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Kritik: Don't Sleep - "See Change"

Mit seinen immerhin sechzig Lenzen sollte sich ein Dave Smalley eigentlich im Vorgarten seines Hauses in Harrisburg, Pennsylvania aufhalten und ...

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Mit seinen immerhin sechzig Lenzen sollte sich ein Dave Smalley eigentlich im Vorgarten seines Hauses in Harrisburg, Pennsylvania aufhalten und als in die Jahre gekommener studierter Politologe mit stolz geschwellter Brust seine jüngst gesetzten Primeln bewundern.

Don’t Sleep: Dave Smalley weit entfernt vom Ruhestand

Doch es scheint fast so als würden eben genau das Menschen seines Schlages schlicht nicht aushalten. Es brennt eben immer noch lichterloh. Ob nun im Zweiergespann und mit Songs von Dag Nasty oder Down By Law im Gepäck oder aber mit seinen BandolerosSmalley ackert sich auch heute noch durch die US-amerikanische Weltgeschichte und scheint keinen Gedanken daran zu verschwenden, den Barhocker gegen einen Schaukelstuhl einzutauschen.

Mit „Turn The Tide“ veröffentlichten Don’t Sleep seinerzeit ihren Full Length-Einstand auf Tony Brummels Millionärsspielzeug Mission Two Entertainment, „See Change“ hingegen debütiert nun wiederum auf dem Berliner Label End Hits. Und irgendwie ist es auch nach all den Jahren zweifelsfrei schön und fühlt sich zudem vertraut an, Smalleys Stimme zu hören, eingebettet in einem so modern produzierten Hardcore-/Punk-Gewand.

Ein ernüchterndes musikalisches Gefüge

Aber so richtig große Freude möchte sich da letzten Endes trotz des Wiedersehens nicht einstellen. Der eigentliche Zündvorgang geht dem Hörer im Laufe der Spielzeit der neun bereits während der „Turn The Tide“-Ära entstandenen Songs komplett ab.

Allein schon in dem eröffnenden „Harrisburg Graves“ möchte man nicht zuletzt aufgrund Smalleys Vergangenheit so viel mehr sehen, doch leider reiht sich hier lediglich Powerchord an Powerchord, und selbst das Melodiegefüge des Refrains lässt es nicht zu, dass auch nur im Entferntesten so etwas wie Hochstimmung aufkommt.

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Im Fall der bereits bekannten ersten Single „Promise Made“ weicht die Wiedersehensfreude der Ernüchterung ob der simplen musikalischen Beschaffenheit und des durchweg unspektakulären wie wenig griffigen Refrains leider ebenfalls recht schnell.

Don’t Sleep verschenken Potenzial

Es wird munter und fleißig gemäß alter Schule gerifft, doch leider fast gänzlich am Hörer vorbei. Es bleibt derart wenig Erinnerbares zurück, dass lediglich die poppig anmutenden, melodiösen Refrains bruchstückhaft in der menschlichen Geistesssphäre verbleiben. In musikalischer Hinsicht variabel geben sich Don’t Sleep dabei recht selten. Klar, „Dead On The Inside“, „Generation“ oder aber auch „Love Is The Suture“ sind für sich genommen mal mehr im Hardcore verortbar, mal dezent Oi-angehaucht oder auch mal mehr im Punkrock anzusiedeln, unverkennbar bleibt jedoch die Tatsache, dass das große Gefühl bei den Songs stets ausbleibt. Schade eigentlich, denn in lyrischer Hinsicht hat

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Smalley noch immer viel zu sagen, doch seine Botschaft geht aufgrund des musikalischen Transportwegs leider mit verloren. Mit „Running Down A Dream“ ehren Smalley und seine Mitstreiter noch Tom Petty, was zumindest kurzzeitig dazu führt, die Aufmerksamkeitsspanne in ungeahnte Höhen zu verfrachten.

Foto: Ryan Brosius / Offizielles Pressebild

ALBUM
See Change
Künstler: Don't Sleep

Erscheinungsdatum: 02.06.2023
Genre: , ,
Label: End Hits Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Harrisburg Graves
  2. Promise Made
  3. Dead On The Inside
  4. Outside In
  5. Runnin Down a Dream
  6. 20.20
  7. Generation
  8. Love Is The Suture
  9. Time To Fight
  10. Bring The Light (CD-Bonus-Track)
  11. Lazarus (CD-Bonus-Track)
  12. Hypocrite (CD-Bonus-Track)
  13. Arise (CD-Bonus-Track)
  14. Reckoning (CD-Bonus-Track)
  15. Jetstream Days (CD-Bonus-Track)
  16. All The Way To Nowhere (CD-Bonus-Track)
  17. Bloody But Unbroken (CD-Bonus-Track)
Don't Sleep - See Change
Don't Sleep - See Change
5.5
FAZIT
Was unterscheidet Don’t Sleep denn eigentlich von Formationen wie den End Hits-Labelkollegen Be Well, die schließlich auch in die Jahre gekommen sind, es jedoch immer noch und immer wieder schaffen, emotional packenden Output zu generieren? Das Stichwort, um das sich in subjektiver Hinsicht wahrscheinlich alles dreht, lautet Relevanz. „See Change“ ist trotz lyrischer Bedeutungsschwere ein musikalisch äußerst kurzweiliges Standardwerk mit recht wenigen in Erinnerung bleibenden Höhepunkten. Die Kehrseite ist: Auszusetzen gibt es daran andererseits erst einmal natürlich nichts. Alles steht und fällt eben mit seinen Ansprüchen.

Und ein Superlativ bleibt Smalley nebst seinem Legendenstatus schließlich unbenommen: Er hat aller Wahrscheinlichkeit nach mehr US-amerikanische Präsidenten erlebt als all seine Hörer.