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MetalcoreNu Metal

Kritik: Vended - "Vended"

Lasst uns ein Spiel spielen: Wir rezensieren das selbstbetitelte Debütalbum von Vended, ohne dabei auch nur ein einziges Mal das ...

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Lasst uns ein Spiel spielen: Wir rezensieren das selbstbetitelte Debütalbum von Vended, ohne dabei auch nur ein einziges Mal das Wort Slipknot in den… Mist, da ist es doch jetzt tatsächlich schon passiert!

I: ANTRITT EINES SCHWEREN ERBES

Um Corey Taylor aus der Ruhe zu bringen, bedarf es schon eines waschechten Undings. Da musst Du schon während einer Liveperformance auf der Bühne fuchsteufelswild mit einem Handy rumgniedeln, um es von ihm höchstselbst mit einem Roundhouse aus den Griffeln getreten zu bekommen. Nur dem hochpotenten Promillegrad des Fans ist es seinerzeit wohl zu verdanken gewesen, dass dieser es vergleichsweise sportlich sah denn das Ganze vor Gericht enden zu lassen. Oder aber Du ziehst etwaige musikalische Vergleiche zwischen Vended, den Nu Metal-Senkrechtstartern, zu seinem Hauptengagement Slipknot. Da wird der sonst so ruhig wirkende Taylor tatsächlich unmittelbar zum Tier. Die alles entscheidende Frage, die es heuer zu beantworten gilt, ist doch: Was machen die Slipknot-Zöglinge Griffin Taylor und Simon Crahan denn eigentlich, um sich – bewusst oder unbewusst – von Papas Flaggschiff Slipknot zu emanzipieren? Die Antwort soll das nun folgende Full Length- Debüt „Vended“ geben. Und ob es Taylor sen. nun gefällt oder nicht – die Antwort lautet bei aller nüchternen Betrachtung: wenig bis gar nichts.

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II: KOMMERZIELLES TRITTBRETT VS. MUSIKALISCHE EIGENSTÄNDIGKEIT

Aber Vorsicht: Ein allumfassendes Werturteil ist das vorerst keineswegs, nur mag man den Slipknot-Zöglingen, die live – wenn man unmittelbar noch nie mit ihnen zu tun gehabt hatte – aussehen, als würde eine Abitur-Abschlussklasse Avatar auf die Theaterbühne bringen wollen, ein wenig den musikalischen Eigensinn absprechen. Rein kommerziell betrachtet ist das fürwahr eine wirtschaftlich durch und durch richtige Entscheidung. Und kein eigenständiges künstlerisches Konzept zu haben, muss andererseits auch nicht gleich zwangsläufig der Einstieg in ein Szenario sein, in dem die Band Scheibchen für Scheibchen scheitert. Es kann auch der Beginn eines solchen sein, in dem sich die Band musikalisch findet. Zweiteres möchte man Vended in all diesem musikalischen Zitatwahnsinn nur wünschen.

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Und mal ehrlich: Wer allen Ernstes behauptet, zwischen beiden Bands lägen stilistisch Welten, der meint bestimmt auch während eines Slipknot-Konzertes inmitten der Zugabe von „Duality“ im Stadion bei gefühlten 50 Grad Celsius das Gras wachsen zu hören. Bekommen wir es hier also mit dem Output der Gin Fizz trinkenden Millionärssöhnchen zu tun, die die hart erarbeitete Welle ihrer Väter zusammen mit ihren maskierten und in Pop Art getränkten Poolbrüdern einfach nur weiter durchreiten? Oder sind Vended die aufstrebenden, noch ungekrönten Thronfolger der Slipknot-Ära?

III: ORDENTLICH RÜCKENWIND BEI DEN BEKANNTEN SINGLES

Aber jetzt mal ehrlich: Ein im Vorfeld bekanntes „Serenity“ bietet Grund für reichlich Optimismus! Irgendwo im Spannungsfeld von Demon Hunter, Nothingface und eben Slipknot scheppert das, was Taylor und Gefolgschaft zu Gehör bringen, schon ordentlich. Eine solche Produktion kann man sich heuer nur wünschen, das antreibende Geklopfe im Hintergrund versieht diese Komposition bis zum Refrain mit unsäglich viel Rückenwind. Eben dieser fällt dann hochmelodisch aus und dürfte tatsächlich dafür sorgen, dass der Bodenbelag vom Dancefloor der MoreCore Party Deiner Wahl im Ernstfall schlicht nicht mehr zu erkennen wäre. Und auch „Nihilism“ trat schon gewaltig, dass man hätte meinen können, Vended wollten in Sachen Riffing zwischenzeitlich den Cavaleras den Thron abspenstig machen. Hier gerät der Refrain jedoch in Summe leider etwas bescheidener. Mit seinem hochmelodischen Finale stellen Vended mit „The Far Side“ unter Beweis, dass hinter dieser Formation tatsächlich gute Handwerker stecken, die sich aber in diesem Frühstadium noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität befinden.

