Review

EmoPost-Hardcore

Kritik: Story Of The Year - "Tear Me To Pieces"

Story Of The Year wären es gern gewesen – der ganz große Wurf. Und um Haaresbreite wäre ihnen dies tatsächlich ...

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Story Of The Year wären es gern gewesen – der ganz große Wurf. Und um Haaresbreite wäre ihnen dies tatsächlich auch gelungen. Mit „Page Avenue“ ritt das Quartett die Emo-Welle bis hin zum Major, nur um dessen kommerzielle Erwartungen dann zwei Jahre später mit „In The Wake Of Determination“ um ganze Welten zu verfehlen. Gerecht schien das nicht gerade, denn dabei hat man mit dem 2005er Werk nicht einmal etwas falsch gemacht.

Ganz im Gegenteil: Dan Marsala, Ryan Phillips, Phillip Sneed und Schlagzeuger Josh Willis mischten Hardcore-Anleihen mit hymnisch-poppigen Refrains und erspielten sich zumindest im Untergrund eine ganz schön treue Gefolgschaft.

Und auch wenn Story Of The Year beim Abgreifen musikalischer Genre-Klischees schon immer ganz vorne mit dabei waren, boten sie in den zwei Dekaden nach Emo doch stets konsistenten Output.

Way Back When

Es hat schon etwas Befremdliches, wenn junge Menschen der Vergangenheit attestieren, vieles, wenn nicht gar alles an ihr sei besser gewesen. Auch Story Of The Year wagen auf philosophischen Abwegen gern ab und an den Blick in die Vergangenheit.

In „2005“ zum Beispiel gibt man sich latent melancholisch: „Running from the cops on the freeway / We don’t give a fuck cause we won’t change / I think about it all the time / It feels just like 2005.“

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Und 2005 hatte es fürwahr in sich. Mit „In The Wake Of Determination“ knallten Dan Marsala und seine Jungs aus St. Louis ein Album raus, was sie nach ihrem 2003er Emo-Erfolg „Page Avenue“ direkt in Richtung der Major-Industrie beförderte.

Nach dem Drop der großen Industrie rannten Story Of The Year mit „The Black Swan“ dann durch die USA und besprühten im Untergrund ganze Wände, anno 2023 dürfte die Band – zumindest im übertragenen wie auch musikalischen Sinn – schon Angst haben, eine leere Coladose vom Fußgängerüberweg zu kicken.

Ein zumindest überzeugendes Gesamtwerk von Story Of The Year

Und doch ist „Tear Me To Pieces“ mehr als die Summe seiner mittelprächtigen Singles. Als Gesamtkonzept bieten Marsala und Gefolge zwar Gewohntes, so aber doch über weite Strecken überzeugende Kost. Das ist noch immer Musik, die beim ersten Hören zündet und seine Tiefe erst mit der Zeit offenbart.

Die Rezeptur bleibt indes stets wie gewohnt: Galertartige, klar und druckvoll produzierte Bratgitarren lösen hymnische Refrains ab, die vor Mitsingpotenzial mancherorts fast schon anbiedernd wirken. Alles das ist immer noch hart genug, um Fans der ersten wie zweiten Stunde nicht zu verschrecken und andererseits gefällig genug, dass sich auch Literaturstudenten dazu noch in die Arme fallen könnten.

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Mit „Knives Out“ hauen Story Of The Year dann gegen Ende noch einen Bombast-Rocker raus, der sich gewaschen hat und der auch der „The Black Swan“-Phase hätte entstammen können. Der erhöhte Puls ist also auch heute noch vernehmbar. Bei aller Gefälligkeit möchte man der Band ihre Authentizität eben dann doch nicht absprechen.

Und auch die Melodien von „Can’t Save You“, „Sorry About Me“ und „Knives Out“ offenbaren noch immer das Vagrant-Gen, das durch die Adern dieser Band fließt.

Mit „Use Me“ blasen Story Of The Year dann zum finalen Schwof, bei dem einen schon der Gasgeruch der in die Höhe gestreckten Feuerzeuge in die Nase steigt.

Foto: Story Of The Year / Offizielles Pressebild

ALBUM
Tear Me To Pieces
Künstler: Story of the Year

Erscheinungsdatum: 10.03.2023
Genre: , ,
Label: SharpTone Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Tear Me To Pieces
  2. Real Life
  3. Afterglow
  4. Dead And Gone
  5. War
  6. Can't Save You
  7. 2005
  8. Sorry About Me
  9. Take The Ride
  10. Knives Out
  11. Use Me
Story Of the Year Tear Me To Pieces
Story Of the Year Tear Me To Pieces
6.5
FAZIT
Im Auslassen von Klischees waren Story Of The Year schon immer vergleichsweise nachlässig, musikalisch wie auch lyrisch. Wenn den Hörer dieses latent vorhandene Oberflächliche nicht stört, bietet die Band auch mit ihrem neuen Werk kaum Grund zur ernst gemeinten Klage.

Auf „Tear Me To Pieces“ wird gleichermaßen gelebt, geliebt, sich getrennt und gelitten. Und rein musikalisch? Da bieten Story Of The Year auch heute noch zumindest Relevantes und Hörbares, das noch immer mit reichlich Energie versetzt ist. Natürlich ist da keine signifikante Weiterentwicklung mehr erkennbar, aber man kann und möchte der Band dafür einfach nicht böse sein. Was sollte an bewusst gewählter Einfachheit denn schließlich falsch sein? Hier wird in Summe halt eben gebellt, nicht gebissen.