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Punkrock

Kritik: Iggy Pop - "Every Loser"

Der Godfather Of Punk, Rock Iguana und Lederhaut-Opi Iggy Pop bringt zur Feier des neuen Jahres sein 19. Studioalbum per ...

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Der Godfather Of Punk, Rock Iguana und Lederhaut-Opi Iggy Pop bringt zur Feier des neuen Jahres sein 19. Studioalbum per Atlanta und Gold Tooth Records an den Start. „Every Loser“lautet der Titel der neuen Platte, die sich weitaus ursprünglicher als ihre Vorgänger präsentiert und den scheinbar unermüdlichen Proto-Punker in jeglichen Facetten seines fast 60-Jährigen Schaffens widerspiegelt.

Mit alternden Rockstars ist das immer so eine Sache: Entweder schaffen sie es nochmal, ein gutes Album zu produzieren oder eben nicht. Letzteres stört aber auch wenig, ihren Soll haben ja die Meisten schon in den wilden 70ern erfüllt. So kommt es manchmal dazu, dass neue Produkte von alten Ikonen nur noch als Sammlerstücke gekauft werden und ungehört in der Schublade verschwinden.

So ähnlich hätte es sich auch mit dem brandneuen Werk vom Godfather Of Punk, dem einzig wahren Iggy Pop, verhalten können. Das wichtige Wörtchen ist hier “hätte”, denn nach den Poetry-/Ambiente-/Avantgarde-Platten „Free“ (2019) und „Post Pop Depression“ (2016) holt Iggy 2023 mit seinem 19. Studioalbum „Every Loser“ den Punk zurück. Und das in einer breiten Palette an Musikstilen, Soundelementen und faszinierenden Stimmvariationen des Ausnahmekünstlers, dass es Ziggy die Sterne vom Overall gefegt hätte.

Every Loser – Iggy Pop zwischen Old-Western-Pub und moderner Zerstörungswut

Bereits der Albumtitel bereitet auf eine kleine Zeitreise vor, die allerdings nicht nur auf die Wurzeln des Punkrockers anspielt, sondern auch heute noch ein gemeinschaftliches “Loser”-tum lobpreist. Die Geschichte von Gewinnern und Verlieren wurde bereits mit Pops Punkband The Stooges, aber auch von ihm als Solokünstler besungen. Es wirkt wie ein immerwährendes Punk-Mantra, als würde sich der selbsterklärte Loser 50 erfolgreiche Jahre später immer noch den Drop-Outs und Niemanden zugehörig und verpflichtet fühlen.

So vielversprechend wie der Titel präsentieren sich auch die ersten beiden bereits ausgekoppelten Nummern “Frenzy” und “Strung Out Johnny” auf denen sich Pop Unterstützung von seinen Musiker-Kollegen Chad Smith (Red Hot Chili Peppers), Duff McKagan (Guns N’Roses) und Produzent Andrew Watts rangeholt hat. In diesen ersten beiden Nummern gibt es schon zwei Iggy Pop-Varianten auf die Ohren: Während “Frenzy” eine freche, dynamische Hymne an den Rausch ist, kann “Strung Out Johnny” in weitaus langsamerer, psychedelischer und tiiiiiefer Pop-Manier mit Western-Vibes überzeugen.

Diese Cowboy-Pub-Stimmung wird auch in “New Atlantis” aufrechterhalten, ein Song. der eine Geschichte vom Süden Alabamas erzählt. Und man muss schon ehrlich zugeben, dass nichts so gut klingt wie die gut geölte und verbrauchte Erzählstimme des Musikers. “New Atlantis” besticht mit genau diesen Spoken-Word-Parts im Wechsel mit gesungenem Refrain und klassisch-amerikanischen Lana Del Rey-Vibes. Dazu ist neben den bereits genannten Künstlern auch Josh Klinghoffer (Ex-Red Hot Chili Peppers) am Start, der für das Stück in die Tasten haut und den Hintergrundgesang beisteuert.

