Review

MetalcoreProgressive

Kritik: Northlane - “Obsidian”

„Praying I go deaf in this echo chamber“. Marcus Bridge ist in einer Kammer des ewigen Widerhalls gefangen. Kein Entkommen ...

VON

„Praying I go deaf in this echo chamber“. Marcus Bridge ist in einer Kammer des ewigen Widerhalls gefangen. Kein Entkommen gibt es vor den Stimmen der weißen Privilegierten, die jegliche Perspektive für eine Welt verlieren, die täglich mit neuen Horrormeldungen überflutet wird. Northlane zeichnen auf ihrem sechsten Album „Obsidian“ das Bild einer kaputten Erde, fangen diese aber mit ihrem eigenwilligen Mix aus Metalcore, Nu Metal, Djent und dunklen Electronica auf beeindruckende Weise musikalisch ein.

Mit einem verträumten und nahezu besinnlichen Arpeggiator leiten die Australier in “Clarity” ihr neuestes Werk ein. Man bekommt fast das Gefühl in einer beschaulichen, futuristischen Traumwelt gestrandet zu sein. Für einen flüchtigen Moment mag man auch wirklich glauben, dass alles okay ist – auch wenn sich im Hintergrund leise anbahnt, dass ein Sturm aufziehen könnte. Dennoch geschieht es plötzlich, wenn Northlane dann mit voller Geschwindigkeit lospreschen und die Idylle nach wenigen Minuten komplett zum Einsturz bringen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Perfekte Grundvoraussetzungen

Ihre Selbstsicherheit macht einen nahezu frechen Eindruck, aber die Metalcore-Ausnahmetalente starten mit dem Rückenwind nach “Alien” (2019), der Einbindung des gleichen Produktionsteams und nach der Bewältigung von internen Krisen quasi von der Pole Position. Perfekt ausbalanciert und mit einem Händchen für Präzision ist „Obsidian“ wirklich on point produziert. Egal ob Djent-Gewitter wie bei “Clockwork” oder mächtige Four-on-the-floor-Momente wie bei “Abomination”; alles trifft das Ohr mit unvergleichbarem Druck.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Musikalisch fühlt sich „Obsidian“ wie der logische nächste Schritt ihrer Reise an, greift aber auch vereinzelt Elemente aus ihrer früheren Diskografie auf. So erinnern der Breakdown von “Clarity” und die Lead-Gitarren bei “Dark Solitaire” an “Singularity” (2013), während “Xen” und “Plenty” vom Riffing und Vibe her an “Node” (2015) und “Mesmer” (2017) erinnern. Primär stehen aber auch wieder ihre Einbeziehung von Nu Metal-Elementen (“Carbonized”), sowie EDM, Drum’n’Bass und Techno im Fokus. Tracks wie “Is this a test” oder das vorab veröffentlichte “Echo Chamber” fühlen sich mehr wie Tanznummern mit Metal-Einschlag an.

Northlane fügen ihrem Sound neue Facetten hinzu

Trotz aller Verbindungen zu ihrem älteren Material fühlt sich „Obsidian“ noch frischer und mutiger als “Alien” an, nicht zuletzt dadurch, dass nicht den Riffs, sondern zeitweise den Synths mehr Spielraum gewährt wird. Besonders hervorzuheben sind hierbei die atmosphärischen Cool Down-Momente wie die zweite Hälfte von “Xen” oder der mit starken Moby-Vibes daherkommende Ausnahmetrack “Nova”. Hierbei erfinden sich die Australier nahezu komplett neu und schaffen es vor allem dadurch genug Abwechslung über die 13 Tracks zu bieten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Über das instrumentale Geschick der Band brauchen wir eigentlich schon seit “Discoveries” (2011) nicht mehr reden. Sänger Marcus Bridge hingegen hat an dieser Stelle nochmal einen besonderen Shoutout verdient, da er es schafft, sein ohnehin schon extrem hohes Niveau nochmals zu übertrumpfen. Vor allem der Chorus von “Carbonized” lässt sich als eine der stärksten Performances während seiner gesamten Northlane-Laufbahn hervorheben. Zudem ist er auch gerade im Vergleich zu “Alien” nochmal viel besser im Mix positioniert.

Nahezu keine Schwächen

Gibt es an „Obsidian“ also überhaupt irgendetwas zu meckern? Nicht so wirklich. Lediglich die relativ üppige Lauflänge über 13 Tracks führt dazu, dass auf den letzten Metern wenige Songs wie “Cypher” oder “Inamorata” einfach nicht an das Niveau des Anfangs – besonders an das der ersten fünf Songs – anknüpfen können. Am Ende zeigt “Obsidian” einmal mehr, dass Northlane sich auch nach über zehn Jahren Bandgeschichte hervorragend gehalten haben und nach wie vor Maßstäbe in Songwriting und Produktion setzen.

Foto: Northlane / Offizielles Pressebild

ALBUM
Obsidian
Künstler: Northlane

Erscheinungsdatum: 22.04.2022
Genre: ,
Label: Believe Digital Gmbh (Soulfood)
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Clarity
  2. Echo Chamber
  3. Carbonized
  4. Abomination
  5. Plenty
  6. Is This A Test?
  7. Xen
  8. Cypher
  9. Nova
  10. Inamorata
  11. Obsidian
  12. Dark Solitaire
  13. Clockwork
Northlane Obsidian
Northlane Obsidian
9
FAZIT
Northlane sind immer noch hier. Mögen alle Stimmen, die ihrem Meisterwerk “Singularity” und Ex-Sänger Adrian Fitipaldes hinterher trauern, endgültig erlöschen. Ihre Musik und sicher auch ihre Mitglieder mögen sich über die Jahre verändert haben; aber die Australier zementieren mit ihrem perfekt produzierten sechsten Album “Obsidian” ihren Status als eine der aufregendsten Bands, die der Metalcore je hervorgebracht hat.