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Modern MetalRock

Kritik: Deftones - "Ohms"

Der 25. September 2020 stellt wohl einen ganz besonderen Tag dar. Vier Jahre mussten ins Land ziehen, doch nach dem ...

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Der 25. September 2020 stellt wohl einen ganz besonderen Tag dar. Vier Jahre mussten ins Land ziehen, doch nach dem 2016 erschienenen „Gore“ erscheint nun der neue Longplayer der Deftones. „Ohms“ heißt das gute Stück und kommt mit zehn neuen Songs daher. Wir waren gespannt wie Flitzebögen und lassen euch selbstverständlich an unseren ersten Eindrücken zur neuen Platte teilhaben.

Deftones melden sich mit „Ohms“ kraftvoll und verspielt zurück

Die Band aus Sacramento um Frontmann Chino Moreno hat es geschafft, sich zu einer der Größen der Musikszene zu entwickeln, die sich eher rar machen und ihren Veröffentlichungen daher eine noch größere Bedeutung zukommen lassen. Das Cover zeigt weinende Augen, die lediglich durch ein gleichmäßiges Punkteraster dargestellt werden.

Diese Punkte konnten übrigens von Fans käuflich erstanden werden. Unter dem Motto „Adopt-a-Dot“ wurden die insgesamt 12.995 Punkte verkauft, um Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln.

Nach Aussagen von Moreno soll der Titel des Albums das Gleichgewicht aus den unterschiedlichen Bandmitgliedern, der Musik und den Texten verdeutlichen.

Die rund 46 Minuten des Albums beginnen mit dem Song „Genesis“. Dieser beginnt mit summendem Synthi-Sound, welcher mit einer cleanen Gitarre in das Stück einsteigt. Der Vibe ist von Beginn an bedrohlich, drückend und verbreitet ein düsteres Gefühl. Hinzu kommt der unverkennbare Gesang Morenos, der zwischen ruhigeren Passagen und gescreamten Lines variiert.

Letztere werden durch diverse Filter erweitert. Eins ist bereits nach fünf Sekunden klar: Die Band hat ihren Sound nicht aus den Augen verloren. Darüber hinaus geben die Deftones dem Hörer zwischen den Songs keine Zeit, um durchzuatmen. So startet „Ceremony“ ohne eine Pause. Der Song ist stimmungsgeladen, verbreitet außerde einen eher mystisch-ruhigen Vibe, der durch die kratzende Distortion der Gitarre aufgebrochen wird. Es ist spürbar, dass die Balance, welche über dem Album schwebt, auch in den einzelnen Songs mitwirkt.

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Auch „Urantia“ erhält einen nahtlosen Übergang aus dem Vorgängersong. Herausstechend ist das Schlagzeugspiel und ganz besonders der Sound der Snare-Drum von Schlagzeuger Abe Cunningham. Diese ähnelt in ihrer Breite und Durchschlagskraft beinahe einem Gewehrschuss und trifft den Hörer frontal. Die eher ruhig und dezent gehaltenen Strophen werden im Verlauf durch abgedämpfte Gitarren-Akkorde aufgebrochen, wodurch weitere Nuancen in das Gesamtbild einfließen, die zwischenzeitlich eingespielten Samples komplettieren dieses Vorhaben.

Auch in diesem Song wirken die Kräfte aus destruktiver Härte aus verzerrter Gitarre und Schlagzeug gegen die Ruhe, die von der cleanen Gitarre und dem Gesang ausgehen. Diese Mischung gibt insgesamt allerdings ein harmonisches Bild ab.

Trotz des eher dissonanten Beginns von „Error“ wirkt das Stück insgesamt ruhiger und gradliniger. Der beinahe verträumt wirkende C-Teil des Stücks erweitert das Repertoire an Einflüssen für den Track. Dieser fadet nach fast 5 Minuten Länge aus, doch auch an dieser Stelle zeigen die Deftones ihr Auge fürs Detail. So wird die Lautstärke nicht einfach herunter gedreht, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das Ganze wird begleitet von einem Klangteppich, der an einen Windhauch erinnert und welcher im darauffolgenden „The Spell of Mathematics“ aufgegriffen wird. Dort werden diese Sounds allerdings durch die drückende Härte der Instrumente und des Screams regelrecht getötet.

