Review

Post-HardcoreRock

Kritik: Silverstein - "Misery Made Me"

Am 06. Mai ist das Warten endlich vorbei: Silverstein bringen ihr zehntes Studioalbum an den Start! Mittlerweile stehen Shane Told ...

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Am 06. Mai ist das Warten endlich vorbei: Silverstein bringen ihr zehntes Studioalbum an den Start! Mittlerweile stehen Shane Told & Co. Seit über 20 Jahren auf der Bühne. Ihr Bühnenjubiläum wollten die Herrschaften 2020 gebührend feiern. Doch dann kam die Pandemie. Umso schöner, dass es jetzt Nachschub gibt! Und eins sei gespoilert: Der hat es in sich. Schon vorm Release hat Sänger Shane Told klargemacht, dass dieses Album anders sein wird als seine Vorgänger.

Konstante Weiterentwicklung

Ohne Rücksicht auf Konventionen oder Erwartungen hat das Post-Hardcore-Quintett einfach losgelegt. Dabei sind elf Songs entstanden, die mal wieder beweisen, dass Silverstein sich seit ihrer Gründung 2000 konstant weiterentwickeln und ordentlich abliefern. Doch lasst uns erst einmal reinhören in die neue Scheibe. „Misery Made Me“ heißt die neue Platte. Entstanden ist sie – Überraschung – während der Lockdownphasen 2020 und 2021. Inspiration? Isolation!

So geht Post-Hardcore

Doch hören wir zunächst einmal in das gute Stück rein. Eingeleitet wird die elf Song starke Platte mit „Our Song“. Mit gutem Tempo findet man als Hörer den Einstieg in den generell sehr stark melodischen Song, der aber durchaus mit einigen Screams gespickt ist. Gegen Ende bereichern den Song nochmal einige Ausraster, die aber immer von Clean Vocals begleitet werden – so geht guter Core. Besonders im Kopf bleibt der Refrain: „Misery made me, nothing can break me down“.

Das ist eine klare Ansage und zeigt direkt, worum es auf dieser Platte geht.

Back to the Hardcore-Roots

Weiter geht es mit einem der wohl härtesten Tracks in der Silverstein-Ära: „Die Alone“. Der brachiale Song mit Andrew Neufeld (Comeback Kid) war bereits vor Release zu hören und hat die Vorfreude auf das neue Album der kanadischen Truppe ordentlich gesteigert. Viele Fans haben auf genau so einen Song gewartet.

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Im Vergleich zum letzten Album „A Beaufitful Place To Drown“ sind hier definitiv härtere Töne an der Tagesordnung, die fast nostalgische Gefühle aufkommen lassen. Denn schon mit früheren Alben wie „I Am Alive in Everything I Touch“ oder „Dead Reflection“ bewiesen die Kanadier, dass sie mehr sind als nur eine Underground-Emo-Band.

Catchy, catchier, ultraviolet

Mit schnellen Gitarrenriffs beginnt schließlich der dritte Song. „Ultraviolet“ punktet mit einem cleanen Einstieg, gekonnten Instrumental Parts und einer Hook, die einfach hängenbleibt. Der Song lädt definitiv zum Headbangen ein, bietet aber auch kleine Verschnaufpausen und hat einen starken Ohrwurmcharakter: „I got lost in the Ultra Violet“ – Das bleibt definitiv im Kopf!

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„In ‚Ultraviolet‘ geht es um das Gefühl, machtlos zu sein und unter der Kontrolle der Chemikalien in deinem Gehirn zu stehen“, erklärt Gitarrist Paul Marc Rousseau dazu. “Dass ultraviolettes Licht selbst unsichtbar ist, schien mir der richtige Weg zu sein, diese Vorstellung zu beschreiben. Man verliert sich in dieser unsichtbaren Sache. UV-Licht verursacht auch physische Schäden an unserer Haut, also dient es als eine Art ‚Beweis‘ dafür, dass etwas Unsichtbares wie Angst uns schaden kann.“

Emo-Vibes are back

Etwas ruhiger geht es in „Cold Blood“ zu. Hier sind echte Emo-Song-Vibes am Start und die Nostalgie lässt grüßen. Das Feature mit Singer-Songwriter Trevor Daniel entführt uns als Hörer kurz ins Jahr 2000. Hier wird es richtig emotional. Wer auf die härteren Songs steht, skippt hier kurz. Wer sich auch über softe Core-Kreationen freuen kann, drückt besser auf Repeat.

