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Kritik: Corey Taylor - "CMFT"

Wenige Dinge haben wir Corona zu verdanken. Eins der wenigen davon ist das Solo-Debüt von Corey Taylor. Während sich der ...

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Wenige Dinge haben wir Corona zu verdanken. Eins der wenigen davon ist das Solo-Debüt von Corey Taylor. Während sich der Musiker aus Iowa bislang öffentlich entweder als maskierter Schreihals bei Slipknot, Gitarre spielender Sänger von Stone Sour, Gast-Musiker in diversen Rap-, Rock- und Metal-Projekten oder wandelndes Testemonial von Horrorfilm-Kollektionen einen Namen machte, ist er nun auch solo unterwegs.

Eigentlich sollte uns das Erstlingswerk des Multitalents erst 2021 oder womöglich sogar noch später erreichen. Da die Coronavirus-Pandemie aber ordentlich die Tour-Pläne von Slipknot zum Album „We Are Not Your Kind“ zerhagelte, trommelte Corey kurzerhand eine Band zusammen (die u.a. aus aktiven und ehemaligen Mitgliedern von Stone Sour und weiteren namhaften Session-Musikern besteht), und stellte seine Solo-Platte fertig. Keine schlechte Überbrückung der Zwangspause.

Das Debüt von Taylor trägt den Namen „CMFT“ und bedeutet ausgeschrieben – Kinder bitte jetzt einmal die Augen zuhalten – „Corey ‚Mother Fucking‘ Taylor“. Ist jetzt vielleicht nicht der netteste Spitzname, aber im übertragenen Sinne definiert er den Musiker hervorragend. Denn Corey scheißt auf alles und jeden und macht auf „CMFT“ genau das, was er möchte und auch wirklich ausschließlich das.

13 Songs beinhaltet „CMFT“. 13 Songs, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Im Vorfeld berichtete Corey bereits, dass die Tracks seines ersten Solo-Albums sehr experimentell seien. Sagen das nicht viele Musiker und Bands vor der Release neuer Longplayer? Womöglich. Aber wenn Corey das sagt, meint er das auch so.

Und wir stehen hier bei MoreCore.de vor einem echten Problem! Denn aufmerksamen Lesern mag vielleicht aufgefallen sein, dass wir neuen Alben in Rezensionen in der Regel nicht mehr als drei Genres zuordnen. Bei diesem Album müssten wir eine 0 dranhängen und vermutlich würde nicht mal DAS ausreichen, um den 13 Tracks der Scheibe genremäßig gerecht zu werden.

Corey Taylor springt auf seinem Album fröhlich von Hardrock zu Punk, schwimmt durch Country-Klänge, macht einen kurzen Ausflug in die Crossover-Welt und landet dann im Südstaaten-Rock. Im Prinzip nimmt er uns mit auf einen großen Roadtrip durch die USA. Natürlich nur in musikalischer Hinsicht.

Eine Reise durch die bunte Welt des Corey Taylor

Zur Ankündigung ließ Corey seine zwei Songs „CMFT Must Be Stopped“ (im Prinzip titelgebend) und „Black Eyes Blue“ vom Stapel und man fragte sich: „Wieso eigentlich zwei?“ Im Nachhinein ist klar, dass er hiermit schon gleich zu Beginn deutlich mach, welchen Spagat er auf „CMFT“ wagt.

„CMFT Must Be Stopped“ ist ein energiegeladener Crossover-Track und das nicht ausschließlich deshalb, weil sich der Sänger hierfür Unterstützung der beiden Rapper Tech N9ne und Kid Bookie geholt hat, denen er wiederum ebenfalls schon bei anderen Songs unter die Arme griff. Auch Corey selbst packt hier seinen Sprechgesang aus, den er schon bei Slipknot oft unter Beweis stellte.

Das dazugehörige Video: Eine große Rock-Party mit Gastbeiträgen (natürlich in Form von Videobotschaften, wir haben ja immer noch Corona am Start!) u.a. von Mitgliedern von Beartooth, Halestorm und vielen mehr. Der Track sagt vor allem eins: „Welcome to the Corey show“ und was sollen wir sagen? Genau das ist „CMFT“ auch.

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„Black Eyes Blue“ als parallel veröffentlichter Track zeigt eine ganz andere Seite des Sängers. Lockerflockige Upbeat-Klänge, bei dem vor allem das Schlagzeug zum Kopfnicken einlädt, lässt in Sommerzeiten schwelgen. Fragte mich Lieblings-MC-Kollege Chris bei Release der beiden Songs, was ich davon halte, sagte ich „Mit Bierchen beim Grillen kann ich mir ‚Black Eyes Blue‘ sehr gut vorstellen.“ Er selbst (eher der Corey-Typ „Maggot“) hat andere Vorstellungen, würde beim Grillen mit Bier „lieber Lorna Shore blasten“. Na gut. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden!

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Was es Corey Taylor mehrfach angetan hat, ist der Südstaaten-Rock. Wenn wir Parallelen zwischen einigen der 13 Songs auf „CMFT“ finden wollen, dann sind es auf jeden Fall diese Klänge. „Kansas“ zum Beispiel ist ein eingängiger Track, der eine Fahrt auf einem US-Highway gen Sonnenuntergang musikalisch wunderbar unterlegen würde.

