Vergleich zu den beiden EPs haben Your Spirit Dies ihre Gitarren deutlich tiefer gestimmt und setzen noch mehr auf heftige Breakdowns und groovige, teils djentige Parts.
Wer jetzt laut „Och nö!“ stöhnt, kann aber aufatmen: Diese Weiterentwicklung klingt nie nach Anbiederung an moderne Hörgewohnheiten. Es gibt weder poppige Melodien, noch elektronische Elemente, noch Klargesang (okay: einmal kurz gibt es den). Der Fokus liegt auf Härte, Druck und emotionaler Schwere. Damit bewegt sich die Klangästhetik weiterhin näher an Metalcore-Veteranen wie Zao oder Shai Hulud als an modernen Acts wie Killswitch Engage, Parkway Drive oder Architects.
Your Spirit Dies ziehen ihr Konzept kompromisslos durch
Bereits der Opener „Trenches Of Pain“ startet ohne Umschweife mit Blastbeats und heftigen Riffs. Der nicht mal zwei Minuten lange Track bringt das Konzept des Albums auf den Punkt: Harter Einstieg, schnelle Rhythmuswechsel, gefolgt von drückenden Breakdowns und gelegentlichen Groove-Parts.
Ein typisches Beispiel dafür ist auch „Serpentine“. Die Single verbindet gnadenloses Blastbeat-Geballer mit einem späteren Tempowechsel und groovigem Endpart. Unterstützt von Zao-Frontmann Dan Weyandt – ein Feature, das für die Band wohl einen Traum erfüllt – gelingt hier der Spagat zwischen purer Aggression und rhythmischer Auflockerung besonders gut.
Zwischen Schmerz und Groove
Your Spirit Dies entfalten ihre stärkste Wirkung, wenn die pure Wut dominiert. Ein gutes Beispiel dafür ist „In The Depths Of Grief“: Der Song beginnt mit kräftigen Drums, die sich in ein rasendes Blastbeat-Gewitter stürzen, während kreischende Gitarren den Raum füllen. Der drückende Breakdown mündet erneut in eine groovige Passage. Ihr erkennt das Schema.
Was positiv auffällt: Die Band bleibt sich treu und verzichtet auch auf „My Gnawing Pains Will Never Rest“ fast vollständig auf Klargesang. Anders als viele moderne Metalcore-Acts, die Härte mit eingängigen Clean-Vocals ausbalancieren, setzen Your Spirit Dies konsequent auf Shouts und Screams.
Ein großes Lob verdienen auch die Breakdowns, die keinen Moshpit unblutig lassen. Tracks wie „Ritual Sacrament“ und „Born Forsaken“ liefern hier eindrucksvoll ab: Die Rhythmuswechsel sind präzise, die tiefen Gitarrenwände zwingen fast zum Mitnicken, und die rohe Energie entfaltet ihre volle Wirkung.
Bei „Shrouded In Silence“ überzeugt die Band durch besonders pointierte Härte und bringt in eineinhalb Minuten alles auf den Punkt, während „A Snow In Summer“ mit dynamischen Gitarren sowie variablen Screams und Shouts als einer der abwechslungsreicheren Songs der Platte hervorsticht.
Möglich macht das alles auch die starke Produktion: Die drückenden Soundwände wirken nie breiig, die einzelnen Instrumente heben sich schön voneinander ab, und die Schreie treffen direkt ins Mark.
Das Herzstück von „My Gnawing Pains Will Never Rest“
Mit „Unjust God“ gelingt der Band ein Track, der musikalisch und thematisch heraussticht. Inhaltlich geht es um die Auseinandersetzung mit dem Glauben und die persönlichen Kämpfe, die Sänger Brandon Byars verarbeitet. Der Song startet mit bedrohlichen Orchestrierungen, die sich mit melodischen Gitarren mischen, bevor die Drums im schnellen Tempo lospreschen und das typische Tremolo-Picking den Raum ausfüllt.
Der zentrale Clou: Zum ersten (und letzten) Mal auf dem Album mischt sich etwas Klargesang unter die wuchtigen Shouts. Gerade dieser Kontrast verleiht dem Song eine zusätzliche emotionale Tiefe, die das Thema noch eindringlicher macht. Die drückenden Riffs und aggressiven Vocals verbinden sich hier gelungen mit der melancholischen Melodieführung, was den Song trotz seiner Härte zugänglicher wirken lässt.
Trotz dieser kleinen Auflockerung bleibt „Unjust God“ kompromisslos heftig – ein Song, der zeigt, dass die Band es versteht, ihrer musikalischen Linie treu zu bleiben, ohne komplett eindimensional zu wirken.
Genau das ist nämlich der große Kritikpunkt an „My Gnawing Pains Will Never Rest“: Über mindestens zwei Drittel der Laufzeit ähnelt sich die Songstruktur zu sehr, was auf Dauer repetitiv und ermüdend wirkt. Ein Song wie „Unjust God“, der dieses Schema aufbricht, bestärkt dieses Gefühl zusätzlich.
Foto: Celina Odeh / Offizielles Pressebild
Your Spirit Dies News
My Gnawing Pains Will Never Rest
Künstler: Your Spirit Dies
Erscheinungsdatum: 02.05.2025
Genre: Metalcore
Label: MNRK heavy
Medium: Streaming, CD, Vinyl
- Trenches Of Pain
- Serpentine (feat. Dan Weyandt of Zao)
- A Rose For Every Stone
- In The Depths Of Grief
- Monochrome
- Born Forsaken
- Shrouded In Silence
- Ritual Sacrament
- A Snow In Summer (feat. Blaythe Steuer of No Cure)
- Unjust God
- Night Pierces My Bones (feat. Carson Pace of The Callous Daoboys)
- An Effigy Of Failure
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