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Kritik: The Hellacopters - "Overdriver"
Nach ihrer Live-Rückkehr 2016 dauerte es sechs Jahre bis zum ersten neuen The Hellacopters-Album. Bis Platte Nummer zwei waren es ...
VON
Tobias Tißen
AM 26/01/2025
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Nach ihrer Live-Rückkehr 2016 dauerte es sechs Jahre bis zum ersten neuen The Hellacopters-Album. Bis Platte Nummer zwei waren es jetzt keine drei – zum Glück!
The Hellacopters sind eine Institution. Pioniere einer Bewegung innerhalb der Rockmusik, die in den 90ern und 2000ern eine Schneise in den damals so populären Alternative-Rock schlugen. Gemeinsam mit den Kollegen von Turbonegro, Gluecifer und Backyard Babies ließen sie das Erbe von 60s- und 70s-Legenden wie KISS und MC5 aufleben. Immer mit einer Spur rotzigem Sleaze, wie ihn die finnischen Nachbarn von Hanoi Rocks in den 80ern perfektionierten. Mit ihrem explosiven und unwiderstehlich eingängigen High-Energy-Rock’n’Roll erspielten sich The Hellacopters binnen weniger Jahre Kultstatus. In den 2000ern gelang dann sogar der Sprung in den Mainstream. Als sich die Band 2008 auflöste, war der Aufschrei groß.
2016 folgte das Comeback, das 2022 schließlich im gefeierten Album „Eyes Of Oblivion“ gipfelte. Und jetzt? Es heißt ja, Bands werden am zweiten Album gemessen. Nach einem Comeback ist es nicht anders. Wie navigiert also eine Kultband mit neuem Material durch eine Rock-Landschaft, die sich seit den 1990er- und 2000er-Jahren so drastisch verändert hat?
Mit „Overdriver“ wagen sich The Hellacopters an diese Herausforderung – und machen genau da weiter, wo sie 2022 aufgehört haben. Auch Platte Nummer neun folgt dem bewährten Hellacopters-Sound, auch wenn die Rock’n’Rotzigkeit der 1990er (produktions-)technischer Perfektion und musikalischer Finesse gewichen ist. Paten des „neuen“ Hellacopters-Sounds sind jetzt mehr Deep Purple als MC5.
Leichtigkeit ohne Energieverlust
„Token Apologies“ eröffnet das Album mit treibenden Gitarren und einem eingängigen Refrain, der sofort ins Ohr geht. Der Song bleibt tief im 70s-Rock verwurzelt und vermittelt eine Leichtigkeit, die immer wieder an Creedence Clearwater Revival erinnert. Das stakkatoartige Rock’n’Roll-Piano, das in den Strophen eingestreut wird, ruft unweigerlich Status Quos „Rockin’ All Over The World“ ins Gedächtnis.
Insgesamt sind die Piano-, Orgel- und Keyboard-Klänge mal wieder eines der Highlights auf einem Hellacopters-Album. Auf „Overdriver“ stehen sie gefühlt sogar mehr denn je im Vordergrund. Anders Lindström verwebt virtuose Tastenklänge nahtlos mit den Gitarren- und Drumsounds und verleiht der Platte damit endgültig das Hellacopters-Gütesiegel. Die hochwertige Produktion des Albums rückt solche Details geschickt in den Vordergrund, sorgt dafür, dass jede Note klar und präzise klingt – und nimmt dem Sound dennoch ein wenig die Rotzigkeit, die frühe Alben wie „Supershitty To The Max!“ oder „Payin’ The Dues“ prägte. Für Fans des Sleaze der frühen Tage könnte das ein kleiner Kritikpunkt sein.
The Hellacopters grüßen die 60s und 70s!
„(I Don’t Wanna Be) Just A Memory“ ist eine echte Überraschung: Mit seinem catchy 60s/70s-Power-Pop-Chorus hebt sich der Song vom typischen Hellacopters-Sound ab und bleibt schon beim ersten Hören hängen. Leicht, fluffig und trotzdem kraftvoll – hier wurde ein absoluter Sommer-Festival-Banger geboren.
Auch „Soldier On“ bewegt sich in klassischem Terrain. Die melodische Grundstruktur und die Arrangements könnten problemlos aus dem Repertoire von Deep Purple stammen, ohne dabei auch nur ansatzweise wie eine Kopie zu wirken. Das schwedische Quintett fängt den Geist des Classic Rock authentisch ein, versieht ihn aber mit der ganz eigenen Handschrift.
„Wrong Face On“ bringt dann doch die punkige Dynamik der frühen Hellacopters ins Spiel. Die schnellen Riffs und das ungestüme Tempo machen den Song zu einem echten Highlight. Auch „Faraway Looks“ pulsiert vor Energie und ist ein typischer Hellacopters-Song mit Ohrwurm-Hook.
Eindrucksvolles Finale
Mit „Do You Feel Normal“ und „The Stench“ wird kurz vor dem Finale das hohe Tempo noch kurz gedrosselt. Der bluesige Ansatz von „The Stench“ verleiht dem Track eine emotionale Tiefe, die das Songwriting der Schweden noch einmal unterstreicht.
Ein letztes Ausrufezeichen setzt der Closer „Leave A Mark“. Der vielschichtige Rocksong verbindet den klassischen Bandsound mit sehnsüchtig singenden Gitarren à la Journey und einer mitreißenden Hook, die tatsächlich die Spuren hinterlässt, die der Titel verspricht.
Foto: The Hellacopters / Offizielles Pressebild
The Hellacopters News
Overdriver
Künstler: The Hellacopters
Erscheinungsdatum: 31.01.2025
Genre: Rock
Label: Nuclear Blast Records
Medium: CD, Vinyl, etc
- Token Apologies
- Don’t Let Me Bring You Down
- (I Don’t Wanna Be) Just A Memory
- Wrong Face On
- Soldier On
- Doomsday Daydreams
- Faraway Looks
- Coming Down
- Do You Feel Normal
- The Stench
- Leave A Mark
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