Auch das Stück „Samantha’s Gone“ reiht sich hier ein. Hier mangelt es ebenfalls nicht an Country-Einschlägen, ebenso wie z.B. beim bereits vorab veröffentlichten Titel „Hwy 666“ oder auch im etwas seichteren „The Maria Fire“, das auch in einer klassischen Jam Session hätte entstanden sein können. Man stellt sich Corey mit Cowboy-Hut (vielleicht bei Kid Rock gemopst? Gewisse Parallelen in besagten Songs lassen sich nicht leugnen) im Tonstudio vor, wie er mit Grashalm im Mundwinkel seine Band instruiert.

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Irgendwann hat der Grashalm aber sicher seinen Geschmack verloren. Also: Cowboy-Hut vom Kopf genommen, die platt gedrückte Frisur mit ein bisschen Gel zum Iro aufgestellt und eben mal die Punk-Rock-Songs ausgepackt. Punk-Rock? Ja, auch die versteckt Corey Taylor auf „CMFT“.

Zeit zum Durchatmen? Ist nicht.

„Meine Lux“ holt Erinnerungen an die frühen Sachen von The Ramones und ähnlichen Genre-Vertretern der gleichen Zeit in den Kopf. Während wir noch überlegen, was es mit dem Titel auf sich hat und was Corey mit seiner Lux (was auch immer diese ist) machen möchte, ist das schnell gespielte Stück nach zwischenzeitlichem Gitarrensolo (Hut ab) auch schon wieder vorbei.

Modernere Punk-Klänge mit klassischeren und vor allem etwas präsenteren Rock-Strukturen bekommen wir mit „Everybody Dies On My Birthday“ serviert (auch hier wieder mit wundervollem Gitarrensolo!). Ein eingängiger Track, der live sicherlich zu ordentlich Stimmung führen wird.

(Hard)Rockig wird’s mit dem leicht bluesigen „Halfway Down“ sowie dem tief gespielten „Culture Head“. Slipknot-Fans aufgepasst: Hört man in der ersten Strophe von „Culture Head“ bei der Textzeile „Fuck You“ genau hin, hört man kurz den Anflug gutturalen Gesangs! Ach – habe ich bereits die Gitarrensoli auf diesem Album hervorgehoben?

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Wer jetzt bei so viel Gehopse durch die Welt der Musik-Genre schon etwas außer Atem ist, kann bei „Home“ mal kurz durchschnaufen. Corey Taylors UNGLAUBLICH GUTE Stimme ausschließlich unterlegt mit Klavier und Streichern. Reicht? Reicht. Wem das in bestimmten Situationen nicht unter die Haut geht, ist wohl ein gefühlsarmer Dusel.

Zum Abschluss von „CMFT“ packt Corey dann nochmal alles zusammen, was ihm so einfällt. Herausgekommen ist dann der Song „European Tour Bus Bathroom Song“. Zwei Minuten definiertes Punk-Chaos, das er vermutlich wirklich aus dem Bad des Tour-Busses herausgeschrien hat.

Und damit endet der Trip von und mit Slipknot-Frontmann Corey Taylor von Stone Sour durch seine kleine Welt namens „CMFT“. Nicht genug? Kein Problem. Wie wir wissen, hat der Sänger noch genug Material für ein zweites Solo-Album in petto.

Corey Taylor beherrscht es wie kein weiterer, dem Hörer bei jedem einzelnen der 13 Songs vorzugaukeln, als hätte er NIE andere Musik gemacht. Egal, welche Genre-Richtung er auf welchem Track einschlägt – es wirkt authentisch, durchdacht und professionell.

Sicherlich wird nicht jeder Song den Geschmack eines jeden Fans treffen. Dafür treffen hier viel zu viele verschiedene Stile aufeinander. Was aufgrund dessen natürlich ein bisschen verloren geht, ist der berühmte rote Faden. Ziemlich sicher wollte Corey Taylor genau diesen aber gar nicht behalten. Schließlich ist es seine Show und genau diese hat er erfolgreich von vorne bis hinten durchgezogen.

Wie das Ganze live funktioniert, dürfen wir zumindest in einer virtuellen Release-Show erfahren. Pünktlich zur Veröffentlichung von „CMFT“ spielt Corey ein Livestream-Konzert aus dem Forum in Los Angeles.

Alle Infos dazu gibt’s hier!

Bild: Ashley Osborn / Offizielles Pressefoto

ALBUM
CMFT
Künstler: Corey Taylor

Erscheinungsdatum: 02.10.2020
Genre: , ,
Label: Roadrunner Records
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. Silverfish
  2. CMFT Must Be Stopped (feat. Tech N9ne & Kid Bookie)
  3. HWY 666
  4. Meine Lux
  5. Kansas
  6. Culture Head
  7. Halfway Down
  8. European Tour Bus Bathroom Song
  9. The Maria Fire
  10. Home
  11. Samantha's Gone
  12. Everybody Dies On My Birthday
  13. Black Eyes Blue
Corey Taylor CMFT
Corey Taylor CMFT
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FAZIT
Corey Taylor liefert mit „CMFT“ ein Solo-Debüt, das den Hörer nicht nur erstaunt, sondern zeitweilen auch atemlos zurücklässt. Atemlos genau deshalb, weil man sich doch wundern muss, was dieser Corey eigentlich alles so kann.

Erwartet man auf dem Solo-Debüt Klänge von Slipknot oder Stone Sour, so ist man hier definitiv an der falschen Adresse. Nicht mal ansatzweise hat das hochwertig produzierte „CMFT“ etwas mit dem zu tun, was wir bislang von Corey Taylor in seinen beiden Bands kannten. Wer sich hierauf einlässt, wird aber ganz sicher nicht enttäuscht und muss am Ende einfach neidlos eingestehen, dass Corey „Mother Fucking“ Taylor ein herausragender Musiker ist.