Review
Post-HardcorePunkrock
Kritik: Nathan Gray - "Rebel Songs"
Dass Nathan Gray, seines Zeichens Fronter der Post-Hardcore-Legenden von Boysetsfire, ein äußerst umtriebiger Zeitgenosse ist, dürfte inzwischen bekannt sein. Sieh ...
VON
Mauritz Hagemann
AM 21/12/2021
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Dass Nathan Gray, seines Zeichens Fronter der Post-Hardcore-Legenden von Boysetsfire, ein äußerst umtriebiger Zeitgenosse ist, dürfte inzwischen bekannt sein.
Dass mit „Rebel Songs“ nun aber bereits Soloalbum Nr.3 innerhalb von vier Jahren in den Startlöchern steht, wird auch Fans überrascht haben. „Feral Hymns“, das Solodebüt aus dem Jahr 2018, kam überwiegend melancholisch daher und wirkte stellenweise wie ein Boysetsfire-Album, nur eben ohne Strom.
„Working Title“, Album Nr.2 des Tausendsassas aus dem US-Bundesstaat Delaware aus dem vergangenen Jahr, war dann schon deutlicher rockiger. Und auch „Rebel Songs“ geht zumindest dem ersten Eindruck nach in diese Richtung.
Nathan Gray mit ordentlicher Bandbreite
Mit „The Reckoning“ geht direkt ohrwurm-verdächtig los und es wird schnell klar, dass „Rebel Songs“ auch musikalisch wütend und bissig klingen wird. Allerdings gilt dies nicht für die etwas gewöhnungsbedürftige Offbeat-Nummer „Look Alive“, das in Sachen Energie eine frühe Verschnaufpause bietet.
Mit dem Titelsong reiht sich schon früh in der Tracklist ein Highlight ein. Zwar werden auch hier in Sachen Tempo die Regler nicht voll aufgedreht, doch das Ohrwurm-Potential wird voll ausgeschöpft, was sicher neben dem eingängigen Refrain, der an große Boysetsfire-Hits erinnert, auch am Gastauftritt von Rise Against-Sänger Tim McIlrath liegt.
Stichwort Ohrwurm-Potential: Das ist gerade zu Beginn des Albums beachtlich, denn auch das vor allem in den Strophen verzweifelt klingende „Radio Silence“ bleibt schon nach dem ersten Hören im Ohr.
Der lyrisch wieder deutlich stärkere politische Einschlag ist übrigens auch eine Auswirkung der Pandemie, unter deren Eindruck das Album entstanden ist. „Als die Pandemie einschlug, wurde es auf einmal sehr offensichtlich, dass alles Politische sehr persönlich ist“, meint Nathan Gray. „Wir alle erlebten dieses globale Ereignis gleichzeitig, aber auf sehr unterschiedliche Art und Weise, oftmals separiert durch politische Neigungen. Es beeinflusste, wie ernst Menschen das Virus nahmen, ob die Leute Masken trugen, ob Schulen geschlossen wurden oder ob man finanzielle Unterstützung bekam, um sich von einem Jahr Arbeitslosigkeit zu erholen. Die Pandemie zeigte, wie unglaublich unterversorgt bestimmte Gruppen sind – Frauen, People of Color, die untere und die mittlere Schicht, Obdachlose, die LGBTQIA+-Menschen. Jeden Tag sahen wir, wie sie in gefährlich verletzliche Situationen geführt wurden und es brach mein Herz, die Spaltung der Menschen zu sehen.“
Musikalische Polit-Thematik
Aus dieser Grundgefühl heraus entstanden dann auch kämpferische und entschlossene Polit-Songs wie „No Parasan“ oder „Capitol Stairs“. Gerade „No Parasan“ gehört ebenso wie „Lost“ zu den stärkeren Songs der Platte; gerade, weil auch sie Erinnerungen an Boysetsfire wecken und Nathan Gray seine markante und unverwechselbare Stimme hier am stärksten ausspielt.
Andere Songs wie „Million“ sind hingegen keineswegs schwach, plätschern aber ein wenig vor sich hin. Wer Alben in Fließbandgeschwindigkeit abliefert, läuft eben auch Gefahr, hin und wieder etwas zu belanglose Songs mit aufs Album zu packen.
Keinesfalls belanglos ist aber „That Said“, ein überraschend melancholischer Abschluss eines echten Protest-Albums – und der Beweis, dass Nathan Gray auch in Sachen Vielseitigkeit Maßstäbe setzt. Wobei – bedurfte es dieses Beweises überhaupt noch?
Foto im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (@piaboehl)
Rebel Songs
Künstler: Nathan Gray
Erscheinungsdatum: 17.12.2021
Genre: Post-Hardcore, Punkrock
Label: End Hit Records
Medium: CD, Vinyl, etc
- The Reckoning
- Look Alive
- Rebel Songs
- Radio Silence
- Fired Up
- Capitol Stairs
- No Pasaran
- Million
- Don't Wait Up
- Lost
- Grace
- That Said
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