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AlternativeRock

Kritik: Nothing But Thieves - "Moral Panic"

Nothing But Thieves ist eine Band, bei der man schon immer irgendwie heraushören konnte, dass sie geprägt sind vom großen ...

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Nothing But Thieves ist eine Band, bei der man schon immer irgendwie heraushören konnte, dass sie geprägt sind vom großen britischen Einfluss der Rockmusik. Nothing But Thieves ist aber auch eine Band, die es trotzdem verstanden hat, dabei unverkennbar zu klingen und ihren ganz eigenen Style in ihr Werk einfließen zu lassen.

Nun erschien „Moral Panic“, der dritte Ableger der Band. Der Longplayer erscheint mit elf Tracks, die auf den Erfahrungen der Engländer aufbauen und dem Begriff Kunst in der Musik ein neues Gewand anzieht und mit vielen neuen Elementen ausschmückt.

Nothing But Thieves liefern mit „Moral Panic“ ein (fast) perfektes Kunstwerk

Das Album startet mit den bereits vorab ausgekoppelten Singles „Unperson“ und „Is Everybody Going Crazy?“. Keine schlechte Idee, den Hörer mit bekannten Klängen vorsichtig einzuführen und abzuholen. Eine kleine Auffrischung erhöht den Spannungsbogen, lässt einen aber auch einfacher ankommen. Erst Recht, wenn wir mit den beiden Stück zwei wirklich gute Rock-Songs vorliegen haben!

„Unperson“ ist dabei ein schneller Track und geht ordentlich nach vorne, überraschend kommt am Ende noch eine Bridge, die von leichtem Gesang und sphärischen Synthesizern getragen wird, während „Is Everybody Going Crazy?“ eher eine langsame Sohle aufs Parkett legt. Bei dem Groove ist es dennoch so gut wie unmöglich, nicht zumindest mit dem Kopf zu wackeln! Eines haben beide Songs aber gemeinsam: Durch catchy Hooks ist Mitsingen vorprogrammiert. Beide Tracks sind mehr als tanzbar. Absolutes Hitpotential!

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Der titelgebende Song „Moral Panic“ beginnt sehr atmosphärisch und ruhig mit vielen leichten Gitarrenklängen, um nach dem ersten Drittel des Songs das Schlagzeug mit dazu zu nehmen. Das Schlagzeug setzt mitten im Takt ein, der Gesang kommt mit kürzeren Silben aus. Das wirkt beim ersten Mal Hören so, als ob der Song an dieser Stelle schneller wird, obwohl das überhaupt nicht der Fall ist!).

Im letzten Drittel kommt sogar noch ein Piano und eine Lead-Gitarre hinzu. Der Song steigert sich und steigert damit auch früh die Spannung auf das was noch kommt! Chapeau!

„Real Love Song“ ist von der Songstruktur einfach, sticht aber vor allem durch das auffällige Gitarrenmotiv heraus. Ich weiß nicht, wie viele Effekte auf der Gitarrenspur liegen – vermutlich ALLE!

Kleiner Spaß am Rande, klingt trotzdem ziemlich knackig. Neben dem Gitarrenmotiv, welches uns den gesamten Song begleitet, ergänzt hier auch noch ein Klavier deutlich die Gefühlslage (ich meine sogar ein kleines Delay rauszuhören, erfrischend!). Die verschiedenen Instrumente greifen hier total gut ineinander und schaffen am Beispiel von „Real Love Song“ besonders ein Bewusstsein für die gute Produktion der Platte!

„Phobia“ kommt vor allem am Anfang vergleichsweise düster daher. Der Rhythmus erinnert an ein pochendes Herz, der Gesang ist zunächst fast geflüstert. Diese ASMR-Vibes erinnern uns sogar fast schon ein bisschen an einige Songs von Billie Eilish. Nothing But Thieves greifen hier also auch mal aktuelle Trends auf. Das steht ihnen hier unglaublich gut. Überraschend kommt mit der Gitarre nach dem verlängertem Intro ein Tempowechsel dazu. Der Song wird deutlich schneller.

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Einen Song, der „This Feels Like The End“ heißt, in die Mitte des Albums zu packen, ist genau mein Humor. Kleiner Spoiler: Es fühlt sich nicht an wie das Ende!

Der Track fühlt sich erstmals wie ein klassischer Rock-Song an. Schnelles Drumset, Bassline in den Strophen, knallige Power Chordes im Refrain, einfache Songstruktur. Enough said! Passt!

