Review

PunkrockRock

Kritik: Lagwagon - "Railer"

Gut fünf Jahre sind ins Land gezogen, seitdem Lagwagon ihr letztes Album „Hang (Reissue)“ veröffentlicht haben. Nun gibt es von ...

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Gut fünf Jahre sind ins Land gezogen, seitdem Lagwagon ihr letztes Album „Hang (Reissue)“ veröffentlicht haben. Nun gibt es von den Jungs etwas Neues auf die Ohren. „Railer“ heißt das neue Werk der Kalifornier und kommt mit 12 Songs daher. Ob der sonnige Skate-Vibe der Band noch vorhanden ist und was die Band in ihrem elften Album beschäftigt hat, wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.

Lagwagon klingen wie eh und je

Generell ist zum Sound von „Railer“ zu sagen, dass die Band den Punk definitiv nicht verloren hat. Die Songs sind durch die Bank weg schnell, direkt und unverblümt. Die Stimme von Joey Cape trifft den Ton in einer Art und Weise, wie man es heute eher selten hört. Ist die Band also in den 90ern stehen geblieben oder zeitlos gut?

„Stealing Light“ ist der erste Song des Albums und bietet einen kurzen aber durchaus gelungenen musikalischen Einstieg in das Album, der auch live sehr gut funktionieren dürfte. Der Song geht stark voran, unterstützt von einem schnellen Punk-Beat, der Fans der Musik zufrieden stellen wird. Mit der Zeile „We are not dead“ lassen die Fünf keinen Zweifel daran, dass sie die vergangenen Jahre gut genutzt haben und heiß auf Neues sind.

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An zweiter Stelle des Albums kommt „Surviving California“. Der Song ist gleichzeitig auch die erste Singleauskopplung der Band und setzt sich textlich kritisch mit unterschiedlichen Entwicklungen in Kalifornien auseinander, beispielsweise dem Städtewachstum. Der Song ist definitiv ein musikalisches Brett, ist treibend und wird von einem eingängigen Solo unterstützt. Zusätzlich beinhaltet er sowohl textlich, also auch musikalisch einen Wunsch nach alten Zeiten. So wird im Text der Wandel des Heimatstaates der Band kritisch beleuchtet und auch musikalisch erinnert der Song sehr an bereits vergangene Zeiten. Man hat gleich das Gefühl Teil der Punkszene der 90er Jahre zu sein, wodurch das Stück allerdings etwas in die Jahre gekommen klingt. Das kann dem einen gefallen, muss es aber nicht. Die kritische Auseinandersetzung mit Veränderung und die daraus resultierende Aufbruchstimmung wird auch in „Parable“ aufgegriffen.

Der Track beginnt mit Kindergesang und akustischen Klängen, sticht dadurch bei der Gesamtbetrachtung des Albums heraus. Nach dem Intro sind dann wieder klassische Punkrock- Schemata zu hören. Gleichzeitig wirkt der Song allerdings leidend und unruhig. So werden die Aufbruchstimmung und die rastlose Suche, nach einem sicheren Platz und die damit verbundene Existenzangst auch in der Musik umgesetzt. „Parable“ ist definitiv eines der Highlights auf „Railer“. Diese Angst spielt auch in „Jini“ eine besondere Rolle. Dies wird in Versen, wie „Can’t pay the rent, can’t mend the fence; The life we built in the home we made; Where ownership it means nothing“ deutlich. Der Song beginnt mit einem recht folkigen Riff, das ein wenig an Flogging Molly erinnert. Dabei wirkt „Jini“ klar strukturiert und spielt mit unterschiedlichen Einflüssen.

Dass der Folk-Vibe die Band an mehreren Stellen des Albums beschäftigt hat, wird auch in „Bubble“ deutlich. Dieser beginnt nämlich ebenfalls mit einer traditionell gehaltenen Strophe, die durch die Melodie der Leadgitarre eine weitere Farbe erhält und eine musikalische Erweiterung darstellt. Dies würde man sich bei anderen Songs ebenfalls wünschen. Textlich ist „Bubble“ eine Art Throwback-Song, der sich an die 90er erinnert, beispielhaft Nirvana und Mr. T anspricht und von dem Leben in einer 90er-„Bubble“ spricht. Dies spiegelt allerdings auch das Musikalische wieder und ist meiner Meinung nach ein Hauptknackpunkt des Albums.

