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Comfort Company
VÖ: 07.11.2025
Review
Alternative Metalcore Post-Hardcore
Kritik: Wind Walkers - "I Don't Belong Here"
Lyrisch und musikalisch erfrischend.
VON
Jennifer Oedekoven
AM 08/10/2025
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Habt ihr Wind Walkers schon auf dem Schirm? Wenn nicht wird es höchste Zeit! Zwei Jahre nach dem bereits vielversprechenden Album „What If I Break?“ mit Neumitglied Trevor Borg hat die fünfköpfige Band aus Massachussets am Freitag mit ihrer neuen EP nachgelegt.
Wind Walkers bleiben sich treu und wagen einen Schritt nach vorn
Nach dem ersten Durchhören von „I Don’t Belong Here“ fühlt man sich wie in eine warme, melancholische Decke gewickelt. Ein scheinbarer Widerspruch, den die Band jedoch mühelos meistert – trotz oder vielleicht gerade wegen dem Zusammenspiel verschiedenster musikalischer Stile. Der Sound der Band setzt sich zusammen aus harten Riffs, die sich mit melodischen Passagen abwechseln – unterlegt wird das Ganze immer wieder von elektronischen Beats und Effekten. Wer jetzt befürchtet, dass es dadurch chaotisch klingen könnte, braucht sich nicht zu sorgen. Wind Walkers gelingt es in ihren Songs, ihre gewohnte Post-Hardcore/Alternative Metal-Linie beizubehalten, welche durch das Spiel mit verschiedenen Stilen nur noch gefüllter wirkt.
Aber fangen wir von vorne an: „Hereditary“ beginnt eher soft mit einem pulsierenden von industriellen Effekten begleiteten Beat, der direkt die Bandbreite von Sänger Trevor zeigt. Dessen Stimme zeichnet sich vor allem aus durch soulige Clean Parts, von denen er nahtlos in härtete Tonlagen und Scream-Parts übergeht. Der Song wechselt gekonnt zwischen ruhigeren melodischeren Passagen und Momenten, in denen wir direkt Zeuge davon werden, dass hier auch stärkere Geschütze aufgezogen werden können.
Packend geht es dann weiter mit „The End Aesthetic“. Dieser Titel ist etwas weniger experimentell in seiner Zusammensetzung verschiedener Rhythmen, macht dafür aber richtig Lust sich zu bewegen. Die sich immer mehr aufbauenden Refrains verleihen dem Song im Verlauf zunehmende Tiefe und spätestens, wenn es nach einem von treibenden Beats untermalten Synth-Sprechpart in den Breakdown übergeht, ist man invested.
Das Intro von „Sink Into Me“ beginnt mit sanften Gitarrenklängen und der jetzt bereits gewohnten erst ruhigeren Stimme des Leadsängers. Schnell geht es hier aber auch hier zu härteren Bässen über. Erst beim mehrmaligen Hinhören bemerkt man die sich im Hintergrund aufbauenden elektronischen Effekte, die dem Song eine gewisse melancholische Tiefe verleihen. Sicherlich Geschmacksache, aber der Song wäre vielleicht noch einprägsamer geworden, hätte man sie weniger im Gesamtsound versteckt.
Die Hälfte der EP ist an diesem Punkt gehört und langsam kommt die Angst auf, die zweite Hälfte könnte sich in die Länge gezogen anfühlen, hat man bis jetzt drei durchaus gute, aber auch ähnliche Songs präsentiert bekommen. Nach den ersten Sekunden von „Funeral Ball“ kann man diesen Gedanken jedoch getrost über Bord werfen. Dieser Song beginnt direkt deutlich energischer und bringt jetzt sogar einen Hauch von Pop-Punk mit ins Spiel. Auch wenn es nicht der Song ist, der am meisten heraussticht, ist es einer, der einfach Spaß beim Hören macht, die Stimmung auflockert und neugierig macht, was als nächstes auf einen zukommt.
Achtung, Ohrwurmgefahrt!
Das Weiterhören lohnt sich definitiv, denn jetzt kommt mein persönliches Highlight und ich warne hier ausdrücklich vor Ohrwurmgefahr. Wind Walkers brechen „Eating My Heart Out“ ihre bis jetzt eher gewöhnte Struktur von soften Vocals in den Strophen und härteren in den Refrains. Trotzdem hat der Song durchweg eine schwer in Worte zu fassende Tiefe, die von treibenden Drums und Bässen sowie einem einprägendem Refrain begleitet wird. Durch all das fühlt man sich schnell an den Song gekettet, was einen noch mehr in den perfekt vorbereiteten Breakdown hineinzieht.
Den energetischen Höhepunkt bildet der letzte Song „Silk & Static“, welcher mit einem Elektro-Intro startet, das stark an den Sound von Videospielen erinnert. Während der Song mit Abstand der dynamischste des Albums ist, spielt er auch am meisten mit elektronischen Elementen. So wird der Breakdown beispielsweise von einem kurzen Techno-Part eingeleitet. Generell bestätigt sich hier das Gefühl, dass das Album von Song zu Song mehr Dynamik aufbaut und so hinterlässt es einen nach dem letzten Song mit der Lust auf mehr.
Insgesamt wird es beim Hören von „I Don’t Belong Here“ zu keinem Zeitpunkt langweilig. Die Summe von sechs Songs ist ideal und lädt zum Binge-Hören ein, wobei man bei jedem Durchlauf wieder etwas Neues in dem komplex produzierten Sound entdecken kann.
Doch nicht nur musikalisch, sondern auch lyrisch haben Wind Walkers einiges an Tiefe im Gepäck. Während Borg bereits in Interviews zum vorherigen Album verraten hat, dass er in seinen Lyrics vor allem persönliche Themen aufarbeitet, steht beispielsweise in „Silk & Static“ sein Umgang mit ADHS im Vordergrund. In seinen eigenen Worten:
„Das Schreiben von ‚Silk & Static‘ war, als würde ich in einen Spiegel schauen und all die frustrierenden Dinge an mir selbst auspacken. Es kam aus einem Gefühl heraus, nicht zu verstehen, warum mein Kopf sich ständig so chaotisch anfühlte und warum ich mir immer wieder selbst im Weg stand. Nachdem bei mir kürzlich ADHS diagnostiziert wurde, fügten sich die Teile zusammen und warf ein anderes Licht auf den Song. Es war echt aufschlussreich zu erkennen, dass ich nicht allein war und dass auch andere mit dieser Art von innerem Lärm oder ‚Störgeräuschen‘ leben. Im Grunde habe ich diesen Song geschrieben, um Menschen Trost zu spenden, die sich mit dem Gefühl der Überforderung und des Unverstandenseins identifizieren können, während sie versuchen, sich selbst zu verstehen.“
Foto: Wind Walkers / Offizielles Pressebild
Wind Walkers News
I Don’t Belong Here (EP)
Künstler: Wind Walkers
Erscheinungsdatum: 03.10.2025
Genre: Alternative, Metalcore, Post-Hardcore
Label: Fearless Records/Concord
Medium: Streaming, CD, Vinyl, etc
- Hereditary
- The End Aesthetic
- Sink Into Me
- Funeral Ballrooms
- Eating My Heart Out
- Silk & Static
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