Review

AlternativePost-Hardcore

Kritik: Heisskalt - “Vom Tun und Lassen”

“Und vielleicht ist jeder Umweg ein ganz wichtiger Teil.” Im Kontext der letzten sechs Jahre entfalten Zeilen wie diese nochmal ...

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“Und vielleicht ist jeder Umweg ein ganz wichtiger Teil.” Im Kontext der letzten sechs Jahre entfalten Zeilen wie diese nochmal ihre ganz eigene Wirkung. Heisskalt sind in dieser Zeit durch eine Krise nach der anderen gewatet. Fast als hätte die ihrer dritten Platte “Idylle” (2018) umgebene Hoffnungslosigkeit ein schlechtes Omen für die Zukunft gesetzt. So musste sich die Band zwischen Pandemien und internen Problemen immer wieder zurückziehen und neu abwägen, ob und wie es mit ihnen weitergehen könnte. All ihre Geschichten “Vom Tun und Lassen” haben sie nun in ihr Comeback-Album gegossen, auf dem mit vergangenem Schmerz abgerechnet und neue Perspektiven geschaffen werden.

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Soundtechnisch mögen sich Heisskalt zwar irgendwo wieder mehr auf ihre Wurzeln berufen, beweisen aber dennoch den gleichen Mut zum Außergewöhnlichen, den sie immer an den Tag legen, um ein besonderes Hörerlebnis zu kreieren. Das Ergebnis ist über alle Maße beeindruckend und funktioniert auch am Besten als Gesamtwerk, das mit einer umfangreichen Dynamik, rauschhaften Lyrics und bis ins kleinste Detail ausgeklügelten Auf- und Abbewegungen glänzen kann. So können die brachialen Momente (“Lehnen im Licht”, “Mit Worten und Granaten”) ihre gesamte Intensität erst dadurch ausspielen, dass sie von den atmosphärischen Momenten (“Dieses Gefühl”, “Heim”) kontrastiert werden.

Heisskalt überlassen nichts dem Zufall

Eingerahmt wird das Geschehen durch die beiden Slowburner “Alle Zeit” und “Teilchen”, die die Hörenden sanft aus dem Album rein- und rausgleiten lassen. Auch wenn sich “Vom Tun und Lassen” immer an den richtigen Stellen öffnet und schließt, wirkt es nie zu durchkalkuliert. Dafür halten uns Heisskalt zu sehr im Jetzt gefangen als dass man sie im Kopf schon überholen könnte. So wird man von den hypnotischen Grooves von Drummer Marius Bornmann (“Alle Zeit”) sowie den eindringlichen Lead-Melodien von Gitarrist Philipp Koch (“Wasser, Luft und Licht”) vereinnahmt, die sich immer wieder auch die Zeit nehmen, um den Moment voll und ganz auszukosten.

Auch Sänger Mathias Bloech spielt auf “Vom Tun und Lassen” wieder zu Hochform auf – sowohl auf gesanglicher als auch auf lyrischer Ebene. So führt er uns mit hip-hop-artigen, Casper’esquen Flows durch die atmosphärischen Songs, agiert aber auch unglaublich nuanciert auf dem Spektrum zwischen zerbrechlich und wütend, während er die Extreme spärlich aber sehr zielsicher ausreizt. In seinen Texten verarbeitet er auf gewohnt bildliche Weise Vergangenheit, Liebe und Weltschmerz. Dabei gehen seine Worte immer mit der Musik Hand in Hand, was sich am allerstärksten im gesellschaftskritischen “Mit Worten und Granaten” zeigt. “In meinen Armen weint die sterbende Zeit um jede neue Möglichkeit.”

Foto: Paul Ambrusch / Offizielles Pressebild

ALBUM
Vom Tun und Lassen
Künstler: Heisskalt

Erscheinungsdatum: 24.01.2025
Genre: , ,
Label: Munich Warehouse
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Alle Zeit
  2. Vampire
  3. Lehnen Im Licht
  4. Wasser, Luft und Licht
  5. Sommer
  6. Dieses Gefühl
  7. Vom Schlimmsten
  8. Mit Worten und Granaten
  9. Heim
  10. Teilchen
Heisskalt Vom Tun und Lassen
Heisskalt Vom Tun und Lassen
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FAZIT
Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir heute über dieses Album sprechen können. Sowohl Heisskalt selbst als auch viele ihrer Fans dürften zwischendurch jede Hoffnung verloren haben, diese Platte jemals in den Händen halten zu können. Dass es am Ende nicht der Kontext, sondern die Musik selbst ist, die “Vom Tun und Lassen” zu dem außergewöhnlichen und über alle Maße beeindruckenden Werk macht, das es geworden ist, setzt dem Release das größtmögliche Sahnehäubchen auf. Da lohnt es sich auch einfach nicht, aktiv nach Makeln zu suchen, die es eigentlich gar nicht gibt.