Review
Emo Hardcore Pop-Punk
Kritik: Four Year Strong - “analysis paralysis”
Mittlerweile gibt es gefühlt in jedem Genre diese eine Band, die sich dazu entscheidet, ihr Songwriting über die Spitze hinauszutreiben. ...
VON
Malin Jerome Weber
AM 09/08/2024
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Mittlerweile gibt es gefühlt in jedem Genre diese eine Band, die sich dazu entscheidet, ihr Songwriting über die Spitze hinauszutreiben. Schlichtweg meilenweit über das Ziel hinauszuschießen und in einem Terrain zu landen, in dem man doch wieder etwas Besonderes erschaffen hat. Wenn man nur genug fragwürdige Entscheidungen trifft, scheinen sich diese doch am Ende wieder irgendwo gegenseitig zu relativieren. Four Year Strong besitzen auf ihrem sechsten Album unter anderem die Kühnheit, ein verzerrtes Sample vom Funk-Klassiker “Love Rollercoaster” (Ohio Players) vor einem Breakdown zu platzieren. Aber selbst dem größten Gelächter in Momenten wie diesen liegt primär erstmal ein Mindestmaß an Respekt zu Grunde.
“analysis paralysis” nennt sich das neueste Werk der Easycore-Pioniere, die uns seit über 20 Jahren mit ihrem leichtgängigen wie knochenharten Sound beglücken. Ihren “Brain Pain” (2021) haben Four Year Strong zwar mittlerweile überwunden, besingen aber auf LP Nummer sechs nun den Zustand, sich im Leben generell nicht komfortabel zu fühlen. So verarbeitet das Quartett unter anderem mit Sicherheit auch die schwierige Entstehungsphase der Platte. Einen Studioprozess zu beginnen, ohne einen einzigen Song fertig zu haben, mag auf den ersten Blick vielleicht komplett absurd wirken. Aber Produktionslegende Will Putney (Fit For An Autopsy, Better Lovers) wäre eben nicht Will Putney, wenn er dies nicht als seine nächste Herausforderung sehen würde.
Four Year Strong sprengen Genregrenzen
Dabei entstanden sind 12 Songs, die den Pop-Punk/Easycore-Kern von Four Year Strong spiralförmig in alle möglichen Richtungen erweitern und eine Vielzahl an Genres mit ins Boot holen. So geben sich Hardcore, Nu Metal, Midwest Emo, Heavy Metal und Industrial mit einer Selbstverständlichkeit die Klinke in die Hand, die automatisch jede gewagte Entscheidung im Studio nachträglich rechtfertigt. Besonders spannend ist zu beobachten, wie die Band dabei verschiedene Trends mitnimmt, die aktuell in der alternativen Musikszene vorherrschen. So klingt “maybe it’s me” ein wenig nach dem frischen Midwest-Sound von Hot Mulligan, während “uncooked” und “paranoia” definitiv im Geiste der Turnstile-Jahrhundertplatte “Glow On” (2021) schlagen.
Dass am Ende des Tages trotz aller Stärken nicht unbedingt ein rundes Gesamtwerk entsteht, dürfte vielleicht sogar schon vorprogrammiert sein. So macht sich spätestens im zweiten Drittel bei Tracks wie “STFIL” und “rollercoaster” eine leichte Reizüberflutung breit, die sich vor allem durch ein wenig aufdringliche Gitarreneffekte äußert. Auch die merkwürdigen Vocal-Effekte in “how do i let you go?” überladen den zurückgelehnten Closer schlussendlich ein wenig. So oder so ist aber der Spaß-Faktor bei einem Album wie “analysis paralysis” am wichtigsten. Und der bleibt unsäglich hoch, während Four Year Strong zudem einen starken Chorus nach dem nächsten (“bad habit”, “out of touch”) abliefern.
Beitragsbild: Ben Lieber / Offizielles Pressebild
analysis paralysis
Künstler: Four Year Strong
Erscheinungsdatum: 09.08.2024
Genre: Hardcore, Pop-Punk
Label: Pure Noise Records
Medium: CD, Vinyl, etc
- aftermath/afterthought
- bad habit
- maybe it’s me
- uncooked
- out of touch
- daddy of mine
- dead end friend
- paranoia
- STFIL
- rollercoaster
- better get better
- how do i let you go?
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