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Kritik: Loathe - "I Let It In And It Took Everything"

Ähnlich wie der Beginn eines Blockbusters beginnt auch „I Let It In And It Took Everything“ von Loathe mit einer ...

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Ähnlich wie der Beginn eines Blockbusters beginnt auch „I Let It In And It Took Everything“ von Loathe mit einer Art Main Title. „Theme“ ist ein atmosphärischer Opener, der sich dick aufbläst und den Hörer in eine Wand aus Sound hüllt, die zum einen sanft und angenehm erscheint, zum anderen aber schnell von rauschenden Geräuschen unterbrochen wird.

Eine Analogie zu Slipknot zu ziehen, ist bei „Aggressive Evolution“ unabdingbar. Mit einem Drive, der „Iowa“ sehr ähnlich ist, beginnt der erste richtige Song auf dem neuen Loathe-Album. Krächzende Gitarren hauen in dissonanter Manier auf die Zwölf, während sich die Band aus UK im Wechselspiel zwischen verrückt und melancholisch übt. Einen großen Ohrwurmcharakter hat „Aggressive Evolution“ zwar nicht, dafür aber verdammt harte Breaks und einen Drive, der einfach keine Pausen kennt.

Bereits am Anfang des Albums wird der unkonventionelle, kompromisslose Sound von Loathe erneut unterschrieben. Die Band ist in der Lage, einen Break nach dem anderen loszuschmettern, ohne dabei in ewiger Repetition zu verenden. Stattdessen gelingt es auf „I Let It In And It Took Everything” ein durchweg spannendes Songwriting an den Tag zu legen, das durch faustdicke Härte an Power gewinnt und alles zerschmettert, was sich ihm in den Weg stellt.

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Loathes dunkle Seite kann süchtig machen und sicher wäre ein Album, das so brachial ist wie „I Let It In And It Took Everything“ zu Beginn, ein wahrer Garant für modernen Deathcore. Es ist schwer zu sagen, welcher Song auf „I Let It In And It Took Everything“ der härteste ist. „New Faces In The Dark“ hat unfassbar brachiale und widerliche Breaks, doch sind diese in vielen der Songs vorhanden. Das Trugbild, welches „New Faces In The Dark“ nach dem Interlude „451 Days“ aufbaut, ist jedoch eines, hinter dem sich ein großer Schatten verbirgt. Loathe klingen unfassbar angepisst und animieren dazu, all den Frust abzuwerfen.

Die Jungs beschreiten allerdings einen Weg, der schon nach „Broken Vision Rhythm“ zurück zu den atmosphärischen Synthesizern des Openers führt. Der Flow zu „Two Way Mirror“ wirkt so natürlich, obwohl sich der Sound der Band um 180“ wendet.

Stellt euch vor, Loathe würden einen Deftones-Song schreiben und diesen mit ihrem aggressiven Gitarrensound, aber melancholischem Cleangesang ausschmücken. Genau das ist „Two Way Mirror“! Der Song bildet einen grandiosen Kontrast und kommt so locker und ruhig daher, dass man kaum glauben kann, hier nach wie vor dieselbe Band zu hören. Doch ist „Two Way Mirror“ kein Ausrutscher, denn auch „Screaming“ folgt einem ähnlichen Ansatz. Es dominiert ein moderner Rocksound, der Loathe so überraschend gut steht, dass die Briten noch einen Schritt weiter gehen.

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„Is It Really You“ startet wie ein Synthpop-Song, der unweigerlich an Muse oder Mew erinnert. Es scheint fast, als hätte sich die Band bei Sleep Token inspirieren lassen. Mit Dream Pop Synthies, dem dennoch sehr harten Gitarrensound und ätherischem Gesang fällt „Is It Really You“ sogar aus dem Konstrukt, das „Two Way Mirror“ und „Screaming“ erbaut haben, heraus. „Is It Really You“ ist ein Wechselspiel der Gefühle, das in seiner schleierhaften und mesmerisierenden Wirkung so herzbetont und emotional ausgearbeitet ist, dass es kaum stören würde, wenn Loathe nur noch solche Songs schreiben würden.

Doch die Schattenseite der Band wird spätestens mit „Gored“ und „Heavy Is The Head That Falls With The Weight Of A Thousand Thoughts” wieder hervorgehoben. Mit Black Metal-ähnlichen Gitarren und Blast Beats beschwören Loathe ihre inneren Dämonen und knallen nach der kurzen Verschnaufpause erneut mit harten Breakdowns um sich. Während „Gored“ unfassbar brachial und kurzlebig ist, greift „Heavy Is The Head That Falls With The Weight Of A Thousand Thoughts” diesen Vibe direkt auf, baut ihn aber mit djentigen Elementen aus.

Nach all diesen Tiraden beginnt „A Sad Cartoon“ nun mit Akustikgitarren und entwickelt sich in einen Track, der an Bands wie Deafheaven erinnert, wenn auch von Blackgaze, bedingt durch den Sound, nicht die Rede sein kann. Vielmehr entwickelt sich „A Sad Cartoon“ erneut in ein Wechselspiel aus Dream Pop und hartem Metalcore. Auch im Titeltrack findet sich wieder eine Symbiose der Elemente, die Loathe auf ihrem neuen Album zu dem machen, was sie so einzigartig und überzeugend klingen lässt.

Foto: Loathe / Offizielles Pressebild

ALBUM
I Let It In And It Took Everything
Künstler: Loathe

Erscheinungsdatum: 07.02.2020
Genre:
Label: SharpTone Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Theme
  2. Aggressive Evolution
  3. Broken Vision Rhythm
  4. Two-Way Mirror
  5. 451 Days
  6. New Faces In The Dark
  7. Red Room
  8. Screaming
  9. Is It Really You?
  10. Gored
  11. Heavy Is The Head That Falls With The Weight Of A Thousand Thoughts
  12. A Sad Cartoon
  13. A Sad Cartoon (Reprise)
  14. I Let It In And It Took Everything…
Loathe I Let It In And It Took Everything
Loathe I Let It In And It Took Everything
9.5
FAZIT
„I Let It In And It Took Everything” stellt unter Beweis, dass Loathe eine der vielversprechendsten Metalbands unserer Generation sind. Es gelingt den Briten, ein abwechslungsreiches Album zu schreiben, das unfassbar frisch, kompromisslos und direkt ist. Egal ob Beatdown, Deathcore, Pop Rock, oder Nu Metal – alle Einflüsse, die Loathe auf diesem Album einstreuen, kulminieren zu einem durchweg überzeugenden Sound, den man der Band so schnell nicht nachmachen wird.

Ob „I Let It In And It Took Everything” in zehn Jahren ein Klassiker sein wird, kann nur die Zukunft zeigen. Aber diese Zukunft wird sich für Loathe durch die Veröffentlichung dieses Albums definitiv zum Positiven entwickeln. Ein Album, das so stimmig ist, ist in Zeiten der Digitalisierung rar geworden und genau das macht Loathe zu einer Band, an der in den nächsten Jahre kein Weg vorbeiführen wird.