Review

Post-Hardcore

Kritik: Fall Of Messiah - "Senicarne"

Ein Label wie Holy Roar gilt als Qualitätsmerkmal. Nur wenige Signings und eine Handvoll Releases pro Jahr bietet das Label ...

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Ein Label wie Holy Roar gilt als Qualitätsmerkmal. Nur wenige Signings und eine Handvoll Releases pro Jahr bietet das Label aus Großbritannien, das seine Veröffentlichungen stark filtert. Doch diese Filterung hat eben zur Folge, dass fast alles, was über Holy Roar veröffentlicht wird, von enormer Qualität strotzt.

Bands wie Conjurer, Svalbard, Employed To Serve oder We Never Learned To Live haben via Holy Roar eine Szene erschaffen, die primär in England ansässig ist, aber auch fernab der Insel Bands unter Vertrag nimmt. Neben den Dänen MOL sind es Fall Of Messiah aus Frankreich, denen dieses Privileg zu Gute kam. Mit „Senicarne“ veröffentlicht die Band ihr neues Album, das den gewohnten Holy Roar Trademarks alle Ehre macht und sich mit seinem ganz eigenen Sound in eine makellose Diskographie einreiht.

Fall Of Messiah überzeugen auf „Senicarne“ mit musikalischer Vielfalt

Was auf „La Reppublique de vide” noch ruhig beginnt und sich in malerischem Instrumental Post-Rock auslebt, wird bei „Contreforts“ mit wildem Riffing und dezent platzierten Shouts erschüttert. Fall Of Messiah spielen mit der Dynamik und bewegen sich stets zwischen ruhigen, anmutigen Passagen und einer aggressiven Grundstimmung, die einen Vergleich zu den in Nantes ansässigen Birds In Row erlaubt.

Doch im direkten Vergleich sind Fall Of Messiah noch viel melancholischer, viel atmosphärischer und enorm kraftvoll. „Contreforts“ ist alles andere als kurzlebig, sondern spielt seine Stärken auf ganzer Länge aus und wirkt nicht aus dem Kontext des Albums herausgerissen, sondern eher als erster Track nach dem Präludium, welches „La Reppublique de vide“ eingenommen hat.

Dennoch geht der Flow nach „Contreforts“ leider etwas verloren. „Senicarne“ ist nicht durchkomponiert und folgt keiner stringenten musikalischen Handlung. Stattdessen reihen sich die einzelnen Tracks, wie „Riveloup“, in den Kontext des Albums ein.

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Mit Tremologitarren, jeder Menge Hall und Delay sowie einer unfassbar organischen Produktion gewinnt der Sound von Fall Of Messiah an Authentizität. Nichts wirkt geschönt, sondern vielmehr roh, erdig und lebendig. Die cleanen Gitarren sorgen dafür, dass „Senicarne“ ein unfassbar einlullendes Ambiente erzeugen kann und die Gratsprünge zwischen ruhigen, cleanen und instrumentalen Post-Rock-Passagen und wilden Post-Hardcore-Ausbrüchen angenehm smooth bleibt.

So ist „Riveloup“ zu großen Teilen ein wohlklingender Track, der mit seiner Atmosphäre glänzt, um dann auf majestätische Art in den verzerrten Gitarren gänzlich aufzublühen. Spätestens nach diesem Track wird klar, dass Fall Of Messiah ein dramaturgisch anspruchsvolles Songwriting beherrschen und sich auch mit der klanglichen Ausschmückung ihrer Musik bestens auskennen.

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„Vertes Vignes” ist ein Vorzeige-Post-Hardcore-Track voller Energie, der sich elegisch in die Klanglandschaft von „Senicarne“ legt. Durch sein gemäßigtes Tempo wirkt der Song noch viel schwermütiger und zeugt von größeren Klangsphären. Ähnlich steht es um das instrumentale „Atlantique“.

Der auf „Vertes Vignes“ folgende „Young Pines“ schlägt ebenfalls Wellen, die an Bands wie Fall Of Minerva erinnern. Ob zwischen den Namen beider Bands eine Korrelation oder gar Kausalität besteht, lässt sich nur spekulieren. Doch ähnlich wie einst die Italiener bauen auch Fall Of Messiah auf einen Post-Hardcore-Sound, der so voller Energie, Melancholie und Depression ist, wie es bei alten Veröffentlichungen von Devil Sold His Soul, Rhinoa und The Elijah der Fall war.

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Mit einem kurzen, spannungserzeugendem Interlude („Sand Mountain“) bauen Fall Of Messiah die Brücke in das grande finale ihres Albums. Gewohnt düster, mit cleanen Gitarren und sich langsam steigernden Instrumentation beginnt „The Loniest Whale In The World“. Allein der Titel dieses Tracks hat eine gewisse Melancholie inne, die auf klanglicher Ebene auch genauso umgesetzt wird.

Erdig und leicht vertrackt in einer 5/4-Taktung bauen sich Fall Of Messiah ein Klangbild auf, das hin und wieder an Russian Circles erinnert. Es gelingt der Band über weite Strecken hinweg eine unfassbar mitreißende Spannung zu erzeugen, die sich immer mehr aufstaut und den Hörer beim Lauschen fast zu zerreißen vermag.

So spannend wie „The Loniest Whale In The World“ hat sich auf “Senicarne” kein Track aufgebaut. Das Finale endet mit aggressiven und verzweifelt klingenden Shouts, Blast Beats und Tremologitarren, die, von einem Break gefolgt, jeden letzten Funken Energie freisetzen.

Foto: Fall Of Messiah / Offizielles Pressebild

Fall Of Messiah News

ALBUM
Senicarne
Künstler: Fall Of Messiah

Erscheinungsdatum: 31.07.2020
Genre:
Label: Holy Roar Records
Medium: CD

Tracklist:
  1. La République Du Vide
  2. Contreforts
  3. Riveloup
  4. Vertes Vignes
  5. Young Pines
  6. Atlantique
  7. Sand Mountain
  8. Sequoia
  9. The Lonliest Whale In The World
Fall Of Messiah Senicarne
Fall Of Messiah Senicarne
8.5
FAZIT
Abwechslungsreich, energetisch und voller Melancholie, ist „Senicarne“ ein unfassbar vielseitiges Album, das sich einer bedrückenden Gemütslage verschrieben hat. Fall Of Messiah liefern Post-Hardcore at its best! “Senicarne” ist nicht nur ein unfassbar gut produziertes Album, sondern gleichwertig gut geschrieben. Die Sprünge von Post-Rock zu Post-Metal sind flüssig, aber auch leichte Mathcore-Elemente haben sich im Songwriting der Franzosen eingefunden.

„Senicarne“ bleibt über weite Strecken instrumental und gibt dem Hörer die Chance, sich in der Musik und ihrer Atmosphäre zu verlieren. Die träumerischen Melodien sind so wunderschön verpackt und klingen dank der satten Produktion unfassbar überwältigend und ätherisch. Es ist fast noch zu früh im Jahr für ein so warmes und bedrückendes Album, das seine wahre Blüte wohl erst im feucht-nassen Herbst tragen wird. Doch ist dieser Punkt wohl ein Meckern auf verdammt hohem Niveau, das uns erneut zeigt, wie gut die Arbeit von Holy Roar ist und dass es vollkommen okay ist, dem Label blind zu vertrauen.

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