„Free If We Want It“ greift den klassischen Rock-Sound danach auch wieder auf, dazu kommt noch ein angedeutetes Gitarrensolo. Er ist von Anfang an aber deutlich ruhiger, etwas langsamer und verträumter. Auch der Refrain hat im Gegenzug zum Song davor einiges mehr an Ohrwurmpotenzial. Diese letzten beiden Tracks erinnern noch viel mehr an ältere Erscheinungen der Band. Balsam für Fans der ersten Stunde!

„Impossible“ und „There Was Sun“ könnten unterschiedlicher nicht sein. „Impossible“ startet als Ballade, strotzt aber im späteren Abschnitten vor Energie, vor allem die Background-Vocals unterstützen diese Power, die im hinteren Teil des Songs ausgestrahlt wird.

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„There Was Sun“ stellt mit dem Phaser über die E-Gitarre in Kombination mit einer cleanen Gitarre, die Akkorde spielt, und einem lässigen Schlagzeugbeat richtige Sommergefühle in den Vordergrund. Der Bass und Synthesizer liegen entspannt wie ein Teppich unter dem Rest des Songs und verstärken dieses Gefühl von behaglicher Entspanntheit.

Gegen Ende der Platte wird es noch einmal richtig spannend. „Can You Afford to Be An Individual?“ ist nicht nur der Lieblingstrack der Platte von Vokalist Conor Mason, er ist nach einiger Aussage „der beste Rocksong den (sie) jemals geschrieben haben“. Das kann man nur bestätigen. Ambient Vibes durch Synthesizer mit viel Reverb, eine Gitarre mit harter Distortion, spürbare Emotionen im Gesang und ein Drum and Bass (ja ihr habt richtig gehört!) Rhythmus-Teil passen einfach überraschend gut zusammen. Ich lasse das mal so stehen! Tut euch selber einen Gefallen und hört rein, es lohnt sich!

„Before We Drift Away“ bildet ein atmosphärisches und würdiges Ende für „Moral Panic“. Der Song als Grand Finale bringt eine Steigerung von melancholischen Gitarrenpicking über Streicher zu einem fröhlichen Höhepunkt und fasst damit die Gesamtstimmung der Platte abschließend gut zusammen.

Foto: Nothing But Thieves / Offizielles Pressebild

ALBUM
Moral Panic
Künstler: Nothing But Thieves

Erscheinungsdatum: 23.10.2020
Genre: ,
Label: Rca Int. (Sony Music)
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Unperson
  2. Is Everybody Going Crazy?
  3. Moral Panic
  4. Real Love Song
  5. Phobia
  6. This Feels Like The End
  7. Free If We Want It
  8. Impossible
  9. There Was Sun
  10. Can You Afford to Be An Individual?
  11. Before We Drift Away
Nothing But Thieves Moral Panic
Nothing But Thieves Moral Panic
9.5
FAZIT
Nothing But Thieves wählen für die einzelnen Songs immer wieder prägnante Merkmale und Einflüsse, die sie besonders von den anderen unterscheiden. Sie stehen immer für sich selbst und trotzdem bauen sie aufeinander auf und verlassen nicht die Bühne der Rockmusik. Der Klang der Stimme von Sänger Conor Mason und der Klang der Gitarre bleiben zunehmend gleich und geben dem Album so die Struktur, die es benötigt, um als Gesamtwerk zu funktionieren.

Nicht nur die Einflüsse der Songs sind vielseitig, die Band greift diverse Stimmungen (von Party und guter Laune bis zur Melancholie) auf und auch die sporadisch auftretende Strukturwechsel innerhalb der Songs sind immer stimmig (sogar wenn sie bewusst abrupt sind!). Da ist wirklich für jeden etwas dabei! Nicht bei einem Song geht Qualität verloren. "Moral Panic" wirkt sehr organisch und menschlich, es hat emotionale Höhen und Tiefen, bleibt dabei aber authentisch. Die Stimmungen passen trotz ihrer Diversität sehr gut zusammen, hier greift wirklich alles perfekt ineinander. "Moral Panic" ist der aktuelle Höhepunkt der Entwicklung von Nothing But Thieves und als Kunstwerk eine musikalische Abbildung der Realität. Man hört dieses Album nicht nur, man lebt es!