Review

MetalcorePost-Hardcore

Kritik: Coldrain- „Nonnegative"

“15 years in the making, five as one we stand aligned” – Coldrain sind eine Band mit wahrlich viel Geschichte. ...

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“15 years in the making, five as one we stand aligned”Coldrain sind eine Band mit wahrlich viel Geschichte. Schließlich besteht die Post-Hardcore-Kombo rund um Sänger Masato Hayakawa bereits seit 2007 in exakt derselben Konstellation wie damals.

Es sind fünf Freunde aus Nagoya, Japan, deren Weg sie über sechs Alben und unzähligen Live-Shows zu diesem einen Moment geführt zu haben scheint: Dem Release von „Nonnegative”.

Coldrain zwischen Krisen und Erfolg

Mit „Help Me Help You” verpasst die Kombo ihrer siebten Full-Length Platte schon einmal einen gebührend rasenden Opener. In gewohnter Coldrain-Manier ist somit gleich der erste Track mit ordentlich Ohrwurm-Potential ausgestattet und sorgt für maximale Live-Cravings.

Auf viele Weisen zeigt sich jedoch auch bereits hier der Weltschmerz der vergangenen zwei Jahre, welcher dezent aber deutlich durch das gesamte Album scheint. Dabei schafft es nicht nur „Help Me Help You”, sondern auch u.a. die bereits bekannte Single „PARADISE (Kill The Silence)” sowohl lyrisch als auch musikalisch von Hoffnung in verzweifelt-dunklen Zeiten zu erzählen.

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Anschließend folgt die ganz Besondere unter den Singleauskopplungen: Der Jubiläumstrack „Calling”. Auf den Tag genau veröffentlicht an ihrem 15. Jahrestag blickt der voranpreschende Song nostalgisch und stolz auf ihren Werdegang zurück. Abgerundet durch einen emotionalen Visualizer ist er nicht nur eine Ode an ihre Bestimmung, eine Band zu sein, sondern auch eine Dankeshymne an ihre Fans.

Ein besonders schönes Easter Egg ist die Textzeile „So just let it blare”. Denn diese referenziert das Blare Fest, ein legendäres, vom Quintett höchstpersönlich gehostetes Festival, welches 2020 in Nagoya stattfand und dessen Line-Up u.a. ONE OK ROCK, Crystal Lake und The Word Alive zierten.

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Ihr feines Gespür für Spotlight-Tracks bewiesen die Jungs zudem mit „Cut Me”, dessen Musikvideo als i-Tüpfelchen gemeinsam mit der LP erschien. Ein erfrischend aggressives Stück an alle Hater, in dem Masatos prominente Screams die Middle-Finger-Up Attitüde erfolgreich komplementiert.

Daraufhin begegnen uns erneut bekannte Töne: Sowohl „Before I Go” als auch „Bloody Power Fame” wurden den Fans bereits vorab serviert. Im relativ klassischen Signature-Sound der Jungs schließen diese beiden Singles den energiegeladenen Beginn des Albums ab.

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Daraufhin schalten nämlich „Here With You” und „Boys And Girls” nach und nach einen Gang runter. Während ersterer noch mit einem nahezu epischen Build-Up ermutigende Worte in emotionale Abgründe prescht, wirkt letzterer beinahe etwas unbeholfen. Indem etwas plump beispielsweise „boys” auf „toys” gereimt wird erreicht der ruhigste Song der LP leider nicht das Balladen-Niveau, welches wir von Vorgängern wie „January 1st” gewohnt sind.

Ein wild gemixter Endspurt voller Überraschungen

Im Gegensatz dazu sticht Track 9 beim ersten Durchgang besonders heraus. Denn ganz bold als „2020” betitelt berichtet er – ungefiltert und experimentell wie man Coldrain selten erlebt – von unser aller Pandemieerfahrungen. Dramatischer Sprechgesang auf düsteren Synthies, verzweifelte Screams und ein mitreißendes Gitarren-Riff untermalen hierbei die Machtlosigkeit und den Frust, die Covid-19 mit sich brachte.

Die nächste angenehme Überraschung: „Rabbit Hole” legt gleich mit einem Breakdown-Riff im Intro los und löst so manchen Flashback an „The Revelation“ aus. Ohne Frage der härteste Song des Albums, dem der dann doch melodisch-groovige Chorus eher noch mehr Kante verleiht. Langjährige Fans werden sich freuen, denn der Output der Herrschaften hat sich in der Vergangenheit eher weiter von ihren härteren Anfängen wegbewegt.

Kontrastreich geht es weiter mit „Don’t Speak“, denn … richtig gehört! They really did it – es ist ein Cover des 1995er Hits von No Doubt. Immerhin haben die Boys bereits auf ihrer 10-jährigen Jubiläumsplatte „Fateless” einen Klassiker gecovert; damals war es „Uninvited” von Alanis Morissette. Ob sich da ein Muster zeigt, ist nicht ganz klar, aber Spaß macht der Track auf alle Fälle.

Letztlich erwartet uns mit „From Today” das Grande Finale des Longplayers. Auf empowernde Weise wird auch hier das Leitmotiv Pandemie aufgegriffen. Denn trotz der bedrückenden Krisen unserer Zeit stehen wir stets erhobenen Hauptes wieder auf. „From today, all my demons listen to me”– ein sehr klassischer Coldrain-Song und damit ein schöner Closer des gelungenen Jubiläumsalbums.

Foto: Coldrain / Offizielles Pressebild

ALBUM
Nonnegative
Künstler: Coldrain

Erscheinungsdatum: 08.07.2022
Genre:
Label: Warner Music
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Help Me Help You
  2. CALLING
  3. Cut Me
  4. Before I Go
  5. Bloody Power Fame
  6. Here With You
  7. Boys and Girls
  8. Paradise (Kill the Silence)
  9. 2020
  10. Rabbit Hole
  11. Don't Speak
  12. From Today
Coldrain Nonnegative
Coldrain Nonnegative
8.5
FAZIT
Mit „Nonnegative” liefern uns Coldrain ein von Pandemiezeiten geprägtes Werk, ohne damit unangenehm Salz in die Wunde zu streuen. Stattdessen stoßen sie gemeinsam mit ihren Fans auf eine einzigartige Bandgeschichte an und zeigen sich sogar so heavy wie seit langem nicht mehr. Obwohl die Platte überwiegend charakteristischen Stilmitteln der Band folgt, bricht die japanische Kombo an einigen Stellen deutlich aus ihrer Komfortzone heraus und sorgt für so manch ein Schmunzeln beim Hören. Außerdem: Zum 15. Geburtstag darf man auch schon mal in nostalgischen Klängen schweben.