Review
CrossoverTrap
Kritik: Grafi - "Blüten und Frost"
Diskussionen über Genre-Zugehörigkeiten sind wahrscheinlich bereits so lange zu Gange, wie die Zuordnung von Künstler*innen und Bands in eben diese. ...
VON
Kevin Postir
AM 21/11/2022
Diskussionen über Genre-Zugehörigkeiten sind wahrscheinlich bereits so lange zu Gange, wie die Zuordnung von Künstler*innen und Bands in eben diese. Kreative, die durch ein solches Raster fallen, erwecken dabei häufig besonderes Aufsehen, da sie anecken, nicht ins Bild passen und allem voran, polarisieren. Der Berliner Grafi ist einer dieser Künstler, der mit seinem bereits vierten Album „Blüten und Frost“ für Aufsehen sorgen will.
Es war wohl das vergangene Album „Ektoplasma“, welches den Berliner Musiker auf die Karte so einiger Musikinteressierter brachte. Eine Kombination aus düsterem Trap und brachialem (Black) Metal. Eingängig und dennoch fremdartig. „Blüten und Frost“ knüpft an diesen eingeschlagenen Weg an. Der Titeltrack schafft einen melodischen Einstieg mit treibenden 808 und zahlreichen unterschiedlichen Parts, die ineinander fließen und divergierende Stimmungen beim Hören hervorrufen. Der Gedanke an Künstler wie Lil Peep liegt hierbei nicht weit.
Grafi schießt mit starken Singles um sich
Einen soliden Grundstock an Songs stellen auf „Blüten und Frost“ die bereits veröffentlichten Singles dar. Tracks wie „20 Messer“ oder „Skimaske“ haben bereits zu ihrem Release den besonderen Stil des Musikers unter Beweis gestellt. Besonders „Skimaske“ wirkt aufgedreht, nahezu unkontrollierbar und macht beim Hören Spaß.
Auch „Red Drama“ ist eines der Stücke, das bereits vor Release von „Blüten und Frost“ das Licht der Welt erblicken durfte. Trotz der schweren Gitarren schafft es der Song, ein ausgewogenes Mittelmaß der unterschiedlichen Einflüsse zu finden, sodass das Hören nicht zu fordernd ist und, sofern man das bei der Musik von Grafi sagen kann, beinahe seicht wirkt.
Blüten und Frost bietet Juwelen
Grafis neuster Longplayer bietet zwei besondere Highlights. Zum einen ist es der Track „Glitzernder Schnee“, der eine beinahe verstörende Mischung aus verträumten Melodien und einer tief sitzenden und um sich greifenden Kälte mit sich bringt. Besonders beeindruckend ist dabei die Verwendung der gescreamten Vocals als Backgroundgesang. Der Effekt des Ganzen sind deutlich breiter klingende Vocals, die genau abgestimmt scheinen und den gesamten Song gekonnt abrunden.
Das andere Stück, welches einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf ist „Mausoleum“. Dieses kann faktisch allerdings nicht alleinstehend betrachtet werden, sondern fügt sich als dritter Teil der letzten vier Songs ein.
Beginnend mit „Alles verblasst…“ bietet sich ein ruhiger, düsterer Song, der durch verzerrte Gitarren und elektronische Einflüsse fast schon tanzbar ist. An diesen anknüpfend dann der Folgetrack „…erst in langer Zeit“. Die Verbindung der beiden Titel zeigt eine Zerrissenheit, die durch die folgenden beiden Songs „Mausoleum“ und „Ich bleibe“ inhaltlich sowie musikalisch unterstrichen wird.
Darin befasst sich der Berliner mit dem letzten Tag vor dem Tod. Auf musikalisch dramatische Art und Weise verpackt Grafi diese durchaus schwere Kost. Das Stück kommt dabei vollkommen ohne 808 und Beat aus und hinterlässt zum Ende hin eine fast einschnürende Stille.
„Ich bleibe“ bildet dann das finale Lied und blickt versöhnlich und positiv in die Zukunft. Dabei bereichert der melodisch-verträumte Grundton das Album in Gänze und greift Elemente des ersten Songs auf. So wird ein stilistischer Bogen um „Blüten und Frost“ gespannt.
Produktion mit Luft nach oben
So nah und greifbar die Lyrics und Songs von Grafi auch sind, so wird die Gesamterfahrung von Seiten der Produktion teilweise getrübt. Der Musiker, der seine Songs im DIY-Kontext produziert, programmiert seine Beats und auch das Schlagzeug vollständig.
Besonders bei schnell gespielten Becken sorgt das für störende Geräuschverläufe. Dem gesamten Album würde an dieser Stelle durchaus ein Live-Schlagzeug gut tun. Ein weiterer Punkt sind Mixingunterschiede der einzelnen Tracks.
Seien es die Hi-Hat oder die Vocals, zwischen den einzelnen Liedern schwanken die Lautstärken der Instrumente, wodurch ein einheitliches Bild zu Teilen vermisst wird.
Foto: Sebastian Grimberg / Offizielles Pressebild
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