Neue Pfade

Das Tempo kehrt in „It’s Over“ schnell zurück. Musikalisch gibt es hier zeitweilig kurze Flashbacks zu Being As An Oceans „P.R.O.X.Y.: An A.N.I.M.O Story“ – nur eben mit Shane Tolds Stimme im Silverstein-Style. Der Song ist das erste Anzeichen dafür, dass die Band mit diesem Album definitiv Neues ausprobiert. Bleibt sich mit starken Screams und genialen Gitrarrenriffs treu. Silverstein bleibt einfach Silverstein – nur eben mit neuen Elementen.

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The Hype is heavy

Bock auf Mosh Pit? Mit dem nächsten Sonst ist Ausrasten angesagt, denn jetzt folgt „The Altar / Mary“. Ein Song mit Core vom Feinsten, der direkt Mosh-Vibes transportiert. Der Song live? Sicher ein Banger! Doch dann folgt eine kleine Verschnaufpause, ein cleaner Part mit elektronischem Charakter gibt schon einmal einen Vorgeschmack auf den zweiten Part des Songs. Es folgen einige Breaks mit kurzen Aussetzern, bis sich schließlich alles verändert. Denn jetzt wird es komplett elektronisch: Mit verzerrter Stimme und elektronischem Sound endet der Song schließlich. Insgesamt wirkt der Track sehr modern – ob die Elektro-Vibes passen, ist Geschmackssache.

Zwischen Screams und Cleans

Relativ langsam geht es mit „Slow Motion“ voran. Hier ist direkt der Einstieg von elektronischen Elementen geprägt, paart sich aber mit kurzen Screams bis schließlich die Clean Vocals einsetzen, die wir von Silverstein kennen. Insgesamt bleibt dieser Song etwas langsamer als andere auf dem Album, bleibt durch die Screamparts aber nicht gänzlich soft. Vor allem zum Ende hin werden die härteren Parts immer intensiver, sodass das Feature mit Mike Hranica von The Devil Wears Prada auch Bestandteil einer Hardcore-Playlist sein darf.

Gitarrenriffs leiten den nächsten Song ein: “Don’t Wait Up”. Prompt wird es ruhiger als Shanes Stimme einsetzt und die ersten zwei Zeilen ganz ruhig einleitet, bis es mit leichten punkigen Clean Vocals etwas energischer weitergeht. Der Song erinnert an andere Bands wie The Amity Affliction und lässt sich gut weghören.

Der beeindruckende Banger „Bankrupt“

Einen drauf setzt das kanadische Quintett aber mit dem nächsten Song, der kein geringerer ist als „Bankrupt“. Der Song ist ein echtes Masterpiece: Instrumente, Cleans, Screams und Lyrics sind einfach on Point. Der Song wurde bereits vor Release gefeiert und gilt als einer der härtesten, die Silverstein je gedroppt haben. Post Hardcore? 1+ mit Sternchen!

„Es geht darum, die Leute zu supporten“

In ihrem Podcast haben die fünf Bandmitglieder ebenfalls ausführlich über den Song gesprochen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Silverstein zur Gesellschaft und zur politischen Situation äußern. Schon in Songs wie „Born Dead“ haben sie ihre Meinung geäußert, aber dieser Song hat einen ganz anderen Charakter:

„Meist haben unsere Songs introperspektivische und persönliche Vibes, die sich mit persönlichen Problemen auseinandersetzen, mit denen jemand zu kämpfen hat. Aber in Bankrupt geht es darum, die Leute zu Supporten“, erklärt Gitarrist und Songwriter Paul Marc im Podcast. Er geht ins Detail und meint, dass es auch darum geht, kleine und mittelständische Unternehmen zu unterstützen, die die Krise nicht so gut überstanden haben wie große Konzerne, die weiterhin Profit gemacht haben. Und die passenden Worte dafür finden die Kanadier in den Lyrics:

Life is a disaster we’re going through
Time keeps on moving backwards
The world is a cancer coming for you

Zum Ausdruck bringt Shane diese mit einer „Rage-Against-The-Machine-Voice“, wie er selbst im Podcast sagt. Er lässt seinen Aggressionen freien Lauf und das macht den Song umso heavier und düsterer, was vielen Fans sicher zusagen dürfte.

