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IndustrialRock

Kritik: Lindemann - "Live In Moscow"

Fast zwei Jahre sind bereits vergangen, da erschien der zweite Longplayer “F & M” des dato noch schwedisch-deutschen Duos Lindemann. ...

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Fast zwei Jahre sind bereits vergangen, da erschien der zweite Longplayer “F & M” des dato noch schwedisch-deutschen Duos Lindemann. Mittlerweile gehen Multiinstrumentalist Peter Tägtgren (Pain, Hypocrisy) und Rammstein-Frontmann Till Lindemann getrennte Wege, doch zum Schluss gibt’s nochmal ein fettes Abschiedsgeschenk an alle Fans: “Live In Moscow” markiert das Ende einer kleinen Ära. Das Ende der Live-Konzerte 2020 und das Ende einer besonderen Zusammenarbeit.

Das Abschiedsgeschenk des deutsch-schwedischen Duos Lindemann

Am 21. Mai erscheint “Live In Moscow”, das erste und in dieser Formation auch letzte Live-Album der Band Lindemann. Aufgenommen wurde es am 15. März 2020, also kurz vor dem ersten Shutdown, in Moskau.

Die Doppelkonzerte in der russischen VTB Arena beendeten jedoch nicht nur die erste Tour des schwedisch-deutschen Duos, sondern auch die gemeinsame Zusammenarbeit von Tägtgren und Lindemann. Letzterer kündigte zur Freude seiner Fans an, das Projekt dennoch fortzuführen.

“Live in Moscow” erscheint als Doppel-LP, DVD, Blu-Ray oder Special Edition CD+Blu-ray. Die Super Deluxe Version mit tragbaren Masken der Interpreten ist bereits ausverkauft.

Wie das wohl legendäre Konzert ausgesehen haben muss? Bisher erschienen als Anheizer ein Trailer und die Tracks “Praise Abort”, “Allesfresser”, “Blut” und “Home Sweet Home” auf dem YouTube-Kanal der Band. Wie es sich wohl angehört haben muss? Wir haben für euch schon mal in die Audio-Version von “Live in Moscow” reingehört.

Wer Lindemann kennt und liebt, für den scheint “Live In Moscow” dieses Jahr wohl die Kirsche auf einem der wohl „dreckigsten“ Sahnetörtchen der Industrie sein. Mit ganzen 17 Tracks, die sich wie ein Best Of der zwei Alben “Skills in Pills” und “F&M” verhalten, bietet die Platte ganze 90 Minuten Konzert-Feeling. Und das ist in heutigen Zeiten ja schon fast Urlaub.

Wer hat das Publikum versteckt?

Die englischen und deutschen Tracks halten sich gegenseitig die Stange und wechseln alle drei bis vier Songs die Sprache. Dass dies allerdings dem russischen Publikum relativ egal ist, merkt man schon daran, dass man dieses nur selten wirklich mitgrölen hört. Lediglich wenn Lindemann seine Russisch-Skills zum Besten gibt, wirkt das Publikum wirklich anwesend. Aber das kann und wird ja natürlich auch an der Produktion der Platte liegen.

Los geht’s mit den drei englischen Titeln “Skills in Pills”, “Ladyboy” und “Fat”. Bereits jetzt lässt sich feststellen: Mit großartigen Überraschungen sollten wir auf der Audio-Version der Platte nicht rechnen. Selbst wer die Tracks kennt, wird musikalisch kaum Unterschiede zu den Original-Tracks finden.

Tills Stimme bleibt ebenfalls den Großteil der Zeit ziemlich CD-treu. Ab und an hört man mal einen Mic-Drop, ein Befeuchten des Mikros, Text-unterstreichende Geräusche oder eine Änderung der Tonlage.

Beim Track “Frau und Mann” findet eine kurze Interaktion mit dem Publikum statt, was allerdings kein Vergleich ist zu den wirklichen Geschehnissen auf der Lindemann-Tour, welche sich leider allein auf Audio ganz schlecht erahnen lassen.

Gerade beim Track “Allesfresser” fehlt dem Hörer der Grund für die Pause, in welcher eigentlich ein martialisches Kuchenwerfen auf das Publikum stattfindet (was wir dank des bereits erschienenen Videos wissen).

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Etwas mehr Dynamik bei Lindemann, doch im Ganzen keine Überraschung

“Knebel” bringt wieder etwas mehr Live-Feeling: Akustik-Gitarre und Gesang haben nun den typischen Hallen-Hall und auch das Publikum darf in einer kurzen Pause wieder etwas jubeln. Ein kleiner aber feiner Unterschied sind auch die Sirenen, die den Schluss des Tracks einläuten. “Home Sweet Home” kann sich ebenfalls vom Studio-Klang abgrenzen und bekommt durch die Live-Aufnahme etwas mehr Dynamik.

