Review

Punkrock

Kritik: Samiam - "Stowaway"

Samiam sind und waren schon immer Seelenfänger, und zwar aus musikalischem Prinzip und mit den reinsten aller Motiven. „Billy“ und ...

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Samiam sind und waren schon immer Seelenfänger, und zwar aus musikalischem Prinzip und mit den reinsten aller Motiven. „Billy“ und „Clumsy“ hatten weltverändernden Charakter und mit „Whatever’s Got You Down“ gab es im Jahr 2006 lediglich einen einzigen musikalischen Totalschaden, den man der Band um Jason Beebout aber nur allzu gern verzieh. Gitarrist Sergie Loobkoff vertrieb sich derweil die Zeit mit Blair Shehan von Racquet Club und unlängst Ways Away, die mit „Torch Songs“ just gerade erst ein weiteres Lebenszeichen von sich gegeben haben.

Samiam sind beileibe nicht angestaubt

Apropos Lebenszeichen: Auf ein solches mussten wir seit dem auf Hopeless Records erschienenen „Trips“ nun ganze zwölf Jahre warten. Und auch „Stowaway“ macht eines unmissverständlich klar: Samiam kommen auch anno 2023 und in Maßen ergraut ganz ohne unnötige Effekthaschereien aus.

In Sachen Relevanz möchte man der Band musikalisch wie textlich auch heuer aber mal so gar nichts absprechen. Natürlich klingt „Stowaway“ nicht mehr ganz so zwingend und in Hinsicht auf die Produktion so klar und treibend wie ein „You’re Freaking Me Out“ oder aber „Astray“, der grundlegende Charakter der Band hat sich jedoch nicht geändert. Die alle Songs umgebende Melancholie, die Samiam ausmacht, ist auch hier und heute jederzeit spürbar, so etwa auch bei „Lights Out Little Hustler“, das eben von einem Mid-Fünfziger vorgetragen wird, der die irdischen Unwegbarkeiten des menschlichen Daseins mit reichlich Bodenhaftung noch immer im Blick hat.

Die melodiengebende Achse, bestehend aus Beebout, Loobkoff und Kennerly ist konstant geblieben, mit Chad Darby (Bass) und Colin Brooks (Schlagzeug) wurde vor einiger Zeit eine komplett neue Rhythmusfraktion verpflichtet.

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Auch anno 2023 bestechen sie mit Tiefgang

Nach den bereits bekannten Songs „Crystallized“ und „Lights Out, Little Hustler“ erfährt „Stowaway“ seinen eigentlichen musikalischen Höhepunkt jedoch erst in der zweiten Hälfte mit Songs wie „Scout Knife“, „Highwire“ und „Natural Disasters“. Alles baut auf simplen Akkordfolgen auf, die durch die zweite Gitarrenlinie und Beebouts unvergleichlichem Dazutun mit melodiöser Tiefe versehen werden.

Und überhaupt: Im Vorfeld schienen Samiam Zweifel zu haben, ob Beebout überhaut noch die Puste besitzt, ein solches Unterfangen gesanglich durchzustehen. Diesen Zweifeln zum Trotz setzt Beebout gleich ein Dutzend Beweise entgegen. Und mal davon ab: Mit „Lake Speed“ präsentieren uns Samiam zwar nicht ihren besten, so aber doch temporeichsten Opener der Bandgeschichte, quasi so, als wolle man etwaige Zweifler gleich zu Beginn in ihre bescheidenen Schranken weisen.

Lediglich die Produktion wirkt an mancher Stelle ein wenig schmal, was daran liegen mag, dass „Stowaway“ digital gleich mehrfach über Staatsgrenzen hinweg gejagt wurde, bevor schließlich ein großes Ganzes daraus entstand. Druckvoll, zeitgemäß und homogen wirken die zwölf Songs jedoch nichtsdestotrotz.

Foto: Austin Rhodes / Offizielles Pressebild

Samiam News

ALBUM
Stowaway
Künstler: Samiam

Erscheinungsdatum: 31.03.2023
Genre: , ,
Label: Pure Noise Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Lake Speed
  2. Crystallized
  3. Lights Out, Little Hustler
  4. Shoulda Stayed
  5. Shut Down
  6. Scout Knife
  7. Monterey Canyon
  8. Natural Disasters
  9. Stanley
  10. Highwire
  11. Something
  12. Stowaway
Samiam - Stowaway
Samiam - Stowaway
8
FAZIT
Samiam sind Samiam sind Samiam. Und sie haben noch immer Charakter und Charme. Und das Gute daran ist, dass sich „Stowaway“ mal so gar nicht nach altklugem wie angestaubtem Altherrenrock anhört. Das sind Menschen aus unserer Mitte, die – so scheint es noch immer – Musik aus innerster Überzeugung machen.

Und fast ist das Gefühl vergleichbar mit genau dem, das man seinerzeit beim Hören der ersten Takte von „Billy“ hatte. Rein faktisch gesehen ist das lediglich eine blanke Akkordfolge, gefühlt aber doch so viel mehr. Und die eingangs erwähnte Seele, die haben einem Beebout und Loobkoff doch eigentlich 1992 schon längst entrissen. Und auch nach so vielen Jahren stellen Samiam in erster Linie noch immer eines unter Beweis: Es braucht nur vier Akkorde, um ein Herz zu erwärmen.

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