Düstere Lyrics

Doch damit noch nicht genug, es folgt der zehnte Track des Albums. „Live Like This“ liefert in den ersten Sekunden Linkin Park oder Fort Minor-Vibes, bis der Gesang einsetzt und sich zu den Drums auch die Gitarren gesellen. Hier wechseln sich Clean und Core ab, sodass ein sehr solider Song entsteht. Das Nothing,Nowhere.-Feature begibt sich in düstere, lyrische Abgründe mit Zeilen wie „I don’t want to die, but I can’t live like this.“

Powervoll liebevolle Ballade als krönender Abschluss

Wer jetzt aufmerksam mitgelesen hat, hat sich vielleicht schon die Frage gestellt, ob auch die obligatorische Quotenballade auf dem Album vorhanden ist? Natürlich! Den krönenden Abschluss bildet „Misery“. Ein Song, der an Künstler wie Simple Plan oder Blink-182 erinnert. Feuerzeuge raus, jetzt wird es powervoll liebevoll. Spotlight auf Shane und einfach genießen. Auch lyrisch schließt sich hier der Kreis, so endet das Album mit den Worten „I can find my Peace in Misery“.

Während ihrer 22-jährigen Karriere haben sich die kanadischen Musiker inzwischen zu einer echten Szenegröße entwickelt. Und dabei haben Silverstein auch ihre Musik stetig weiterentwickelt, sodass man neuere Silverstein-Songs ebenso hören kann wie ältere. Nur wenige Bands schaffe es, konstant gute Songs zu liefern. Ja, die die Band entwickelt sich weiter, verliert sich dabei aber nicht.

Foto: Wyatt Clough / Offizielles Pressebild

ALBUM
Misery Made Me
Künstler: Silverstein

Erscheinungsdatum: 06.05.2022
Genre:
Label: UNFD
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Our Song
  2. Die Alone ft. Andrew Neufeld (Comeback Kid)
  3. Ultraviolet
  4. Cold Blood ft. Trevor Daniel
  5. It’s Over
  6. The Altar / Mary
  7. Slow Motion ft. Mike Hranica (The Devil Wears Prada)
  8. Don’t Wait Up
  9. Bankrupt
  10. Live Like This ft. Nothing,Nowhere
  11. Misery
Silverstein Misery Made Me
Silverstein Misery Made Me
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FAZIT
Mit “Misery Made Me“ haben Silverstein definitiv etwas Neues probiert. Es wird elektronisch, es wird aggressiv, bleibt aber gleichzeitig gewohnt melodisch und screamig. Die elektronischen Experimente sind sicher Geschmackssache – in Sachen Repertoire und Entwicklung sind Shane & Co. aber ganz klar in 2022 angekommen. Auf der neuen Platte vereinen sich Songs für jeden Geschmack zu einer ehrwürdigen Post-Hardcore-Komposition, die es in sich hat.

Jeder Song ist Silverstein und das erkennt man auch, denn die kanadischen Künstler haben sich ihren ganz einen Stil erarbeite, mit welchem sie die Szene prägen und begeistern. So kommen hier nicht nur Langzeitfans auf ihre Kosten – wer mit diesem Album nicht auf den Geschmack von Silverstein kommt, verpasst etwas! Clean Vocals? Harte screams at its best? Elektronische Elemente? Instrumentale Kracher oder ruhige Parts? Hier ist einfach alles dabei. Dazu stimmen auch die Lyrics und Shane Told wechselt innerhalb kürzester Zeit von smarten Clean Vocals zu krassen Screams – genau das, was ein guter Core-Song braucht. In diesem Album dürft ihr euch garantiert auf more Core freuen.