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DjentProgressive

Kritik: Uneven Structure - "Paragon"

Als Uneven Structure ihr Album „Februus“ 2011 veröffentlichten, haben sie damit einen wahren Meilenstein der Djent-Bewegung geschaffen. Es dauerte sechs ...

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Als Uneven Structure ihr Album „Februus“ 2011 veröffentlichten, haben sie damit einen wahren Meilenstein der Djent-Bewegung geschaffen. Es dauerte sechs lange Jahre, bis mit „La Partition“ der zweite Opus der französischen Band geformt wurde. Einige Besetzungswechsel, sowie die örtliche Verlagerung von Metz nach Montepellier und zwei weitere Jahre später legen Uneven Structure mit „Paragon“ ihr drittes Album nach, das mit zwölf Tracks gute 51 Minuten an Spielzeit füllt.

Ein Track wie „Magician“ nimmt sich Zeit, um sich Stück für Stück aufzubauen. Die Wirkung die der Anfang von „Paragon“ erzeugt ist tatsächlich primär ein Spannungsaufbau, der sich über diesen ersten Track entwickelt. Etwas zu nasal wirkt der Gesang auf „Magician“ das mit einer atmosphärischen Pause direkt in „Hero“ überleitet und wie ein langes Intro wirkt.

„Hero“ hingegen ist kein Durchläufer oder Opener. Die bestechenden Rhythmen erinnern an die älteren Songs von Uneven Structure und werden im Hintergrund von Synthesizern bereichert. Doch hängen Uneven Structure nicht mehr im Jahr 2010 fest und haben sich auf eine rhythmische Spielweise fokussiert, die man zwar irgendwie noch als Djent bezeichnen könnte, die aber viel reifer und ausgebauter klingt. So gibt es nicht bloß profanes Gitarrengedjente auf der tiefsten Saite der fetten 8-Saiter Gitarren, sondern rhythmische Verschiebungen, die durch Ghost Notes und groß angelegte Melodie Leads an Fülle gewinnen. Der Gesang legt sich wie ein Schleier um diese Instrumentals, die sich in ihrer Repetition langsam aufbauen, um ihr großes Momentum zu erreichen. Es gelingt Mathieu Romarin, eine „catchy“ Hook über den vermeintlichen Refrain des Songs zu singen, wenn auch diese ein Loslösen von der rhythmischen Metrik benötigt. Mit dem Ende von „Hero“ greifen Uneven Structure den Wahnsinn auf, den sie auch bei „The Bait“ vom Vorgängeralbum „La Partition“ freisetzten.

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Das folgende „Innocent“ wirkt mit seinem cleanen Anfang vergleichsweise harmlos, deutete aber als erste Single bereits an, in welche Richtung sich Uneven Structure auf „Paragon“ bewegen. Mit gewohnter Atmosphäre baut sich der Song in einen durchaus eingängigen Chorus auf, der mit enorm rhythmischen Instrumentals umspielt wird. Es ist primär der Groove, der einen Song wie „Innocent“, aber auch andere Albumsongs auszeichnet.

Der kurze Spieluhrpart in „Innocent“ bringt etwas frischen Wind in den Sound der Band, die sich auch mit Sounddesigns ausprobierte und Geräusche von Kindern in den Hintergrund legte. Die dadurch erzeugte Atmosphäre erinnert unweigerlich an die ebenfalls aus Montpellier stammenden Hypno5e, passt aber auch in das Konstrukt, dass „Innocent“ bietet.

„Caregiver“ fungiert live als Intro für Uneven Structure. Auch auf dem Album hat es mehr die Wirkung eines bombastischen Intros, als die eines simplen Interludes. Nach dem melodischen „Innocent“ scheint es, als ginge es nun richtig los. Mit bedrückender Stimmung geht „Caregiver“ mit seiner 5/4 Taktung spannungsaufbauend in „Outlaw“ über. „Outlaw“ hingegen ist der wohl härteste Track des Albums und besticht mit psychedelischer Note inzwischen von rhythmischen Akzentuierungen. Insbesondere Schlagzeuger Arnaud Verrier zeichnet sich mit jeder Menge Fingerspitzengefühl und groovigen Snare-Ghostnotes selbst aus. Dazu kommen die sehr brachialen Breaks, die eine gewisse „Februus“-Reminiszenz mit sich bringen, von dem sich kettenden Mainriff aber wieder zurück zu einer Eingängigkeit geführt werden, die auch bereits „La Partition“ beherrscht hat.

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Ein f auf dem Piano eröffnet „Ruler“ auf melancholische und minimalistische Art und Weise. Zusammen mit dem Gesang baut sich ein Sound auf, den Uneven Structure so bisher noch nicht dargeboten haben. Mit einem durch Ghost Notes gespickten Groove erinnert der Anfang von „Ruler“ fast schon an Leprous, wenn auch der Gesang viel stärker bearbeitet klingt, als dies bei den Norwegern der Fall ist. Und eben diese Bearbeitung fällt auf. Der Gesang wirkt unnatürlich, gehemmt und übertrieben nasal, was dem Song leider einen bitteren Beigeschmack verleiht. Der folgende Instrumentalpart, der durch ein kurzes Schlagzeugsolo eingeleitet wird knüpft an den Vibe, den „Innocent“ zu bieten hatte. In der Blüte eines musikalischen Sonnenaufgangs sind es die Drums, die den Weg bahnen und aus „Ruler“ ein berauschendes und überraschendes Stück Musik machen, dass Abwechslung auf „Paragon“ bringt, sich zum Ende hin aber ebenfalls mit einem fetten Finale krönt. So baut sich „Ruler“ unfassbar spannend weiter und weiter auf, um die Kulminanz fallen zu lassen und in einem kurzen Pianooutro zu münden.

