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Kritik: Shoreline - "Growth"
Es ist durchaus absurd, wenn man sich den “Diskurs” in den sozialen Medien rund um die Bundestagswahl und die Stellungnahme ...
VON
Maik Krause
AM 31/01/2022
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Es ist durchaus absurd, wenn man sich den “Diskurs” in den sozialen Medien rund um die Bundestagswahl und die Stellungnahme von Bands und Künstler:innen zu Themen wie der Klimakrise oder Flüchtlingspolitik anschaut. Offensichtlich sind da draußen nach wie vor viele Menschen der Meinung, dass Musik nicht politisch oder gesellschaftskritisch sein sollte, um damit automatisch die Ursprünge und Antreiber vieler Musikgenres auszublenden.
Ob aus Angst vor Shitstorms oder sogar aus mangelndem Interesse der Akteure konnte man durchaus einen Rückgang an klaren Meinungen im Punk und Metal in den letzten Jahren beobachten. Auf ihrem zweiten Album “Growth” wirken Shoreline aus Münster diesem Trend gehörig entgegen – und überzeugen dabei auch musikalisch auf ganzer Ebene.
Shoreline: Klare Kante zu unangenehmen Themen
Ging es auf dem Debüt-Album “Eat My Soul” stellenweise noch etwas verträumter zu, legen Shoreline auf “Growth” eine ordentliche Schippe Wut drauf. Kein Wunder, immerhin beschäftigen sich Sänger Hansol und seine Kollegen primär um Themen, die eine “gewisse Emotionalität” mit sich bringen: Klimakrise (“Disconnected”), kritischer Konsum (“Meat Free Youth”) oder eben auch Erfahrungen mit anti-asiatischem Rassismus (“Konichiwa”) werden nicht nur musikalisch druckvoll, sondern auch lyrisch unverblümt und sehr direkt behandelt.
Shoreline schaffen es auf den insgesamt zwölf Songs, die allesamt nicht die 3 Minuten Marke reißen, eine breite und spannende musikalische Mischung zu präsentieren, was “Growth” zu einem wirklich abwechslungsreichen Album machen. Leitet “I Grew Up On Easy Street” noch melodisch und behutsam ein, würzt “Distant” die Punk Rock Melodien mit fast tanzbaren Indie-Elementen, bevor das schwere “Madre” das Tempo rausnimmt und im Verlauf immer härter wird. “Sanctuary” ist ein starker Melodic Hardcore Song, während der Title-Track und Album-Closer “Growth” still und atmosphärisch beginnt, aber unangenehm laut endet.
Gutes Songwriting, interessante Features
Generell wirkt das Songwriting auf “Growth” nochmal ausgereifter als auf dem Vorgänger “Eat My Soul”. Nicht nur instrumental können Shoreline punkten. Auch in Sachen Vocals gibt es viele clevere Momente und Passagen wie in “White Boys Club” oder “Meat Free Youth”, wenn in Strophen einfach kleine Harmonien hinzugefügt werden.
Auffällig ist auch, dass Shoreline nur wenig Zeit mit Intros vergeuden und schnell zum Punkt kommen. So steigen die Vocals in einigen der Songs sofort oder schon nach wenigen Sekunden ein, was eine gewisse Dringlichkeit der Themen und Texte vermittelt. Auch sind die regelmäßig unsauberen oder nicht zu Ende gebrachten Reime mutig gewählt, aber alles andere als störend.
Mit gleich vier sehr interessanten Features von Be Well, Smile and Burn, Nervus und KOJI konnte man sich dazu auch noch ordentlich Unterstützung herbeiholen. Doch auch, wenn die Parts teilweise so subtil eingebaut sind, dass man sie hier und da kaum wahrnimmt, spricht dies eher für das clevere Songwriting als für einen billigen Versuch, sich mit den Gast-Parts zu sehr schmücken zu wollen.
Nicht, dass die Band das überhaupt nötig hätte. Ganz im Gegenteil. Mit “Growth” legen Shoreline ein richtig gutes Album hin, dass nicht nur Fans von den Menzingers, frühen Seahaven oder Basement glücklich machen dürfte.
Foto: Kathi Sterl / Offizielles Pressebild
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