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IV: STIMMIGES GESAMTKONZEPT MIT WENIGEN ÜBERRASCHUNGEN

Das einleitende „Paint The Skin“ erfüllt alle Anforderungen einer schlagkräftigen Eröffnung und lässt mit seinem stumpfen Geriffe fast schon eine waschechte Nailbomb-Referenz zu. Taylor kehlt sich durch einen Sumpf an Hochgeschwindigkeits-Gitarrensalven, erst im Refrain wird es mit reichlich Industrial-Versatzstücken deutlich melodischer und griffiger. Mit „Am I The Only One“, „The Far Side“ und „Nihilism“ folgen eingangs erwähnte Singles, bevor es mit „Pitiful“ musikalisch fast schon zu gleichförmig zugeht, was im Fall von „Vended“ erste Längen an die Erdoberfläche befördert. Das diesem Song zugrunde liegende Riff ist im Gesamtkonzept jedoch noch vergleichsweise zugfähig und überzeugend gestaltet.

Und ob es nun „Disparager“, der „Vended“-Überflieger „Serenity“ ist oder aber „Where The Honesty Lies“ – das den Songs zugrunde liegende Schema ist immer ähnlich bis gleich. Harte Strophe, griffiger Refrain, und eben genau das ziehen Vended ohne Rücksicht auf etwaige Verluste bis zum erbitterten Ende durch. Dadurch wirkt das Gesamtwerk zwar wie aus einem Guss, jedoch zum Ende hin auch wenig lebhaft, fordernd und trotz lautstarkem Bombast-Sound tatsächlich ein wenig repetitiv.

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Mit dem in zwei Füllstücke einfolierten Zweiminüter “Downfall“ schließen Vended ihr Debütalbum dann tosend und rasant mit reichlich Machine Head-Versatzstücken. Eines bleibt nach dem Nachhall des finalen „As We Know It“ zu erwähnen: Dieses gesamte Debütalbum bekommt in weit überdimensioniertem Maße durch Simon Crahans Schlagzeugspiel Variabilität und Leben eingehaucht. Egal, ob die Gitarrensektion nun links- oder rechtsgedreht durch den Nu Metal(core)-Generator gejagt wird – wäre Crahan im Hintergrund nicht derart schlagkräftig unterwegs, dann hätte auch ein Produzent wie Chris Collier (Korn) nicht mehr viel retten können.

V: ENORME LYRISCHE KLISCHEEBELADENHEIT

Die Texte wirken dabei so dystopisch konstruiert, als suche Taylor nur nach einem Grund, live von einem Bühnenende zum anderen zu galoppieren, um die treue Anhängerschaft in seinem aquamarineblauen Gefieder leidend wirkend anschreien zu dürfen. Junge, schlag Du mir jetzt bitte nicht auch noch das Handy aus der… Paff, was für ein Zufall! Nein, im Ernst: In diesem lyrischen Kontext geht Vended die reine Integrität leider Gottes vollends ab. Was man allerdings attestieren darf, ist, dass Griffin Taylor nicht nur über reichlich gesangliche Qualitäten verfügt, sondern dass sich dieser insbesondere im Klargesang anhört wie das akustische Ebenbild seines Vaters. Es gäbe fürwahr schlechtere Referenzen.

Foto: Ras Visual / Offizielles Pressebild

ALBUM
Vended
Künstler: Vended

Erscheinungsdatum: 20.09.2024
Genre: ,
Label: Vydia/Vended
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Intro
  2. Paint the Skin
  3. The Far Side
  4. Am I the Only One
  5. Going Up
  6. Nihilism
  7. Pitiful
  8. Serenity
  9. Disparager
  10. Where the Honesty Lies
  11. Ones’…
  12. Downfall
  13. As We Know It
Vended Vended
Vended Vended
6
FAZIT
Vended werden es trotz arbeitsamen Wesens recht schwer haben, und zwar nicht nur außerhalb des Maggot-Kosmos, sondern insbesondere auch aus den familiär schon vorgeprägten Reihen der unsäglich treuen Slipknot-Anhängerschaft. Plain and simple: Sollten Vended nicht maßgeblich etwas an ihrer künstlerischen Grundeinstellung ändern, gelten Sie mit dem nächsten Album als Band, die nicht eigenständig sein will und spätestens mit dem darauf folgenden als Formation, die nicht eigenständig sein kann. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann sich die Band - zumindest in den USA - im Vorprogramm von, äh, Slipknot anschauen.

Richtig ist aber auch: Sie könnten den Nu-Metalcore erhellen wie bereichern. Der Zukunft dieses Genres regelrecht mit breiter Schulter gegenübertreten. Über die Mittel verfügen sie, finanziell wie spielerisch. Das steht ganz außer Frage. Aber wir haben nun mal nicht mehr 2004. Von daher sind es ab jetzt eigene Ideen, die zählen. Und auch rein künstlerisch sollte man doch aus reinem Eigenantrieb schon weit mehr darstellen wollen als die ewige zweite Geige aus Iowa, oder?