Mit einer Gesamtlänge von 5:28 ist das Stück der längste Track auf „Ohms“. Das verwendete Schnipsen, welches lediglich von Instrumenten begleitet wird und sich stetig weiter in den Vordergrund spielt, nimmst sich Zeit, um eine einnehmende Stimmung zu schaffen. Fans wird dies sicherlich freuen, Kritikern könnte dieser Teil zu langatmig sein. Geschmäcker sind eben verschieden. Die darauffolgende Stille gibt dem Hörer das erste Mal einen Moment der Ruhe.

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„Pompeji“ zeigt den progressiven Ansatz der Deftones. Sei es durch das Spiel mit unterschiedlichen Taktarten, die in den Strophen immer wieder zu einem 3/4-Takt werden, oder durch die Synthesizer-Akkorde, welche mit Wellengeräuschen das Ende des Songs darstellen. Dieser Teil steht sinnbildlich für das Abweichen von etablierten Strukturen, da er ohne Vocals auskommt und sich insgesamt über mehr als 40 Sekunden zieht.

Auf die ausklingenden, ruhigen Töne von „Pompeji“ folgt mit „This Link Is Dead“ ein brachialer, treibender Sound. Morenos Screams erlangen dabei beinahe einen rapartigen Flow, der durch die straighten, drängenden Instrumente unterstützt wird und darüber hinaus mit dem Übersteuern des Gesangsfilters spielt, welcher auf „Ohms“ häufig Verwendung findet und daher ein Stück weit an Besonderheit verliert, allerdings bis zum Äußersten ausgereizt wird. Auch in diesem Track wird experimentierfreudig mit dem Taktschema umgegangen.

Mit „Radiant City“ bekommt Bassist Sergio Vega die Chance, einen Song zu beginnen. Der breite, crunchige Basssound wird durch die Vocals und das Schlagzeug unterstützt. Das Stück baut sich zunehmend auf, spielt darüber hinaus mit der Dynamik und macht schlichtweg Spaß beim Zuhören. Auffallend ist, dass sämtliche Instrumente trotz der Härte sehr gut zueinander passen, ein harmonisches Bild abgeben und trotz allem einzeln sehr präsent und hörbar sind.

Der abrupte Schluss des Songs wird durch den wabernden Sound von „Headless“ aufgebrochen. Die spitze Gitarre, die mit der Zeit immer lauter wird, lässt den zuvor verträumt wirkenden Sound verstummen und kreiert gemeinsam mit den Vocals einen pressenden, druckvollen Song.

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„Ohms“ stellt den finalen Track des gleichnamigen Albums dar. Die crunchigen Gitarren bilden gemeinsam mit den Drums eine eigensinnige Songstruktur, die sich deutlich mehr an die Lyrics anpasst und keinem klassischen Schema folgt. Dabei geht es inhaltlich um den Verlust, der in seiner Darstellung eine tief gehende Tristesse auslöst.

Nachdem die Gitarre den finalen Höhepunkt des Songs und damit auch der neuen Deftones-Platte erreicht hat, klingen die Instrumente sekundenlang aus. Wie eine schwarze Abblende im Film sind die letzten vier Sekunden des Albums… Stille.

Beitragsfoto im Auftrag von MoreCore.de: Karoline Schaefer (Cat Eye Photography)

ALBUM
Ohms
Künstler: Deftones

Erscheinungsdatum: 25.09.2020
Genre: ,
Label: Reprise Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Genesis
  2. Ceremony
  3. Urantia
  4. Error
  5. The Spell Of Mathematics
  6. Pompeji
  7. This Link Is Dead
  8. Radiant City
  9. Headless
  10. Ohms
Deftones Ohms
Deftones Ohms
9.5
FAZIT
Das nunmehr neunte Studioalbum „Ohms“ der Deftones wurde lange erwartet und überzeugt. Die Band schafft es, ihren Sound beizubehalten und trotzdem unterschiedliche Richtungen einzuschlagen. Das angesprochene Gleichgewicht zwischen Bandmitgliedern, Musik und Text, welches ein Ziel des Albums war, ist sowohl in Bezug auf die Songauswahl und die Positionen auf „Ohms“ gegeben, lässt sich allerdings auch deutlich herunterbrechen.

Dieses Gleichgewicht schwingt auch in den einzelnen Songs mit, bringt Härte und Ruhe miteinander in Einklang und macht aus dem Album ein Gesamtwerk. Die teils ausufernden, musikalischen Freiheiten könnten durchaus bei eher kritisch gestimmten Hörern anecken, werden die Fans der Band allerdings erfreuen.