Moderne Abstürze und der Morgen danach

Im schnellen, punkigen “Modern Day Rip Off” schließt Pop nicht nur an das Tempo des Intros der Platte an, sondern zeigt, dass man auch mit über 70 Jahren auf dem nackten, faltigen Buckel noch Punk-Abstürze zelebrieren kann. Das könnte man wohl sonst nur wenigen seiner in die Jahre gekommenen Kollegen so abkaufen wie ihm. Neben dem rollenden “Rrrrrip Off”, das an Johnny Rottens “Rrrright” erinnert, sorgen auch die funkigen Synth-Töne für dynamischen Ohrgenuss.

Kommen wir zurück zu Pops spektakulär tiefer Brecheisen-Stimme die uns auf “Morning Show” wahre Johny-Cash-Momente liefert – Classic Americano eben. Der Track ist wieder langsamer, wirkt wie eine Verschnaufpause und versetzt uns in einen verträumten, psychedelischen Morning-After, der vom darauf folgenden “News For Andy”-Interlude abgeschlossen wird. Es klopft an der Tür und das war’s dann wieder mit der Ruhe.

“Punk!” “Punk!” “Punk!”

“Neo Punk” holt den amerikanischen Traum wieder in die Realität zurück. Hier erleben wir die Wiedergeburt des 70er Jahre Rockers Iggy: Eine zweiminütige, moderne Interpretation des Punkgedankens untermalt von Blink-182-Drummer Travis Barker. Darauf ein dreifaches “Punk!” “Punk!” “Punk!”. Und die Stimmung darf auch bei “All The Way Down” nicht mehr an Zerstörungswut einbüßen. Hier feuert Iggy wieder aus allen lyrischen Rohren, die von Stone Gossard (Pearl Jam) eingespielten Gitarren dürfen kreischen und man genießt die Vorstellung des sich auf der Bühne und im Publikum windenden, rückgratlosen Altrockers.

Auch auf “Comments” kann lyrische Tiefe in poetischer Iggy Pop-Manier bewiesen werden. “Sold My Face To Hollywood – The Paying Good” heißt es im poppigen Refrain der mit seinen funkigen Keyboardtönen Old-School-Vibes weckt. An den Schlagstöcken saß hier übrigens niemand Geringeres als der im März 2022 verstorbene Foo Fighters-Drummer Taylor Hawkins.

Nach dem einminütigen Interlude “My Animus” schließt die Platte mit dem verrückten, abwechslungsreichen und energetischen “My Regency” ab. Hier wechseln sich Pop-, Punk- und Rock-Sounds mit den verschiedenen Gesangsstilen des Meisters der Exzentrik und “cheesy” Lyrics (“Cheesy Cheesy – Peasy Peasy” “I’m boring – “I’m snoring”) ab. Ein kleines Fuck The System-Meisterwerk zum Abschluss eines Albums, das sich zurecht mit dem Namen “Iggy Pop” zeigen darf und sicher nicht allzu schnell in irgendeiner Schublade in Vergessenheit geraten wird.

Foto: Danny Clinch / Offizielles Pressebild

ALBUM
Every Loser
Künstler: Iggy Pop

Erscheinungsdatum: 06.01.2023
Genre: ,
Label: Gold Tooth Records / Atlantic Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Frenzy
  2. Strung Out Johnny
  3. New Atlantis
  4. Modern Day Ripoff
  5. Morning Show
  6. The News For Andy (Interlude)
  7. Neo Punk
  8. All The Way Down
  9. Comments
  10. My Animus (Interlude)
  11. The Regency
Iggy Pop Every Loser
Iggy Pop Every Loser
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FAZIT
Nach dem vorangegangenen Meditationskurs “Free” und der vor sich hin dümpelnden Josh-Homme-Kompilation “Post Pop Depression” sprengt Iggy Pops 19. Studioalbum alle (zugegebenermaßen nicht allzu hohen) Erwartungen. “Every Loser” hat zwischen seinen US-amerikanischen Western-Momenten nicht nur exzessiven Zündstoff inne, sondern lässt den Sound eines längst vergessen geglaubten Godfather Of Punks wieder auferstehen. Mit spannenden musikalischen Gästen kehrt Iggy auf “Every Loser” nicht nur zu seinen New-Wave-Wurzeln zurück, sondern präsentiert sein bestes Album seit Jahrzehnten.