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AlternativeRock

Kritik: Nathan Gray - "Working Title"

Gerade noch war er mit seiner Band Boysetsfire auf großer Jubiläumstour, da liefert uns Sänger Nathan Gray am heutigen Freitag ...

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Gerade noch war er mit seiner Band Boysetsfire auf großer Jubiläumstour, da liefert uns Sänger Nathan Gray am heutigen Freitag gleich die nächste Musik. Dieses Mal ist es sein Soloprojekt, welches mit „Working Title“ das zweite Studioalbum präsentiert. Wir haben uns die 14 Songs angehört und nehmen euch mit in die Gedanken von Nathan Gray.

Das Album beginnt mit dem Song „Defense“ und startet gleich sehr rockig; ein Track, der ohne große Umwege direkt ins Gehör geht. Auch textlich bildet der Song eine Einleitung in das Album, dabei wird gleich zu Beginn des Albums eins deutlich: Die folgenden Stücke sind persönlich und sprechen direkt aus Grays Seele, dabei sind die Songs so geschrieben, dass auch der Zuhörer Unterstützung in der Musik findet. Mit Zeilen wie „I’m nowhere near perfect but I don’t need to be“, zeigt er dabei, dass er nicht als Moralapostel den Finger heben möchte, sondern dass die Erfahrung auf „Working Title“ auf Augenhöhe stattfinden soll.

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Genau dieser Eindruck wird im Song „I’m A Lot“ fortgesetzt. Auch hier sind die Dämonen aus Grays Vergangenheit zentraler Bestandteil. Auffallend ist, dass der Song eine positive Grundstimmung versprüht und generell Hoffnung verleiht. Gray wirkt an dieser Stelle, aufgrund von Text und der Art des Gesangs, mit sich selbst im Reinen, auch wenn die Verarbeitung der Vergangenheit und dunklen Gedanken keinesfalls abgeschlossen ist und dies wohl auch nie der Fall sein wird. Dies wird im Song „Refrain“ thematisiert. Einem eher minimalistisch und sehr atmosphärisch gehaltenem Klavier-Song. Das Lied wirkt sehr zerbrechlich, zugleich durch den guten Mix der Instrumente akzentuiert und vollständig. Besonders die Streicher geben dem Stück eine besondere Fülle, sowie einen organischen Gesamtton. Hinzu kommt die ergänzende Stimme von Julien Baker, die den Song eindrucksvoll abrundet.

Eine musikalische Fülle kommt auch im Song „Mercy“ durch. Dieser ist allerdings nicht mit den restlichen Stücken des Albums zu vergleichen. Der Sound wirkt sehr direkt, als ob die Band gleich neben dem Ohr spielen würde. Auch hier wurde ein besonderes Augenmerk auf akustische Instrumente gelegt. Der Grundcharakter des Songs besitzt allerdings eher einen countryartigen Vibe. Dabei erinnert der Song sehr an die 2019 erschienene Split-EP, welche gemeinsam mit Jesse Barnett von Stick To Your Guns veröffentlicht wurde. Dieser Song gibt dem Album eine weitere Note und erweitert den Rahmen von „Working Title“.

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Auch der Titelsong des Albums zieht eine Zwischenbilanz. In einem kräftigen Gewand gekleidet, drückt das Lied aus, dass Gray noch nicht am Ende seiner persönlichen Reise ist und dieses wohl auch niemals erreichen wird. Musikalisch schwebt der Song auf einem Mid-Tempo und besitzt dabei eine Leichtigkeit und gleichzeitig eine konträre Schwere, wie man es sonst beispielsweise von den Foo Fighters gewohnt ist. An dieser Stelle sind die Schlagzeug-Fills hervorzuheben, die die einzelnen Parts des Songs passend kombinieren und ineinander übergehen lassen. Zusätzlich wird Gray durch keinen Geringeren als Chuck Ragan (Hot Water Music) unterstützt. Diese gesamte Soundgewalt, gepaart mit dem eher langsamen Tempo wirken allerdings an der ein oder anderen Stelle etwas überladen und dadurch auch etwas träge.

„Working Title“ ist ebenso, wie „Refrain“ und „Never Alone“ bereits vor der Veröffentlichung des Albums erschienen. Letzterer richtet sich textlich an die LGBTQ-Bewegung, der er großen Respekt zollt und sie in ihrer Kraft und Beständigkeit bestärkt. Aufgrund des mittleren Tempos und der Tatsache, dass man einen Spannungsbogen in dem Song eher vermisst, wirkt das Stück eher wie eine Art Randerscheinung und bleibt nicht sonderlich lange im Kopf. Das Ende des Albums weist dieses Merkmal verhäuft auf. Ähnlich verhält es sich mit „The Fall“. Hier ist der Beat des Songs zwar deutlich treibender, allerdings vermisst man auch hier den musikalischen Tiefgang. Den Schluss des Albums bildet der Song „Down“, mit welchem sich Gray von seinen Dämonen der Vergangenheit verabschiedet. Auffällig ist hier der cleane Sound, der dem Album zu guter Letzt noch eine neue Note verleiht.

ALBUM
Working Title
Künstler: Nathan Gray

Erscheinungsdatum: 31.01.2020
Genre: ,
Label: End Hits Records
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. In My Defense
  2. I’m A Lot
  3. Working Title
  4. What About You
  5. Refrain
  6. Still Here
  7. The Markings
  8. Hold
  9. Mercy
  10. No Way
  11. Never Alone
  12. The Fall
  13. Down
Nathan Gray Working Title
Nathan Gray Working Title
7.5
FAZIT
In „Working Title“ öffnet sich Nathan Gray seinen Fans komplett. Er verarbeitet in diesem Album seine Vergangenheit, Dämonen, die ihn bis heute verfolgen und zieht ein Zwischenfazit mit einem positiven Blick in die Zukunft. Das Album ist vielfältig und auch wenn es an Härte vermissen lässt, zeigt es mit einer großen Diversität, was im Kopfe des Sängers vorgeht. Dabei wird besonders eins deutlich, Gray ist mit sich selbst im Reinen und hat es geschafft den Verarbeitungsprozess künstlerich zu kanalisieren. Ziel ist es dabei außerdem, dass die Lieder auch dem Hörer Kraft schenken und bei der eigenen Auseinandersetzung mit Problemen unterstützen sollen.

„Working Title“ will nicht jedem gefallen. Der Sound und die Aussagen sind direkt, ohne penetrant oder mahnend zu wirken. So schafft es das Album, auch eher blasse Songs zu kaschieren. Es ist durchaus denkbar, dass die Platte eine breite Hörerschaft anspricht, die sich unter Umständen nicht mit jedem Song identifizieren kann, allerdings individuelle Favoriten auf dem Album vorfinden wird. Darüber hinaus handelt es sich um ein Album, das einen spürbaren Spannungsbogen besitzt. Es erwartet den Hörer also sowohl von textlicher als auch von musikalischer Seite eine vielfältige Sammlung von Songs, aus unterschiedlichen Lebenslagen für unterschiedliche Lebenslagen.