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Der Sound und die Produktion im Allgemeinen wirken wie in der Zeit stehengeblieben. Man könnte jetzt sagen, dass die Band ihre Handschrift nicht verlernt hat und sich selbst treu bleibt, allerdings wirkt es doch etwas eingestaubt. „Bubble“ stellt den Schlüsselsong in „Railer“ dar, da er auf den Punkt bringt, was das Album sein möchte. Es wirkt ein wenig, als wäre die Platte im falschen Jahrzehnt erschienen. Zusätzlich lässt sich innerhalb des Albums auch nach „Bubble“ eine stilistische Grenze ziehen.

Die zweite Hälfte des Albums unterschiedet sich nämlich stilistisch und handwerklich von der ersten. Songs wie „Dark Matter“ oder „Fan Fiction“ wirken leider eher wie eine Art Einschub, trotz des punkigen Sounds, der an Größen wie The Offspring erinnert, wird von einem klassischen Songaufbau abgesehen. Die Songs werden textlich kürzer, bestehen teilweise lediglich aus zwei Strophen und zwei Refrains, was sich etwas befremdlich anhört und vielmehr den Eindruck einer Ansammlung von Gedanken erinnert. Eine direkte Aussage ist hier nur sehr schwierig zu finden.

Trotz aller Kritik gibt es auch hier Perlen zu nennen. In „The Suffering“ beginnen Lagwagon mit cleanen Gitarrenklängen, die sich stetig weiter aufbauen und ein wenig an eine Art Leierkasten oder eine Spieluhr erinnern. Hinzu kommt ein Zitat von Bertrand Russell, der darüber spricht, was ihn im Leben angetrieben hat (Liebe, Wissensdurst und Mitleid für das Leid der Menschen). Was folgt ist ein gradliniger und sehr eingängiger Rock-Song, der im Ohr bleibt und auch soundtechnisch ausgereifter und besser produziert wirkt.

„Auf Wiedersehen“ (kein Witz, der Song hat einen deutschen Titel) ist ebenfalls sehr eingängig und bearbeitet auf positive Art und Weise den Abschluss mit Dingen und den Blick in die Zukunft, oder um es mit den Worten der Band zu sagen: „I am not afraid to step into this grave; It’s not enough; No it’s not enough“ Es wird auf jeden Fall deutlich, dass die Band noch lange nicht genug hat und dass wir hoffentlich noch viel mehr von Lagwagon zu hören bekommen.

Foto: Joe Leonard / Offizielles Pressebild

ALBUM
Railer
Künstler: Lagwagon

Erscheinungsdatum: 04.10.2019
Genre:
Label: Fat Wreck Chords
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. Stealing Light
  2. Surviving California
  3. Jini
  4. Parable
  5. Dangerous Animal
  6. Bubble
  7. The Suffering
  8. Dark Matter
  9. Fan Fiction
  10. Pray For Them
  11. Auf Wiedersehen
  12. Faithfully
Lagwagon Railer
Lagwagon Railer
7
FAZIT
„Railer“ von Lagwagon passt definitiv perfekt ins Portfolio der Jungs aus Kalifornien. Die Band hat ihren Sound über die letzten fast 30 Jahre gefunden und bleibt sich selbst treu. Die Songs sind schnell, punkig und direkt. Die Texte sind ernst und behandeln persönliche und allgemeine Themen und zeigen, dass die Band sich mit den Veränderungen der Umwelt auseinandersetzt, aber wirken ab und zu auch sehnsüchtig nach früheren Zeiten.

Generell ist allerdings auffallend, dass die Songs sich häufig sehr ähnlich sind und in eine Kerbe schlagen, die sehr stark an vergangene Jahrzehnte erinnert. Besonders bei der Qualität der Produktion und dem generellen Sound könnte man sich mehr Modernität und Zeitgeist wünschen, da „Railer“ auch in der Soundqualität an eine Scheibe aus den 90ern erinnert. Den Fans wird das neue Werk gefallen, neuen Interessenten könnte der Sound durchaus missfallen.