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Kritik: Smile and Burn - "Seid ihr stolz auf mich?"
Mit „Seid ihr stolz auf mich?“ steht seit wenigen Tagen Studioalbum Nummer Sieben von Smile and Burn in den Regalen. ...
VON
Mauritz Hagemann
AM 29/07/2024
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Mit „Seid ihr stolz auf mich?“ steht seit wenigen Tagen Studioalbum Nummer Sieben von Smile and Burn in den Regalen. Die Berliner sind seit inzwischen 16 Jahren unterwegs und haben sich mit ihrem deutschsprachigen Punkrock längst in der ganzen Republik einen Namen gemacht. Doch während man bisher ziemlich sicher wusste, was ein neues Album der Band mit sich bringen würden, ist auf „Seid ihr stolz auf mich?“ vieles anders. Grund genug, sich das Album einmal genauer anzuschauen.
Die Familiengeschichte als Album
Der Titel ist übrigens genau so gemeint wie man ihn auf den ersten Blick verstehen kann. Die klassische Fragen der Kinder an ihre Eltern: Seid ihr stolz auf mich? Habe ich eure Erwartungen erfüllt? Oder habe ich euch enttäuscht? Es gibt wohl nur wenige Kinder, die sich diese Fragen – wenn auch nur innerlich – im Laufe ihres Lebens nie stellen. So geht es auch Smile and Burn-Sänger Philipp Müller. Seine Familiengeschichte ist alles andere als frei von Schmerz und Trauer, wie er berichtet: „Meine Schwester ist damals, als wir alle noch kleine Kinder waren, sehr früh gestorben. Unsere Eltern haben für mich und meinen Bruder trotzdem versucht – gegen ihren eigenen Schmerz – eine funktionierende, fröhliche Familie zu sein. Ich habe dafür versucht, ihnen jedes unnötige Leid zu ersparen und wollte immer gefallen und selbst niemals auffallen. Ich habe mich sehr klein gemacht und hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich es einmal nicht tat. So haben wir eben versucht, mit unserer Trauer umzugehen. Und so sind wir bis heute um diese Wunde herum gewachsen.“
Smile and Burn wagen die kleine musikalische Revolution
Keine leichte Kost, die Müller mit seiner Band auf „Seid ihr stolz auf mich?“ verarbeiten will. Aber eben auch genügend Material für ein persönliches, für ein dunkles Album. Und der lyrische Kontext ist nicht alles. Auch musikalisch wagen Smile and Burn zwar keine Wendung um 180 Grad. Aber 90 Grad sind es schon. Denn die Variation des Punkrock, den die Band in den letzten Jahren zu ihrem Markenzeichen gemacht hat, weicht einer deutlich reduzierten und weniger druckvollen Version. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Gerade der Start des Albums verläuft eher schleppend. Wer Smile and Burn gewöhnt ist, muss erst einmal auf die Zähne beißen. Dass „Flackert und geht aus“ als Intro bewusst zäh gehalten ist, leuchtet ein. Aber auch „Stolz“ kommt nur schwer aus den Startlöchern – trotz der ebenfalls neuen elektronischen Komponente.
Nichts verlernt
Doch natürlich haben Smile and Burn ihr Handwerkszeug nicht verlernt. Sie verstecken es nur mitunter sehr geschickt. Auch ein Song wie „Asche von gestern“ braucht ein wenig Zeit, bis man einen Zugang zu ihm findet. Wenn man das dann schafft, wird man für die Geduld belohnt. Denn ohne Frage ist der neue Smile and Burn-Sound besser geeignet, die Lyrics auf sich wirken zu lassen. Das hellt angesichts der durchweg eher dunklen Thematik zwar nicht die Laune auf, macht aber nachdenklich geht nahe. Und auch das gehört bekanntlich zum Punkrock dazu.
Smile and Burn drehen in der zweiten Hälfte auf
Gerade zum Beginn des Album scheint es tatsächlich so, als hätten Smile and Burn im Tonstudio die Handbremse ein wenig zu feste angezogen. Doch es bleibt nicht so. „Sowieso zu spät“ – ohne Frage eines der Highlights des Albums – beginnt zwar noch relativ verhalten, entwickelt sich dann über die Länge von drei Minuten zu einem Song, wie man ihn von Smile and Burn kennt. Eingängig, zum Mitnicken oder Mithüpfen und mit jeder Menge Ohrwurmpotential. Generell macht vor allem die zweite Albumhälfte schon auf den ersten Blick bzw. beim ersten Hören ein deutlich eingängigeren Eindruck. „Fallen“ ist nicht nur wunderschön romantisch, sondern auch ein Song, der sich schon nach einmaligem Hören hartnäckig im Gehörgang festsetzt. Und schlechte Laune ist ganz im Sinne von Bertolt Brecht ein Lehrstück aus dem epischen Theater. Ob sich im Songtext wohl auch der ein oder andere Smile and Burn-Fan wiederfindet?
Erst die Pflicht, dann die Kür
Auf 35 Minuten und in 12 Songs zeigen Smile and Burn eine Weiterentwicklung, die neugierig macht. Es lohnt sich definitiv, hier einmal genauer hinzuhören. Man darf sich nicht vom Beginn der Platte abschrecken lassen – denn hier überspannen die Berliner den Bogen möglicherweise ein wenig. Doch die Band wäre nicht seit 16 Jahren erfolgreich, wenn sie nicht wüsste, wie man ausgewogene Alben schreibt. Dass dieses Mal die zweite Hälfte deutlich stärker daherkommt, ist zum einen Geschmackssache und zum anderen vielleicht sogar genauso gewollt. Erst die Pflicht, dann die Kür.
Foto: Max Threlfall / Offizielles Pressebild
Seid ihr stolz auf mich?
Künstler: Smile And Burn
Erscheinungsdatum: 26.07.2024
Genre: Indie, Punkrock
Label: Solitary Man Records
Medium: CD, Vinyl, etc
- Flackert und geht aus
- Stolz
- Bomben fallen
- Asche von gestern
- Oberflächenspannung
- Die Jahre Zweifel
- Sowieso zu spät
- Fallen
- Schlechte Laune, alles gut
- Hier hält gar nichts
- So falsch
- Alle verlieren
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