Im folgenden „Jester“ gibt es dann die satte Portion Riffs. Doch irgendwie klingt „Jester“ nicht nach Uneven Structure, oder doch? Tatsächlich könnte „Jester“ auch auf dem letzten VOLA Album gewesen sein, denn vom Main Riff bis hin zu den genutzten Effekten und Synthesizern lässt sich eine gewisse Parallele definitiv nicht leugnen. Doch auch die mysteriös klingenden Synthies passen gut in den Sound von Uneven Structure, der auf „Jester“ erneut mit passendem Pianointerlude glänzt und einen Drive hat, der schon Songs wie „Frost / Hail“ so spannend hielt. Auch das Ende des Tracks knüpft wieder an den Wahnsinn, den bereits „Hero“ aus den Musikern hervorkitzelte. Mit fetten Blast Beats und einem der härtesten Grooves auf dem ganzen Album beenden Uneven Structure „Jester“ so, als würde man in den puren Wahnsinn getrieben.

Etwas, dass sich im Schlagzeugspiel von Arnaud Verrier oft findet, ist eine typische drei gegen vier Figur, bei der er das Chinabecken, primär in Refrains, in einer ¾ Figur spielt (Das China wird nicht in einem Abstand von einer Viertelnote, sondern einer punktierten Viertelnote gespielt), während der Rest auf eine 4/4 Metrik ausgelegt ist. Dies lässt sich auch im Anfang von „Lover“ beobachten. Nach einem kurzen Interlude, das die Brücke bildet, startet „Lover“ auf dem Schlagzeug mit bombastischen Toms, und besagter Spielfigur, die sich verdammt oft in den Instrumentals von „Paragon“ identifizieren lässt. Doch wechselt Arnaud Verrier meist auf die gängige Taktung und entschärft die Komplexität in Parts, die durch Eingängigkeit herausstechen können.

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Wenn auch „Lover“ mit der Temporeduzierung und der folgenden Schlagzeugeskapade inklusive verzerrter Schreie im Ende schon fast wie das Ende des Albums wirkte, legen Uneven Structure mit „Everyman“ einen weiteren Track nach. „Everyman“ beginnt mit treibenden Drums, die in einen schnellen Groove überleiten und nun doch irgendwie an den Djent der frühen 2010er erinnern. Doch das ist ok, denn Uneven Structure wissen wie es geht und liefern diesen Sound mit großer Stilsicherheit ab, ohne es albern wirken zu lassen.

Ein Moment der Ruhe unterbricht das wilde Treiben von „Everyman“ und Uneven Structure bauen einen der schönsten Cleanparts ein, die sie vorzuweisen haben. Ein wenig wirken die Synthesizer zusammen mit den Gitarren wie der Soundtrack einer Netflix-Serie, die dann in einem wirklich schönen und melodischen Finale kulminieren. Auch die Vocalline des Sängers passt auf diesen finalen Refrain, der für Gänsehautmomente sorgen kann und glücklicherweise nicht durch einen weiteren Break seiner Wirkung beraubt wird. „Paragon“ endet mit diesem fulminanten Finale, das wirklich den perfekten Abschluss für dieses Album darstellt.

Foto: Marin Dodouce Photographe / Offizielles Pressebild

ALBUM
Paragon
Künstler: Uneven Structure

Erscheinungsdatum: 18.10.2019
Genre: ,
Label: Long Branch Records
Medium: CD, Vinyl

Uneven Structure Paragon
Uneven Structure Paragon
7.5
FAZIT
Es gelingt Uneven Structure nicht, die Energie, die die Band live ausstrahlt auf ein Album zu pressen. Zusammen mit der Lightshow und der Spielfreude, die Uneven Structure ausstrahlen, ist es eine komplett andere Erfahrung, sich „Paragon“ anzuhören oder es live zu erleben. Auch Mathieu ist live ein besserer Sänger, als das was sich hinter den Effekten auf „Paragon“ versteckt. Konzeptionell stellt „Paragon“ aber ein durchweg spannendes Album dar, dass auch vor Experimenten nicht zurückschreckt.

Vielleicht benötigt es etwas Zeit um im Gehör zu reifen und daran zu wachsen. Kleinere Schwächen finden sich einzig im etwas zu monoton geratenen Gesang, der hin und wieder aber ins Extreme auszubrechen weiß. Wer auf rhythmische Musik, fette Grooves und ein dazu passendes, einfangendes Ambiente steht kann mit „Paragon“ nichts falsch machen. Uneven Structure behaupten ihren Stil und erweitern diesen geschickt und elegant mit neuen Elementen, ohne sich dabei von ihrer Stärke zu entfernen: eine der spannendsten, modernen Progressive Metal-Bands zu sein.