Review

Post-HardcorePunkrock

Kritik: Nathan Gray - "Rebel Songs"

Dass Nathan Gray, seines Zeichens Fronter der Post-Hardcore-Legenden von Boysetsfire, ein äußerst umtriebiger Zeitgenosse ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Sieh ...

VON

Dass Nathan Gray, seines Zeichens Fronter der Post-Hardcore-Legenden von Boysetsfire, ein äußerst umtriebiger Zeitgenosse ist, dürfte inzwischen bekannt sein.

Dass mit „Rebel Songs“ nun aber bereits Soloalbum Nr.3 innerhalb von vier Jahren in den Startlöchern steht, wird auch Fans überrascht haben. „Feral Hymns“, das Solodebüt aus dem Jahr 2018, kam überwiegend melancholisch daher und wirkte stellenweise wie ein Boysetsfire-Album, nur eben ohne Strom.

„Working Title“, Album Nr.2 des Tausendsassas aus dem US-Bundesstaat Delaware aus dem vergangenen Jahr, war dann schon deutlicher rockiger. Und auch „Rebel Songs“ geht zumindest dem ersten Eindruck nach in diese Richtung.

Nathan Gray mit ordentlicher Bandbreite

Mit „The Reckoning“ geht direkt ohrwurm-verdächtig los und es wird schnell klar, dass „Rebel Songs“ auch musikalisch wütend und bissig klingen wird. Allerdings gilt dies nicht für die etwas gewöhnungsbedürftige Offbeat-Nummer „Look Alive“, das in Sachen Energie eine frühe Verschnaufpause bietet.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mit dem Titelsong reiht sich schon früh in der Tracklist ein Highlight ein. Zwar werden auch hier in Sachen Tempo die Regler nicht voll aufgedreht, doch das Ohrwurm-Potential wird voll ausgeschöpft, was sicher neben dem eingängigen Refrain, der an große Boysetsfire-Hits erinnert, auch am Gastauftritt von Rise Against-Sänger Tim McIlrath liegt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Stichwort Ohrwurm-Potential: Das ist gerade zu Beginn des Albums beachtlich, denn auch das vor allem in den Strophen verzweifelt klingende „Radio Silence“ bleibt schon nach dem ersten Hören im Ohr.

Der lyrisch wieder deutlich stärkere politische Einschlag ist übrigens auch eine Auswirkung der Pandemie, unter deren Eindruck das Album entstanden ist. „Als die Pandemie einschlug, wurde es auf einmal sehr offensichtlich, dass alles Politische sehr persönlich ist“, meint Nathan Gray. „Wir alle erlebten dieses globale Ereignis gleichzeitig, aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise, oftmals separiert durch politische Neigungen. Es beeinflusste, wie ernst Menschen das Virus nahmen, ob die Leute Masken trugen, ob Schulen geschlossen wurden oder ob man finanzielle Unterstützung bekam, um sich von einem Jahr Arbeitslosigkeit zu erholen. Die Pandemie zeigte, wie unglaublich unterversorgt bestimmte Gruppen sind – Frauen, People of Color, die untere und die mittlere Schicht, Obdachlose, die LGBTQIA+-Menschen. Jeden Tag sahen wir, wie sie in gefährlich verletzliche Situationen geführt wurden und es brach mein Herz, die Spaltung der Menschen zu sehen.“

Musikalische Polit-Thematik

Aus dieser Grundgefühl heraus entstanden dann auch kämpferische und entschlossene Polit-Songs wie „No Parasan“ oder „Capitol Stairs“. Gerade „No Parasan“ gehört ebenso wie „Lost“ zu den stärkeren Songs der Platte; gerade, weil auch sie Erinnerungen an Boysetsfire wecken und Nathan Gray seine markante und unverwechselbare Stimme hier am stärksten ausspielt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Andere Songs wie „Million“ sind hingegen keineswegs schwach, plätschern aber ein wenig vor sich hin. Wer Alben in Fließbandgeschwindigkeit abliefert, läuft eben auch Gefahr, hin und wieder etwas zu belanglose Songs mit aufs Album zu packen.

Keinesfalls belanglos ist aber „That Said“, ein überraschend melancholischer Abschluss eines echten Protest-Albums – und der Beweis, dass Nathan Gray auch in Sachen Vielseitigkeit Maßstäbe setzt. Wobei – bedurfte es dieses Beweises überhaupt noch?

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (@piaboehl)

ALBUM
Rebel Songs
Künstler: Nathan Gray

Erscheinungsdatum: 17.12.2021
Genre: ,
Label: End Hit Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. The Reckoning
  2. Look Alive
  3. Rebel Songs
  4. Radio Silence
  5. Fired Up
  6. Capitol Stairs
  7. No Pasaran
  8. Million
  9. Don't Wait Up
  10. Lost
  11. Grace
  12. That Said
Nathan Gray Boysetsfire Rebel Songs
Nathan Gray Boysetsfire Rebel Songs
8
FAZIT
Protest-Punkrock mit der Stimme von Boysetsfire – kann das funktionieren? 12 Songs und 36 Minuten lang beantwortet Nathan Gray diese Frage eindeutig mit ja. Das liegt einerseits daran, dass seine Stimme auch aus instrumental recht schlicht gehaltenen Songs etwas Besonderes machen kann und andererseits daran, dass das Ohrwurm-Potential dieser Songs deutlich überdurchschnittlich ist. Dass es gerade in der Mitte des Albums auch Songs aufs Album geschafft haben, die weder die Faust ballen lässt, noch das Herz zum Schmelzen bringt, ist dann auch höchstens ein kleiner Schönheitsfehler eines rundum gelungenen Albums.