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Jetzt kommen wir zu einer kleinen Besonderheit: Zur Einleitung des Tracks “Cowboy” wird nach Hufgetrappel das Thema in Lindemanns humoristischer Poesie eingeleitet: “This Town is way too small and sexy for the two of us”.

Es folgen “Golden Shower” und “Blut”, bei welchen ich ebenfalls nur dazu raten kann: Legt euch die visuelle Option zu (also falls Interesse an fliegenden Geschlechtsteilen und nassen Besuchern besteht). Ansonsten hält die Audio-Version nichts Neues bereit.

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Auch bei “Platz Eins”, der Track in dem es um das übersteigerte Selbstbewusstsein eines modernen Musikers geht, der sich gerne im Rampenlicht sonnt, singen leider nicht alle im Chor, wie sich das der Interpret wohl gewünscht hätte. Was wir aber dafür geboten bekommen ,ist ein freshes, rhythmisches Bass-Solo.

“Praise Abort” und “Fish On” überzeugten bereits 2015 als ausgekoppelte Singles mit abgespaceten Musik-Videos. Das dazugehörige Album “Skills in Pills” erreichte in Deutschland Goldstatus. Dazu gehört auf Tour natürlich auch eine raffinierte Bühnenshow. Die Moskau-Version von “Praise Abort” haben wir euch im Folgenden schon mal zur Verfügung gestellt.

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“Fish On” bekommt tatsächlich etwas mehr Zunder durch den Mikrofon-Klang. Dennoch bleibt mal wieder die Bass- und Drum begleitete Pause, in welcher sich der Hörer fragt: Was passiert da wohl gerade? Was soll das mit dem “Fisch… Fisch?”. Vielleicht auch nett als Interpretationsspielraum, aber ich würde schon lieber sehen, wie die Meeresbewohner den Zuschauern ins Gesicht katapultiert werden. Oder eher doch nicht?

Bei “Ach so gern” ergibt sich die kleine Überraschung der Versionswahl: Auf der ebenfalls mit Gold ausgezeichneten Platte “F & M” befinden sich nämlich zwei musikalische Varianten. Da hier ja noch Peter dabei ist, wurde sich für die “Pain”-Instrumental-Musik entschieden. Finde ich persönlich schade, da “Ach so gern” doch von den exotischen Rumba-Melodien lebt. Zu wenig, zu spät.

90 Minuten imaginäre Lindemann-Ekstase schließen dann mit dem Kondom-Fetisch-Track „Gummi“ und der Main-Single “Steh Auf” der aktuellen Platte ab. Da wird das Publikum doch noch mal wach und kann wenigstens zum letzten Song ordentlich abfeiern. Endlich das, was ich mir eigentlich hörbar vom ganzen Album erhofft hätte.

Bild: YouTube / „LINDEMANN – Home Sweet Home (Live in Moscow)“

ALBUM
Live in Moscow
Künstler: Lindemann

Erscheinungsdatum: 21.05.2021
Genre: ,
Label: Universal Music
Medium: CD, Vinyl, BluRay, DVD, etc

Tracklist:
  1. Skills In Pills
  2. Lady Boy
  3. Fat
  4. Frau & Mann
  5. Ich Weiß Es Nicht
  6. Allesfresser
  7. Knebel
  8. Home Sweet Home
  9. Cowboy
  10. Golden Shower
  11. Blut
  12. Platz Eins
  13. Praise Abort
  14. Fish On
  15. Ach So Gern
  16. Gummi
  17. Steh Auf
Till Lindemann Live in Moscow Rammstein
Till Lindemann Live in Moscow Rammstein
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FAZIT
“Live in Moscow” ist im besten Fall ein “Best Of” aus fünf Jahren Bandkarriere und zwei wirklich sehr guten und einzigartigen Studioalben. Eine Live-Platte mit so wenig Publikumsgeräuschen und Interaktion lädt mich leider nicht zum erneuten Anhören ein. Vielmehr plane ich nun, mir die visuelle Ausgabe zuzulegen, um mir ein wirkliches Live-Erlebnis daheim zu gönnen.

“Live in Moscow” bleibt für mich tatsächlich zu glatt, zu perfekt, zu unecht. Taugt als Hintergrund-Musik, aber leider nicht vergleichbar mit beispielsweise den Live-Alben von Rammstein.