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Post-HardcorePunkrockRock

Kritik: Cold Years - "Goodbye To Misery"

Cold Years veröffentlichen am 22. April 2022 ihr zweites Studioalbum und haben eine ganz besondere Botschaft im Gepäck. Denn ja, ...

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Cold Years veröffentlichen am 22. April 2022 ihr zweites Studioalbum und haben eine ganz besondere Botschaft im Gepäck. Denn ja, Corona hat uns so einiges genommen. Doch endlich gibt es in Licht am Ende des tristen, konzertlosen Tunnels – man könnte fast meinen, der Tunnel ist gänzlich gewichen. Denn Konzerte finden inzwischen fast schon wieder in dem Umfang statt, wie es 2019 der Fall war. Und dennoch wissen wir jetzt besonders zu schätzen, dass wir die Möglichkeit haben, Live-Konzerte zu besuchen.

Aus jeder Krise lässt sich stets etwas Positives ziehen. So lautet auch die Message, die Cold Years mit ihrem neuen Album in die Welt tragen wollen. Die Schotten-Rocker haben ihr zweites Album fertig. „Goodbye To Misery“ heißt das Album passenderweise, es erscheint am 22. April 2022 und schlägt ganz neue Töne an. Wir durften bereits reinhören und verraten euch, was euch auf der neuen Scheibe erwartet.

Vom vermeintlichen Paradies zur nüchternen Realität

Erst 2020 hatte die Truppe um Frontmann Ross Gordon ihr Debutalbum veröffentlicht. „Paradise“ war geprägt von selbstzerstörerischen und unglücklichen Songs – eben passend zur Pandemiementalität. Doch mit dem neuen Album ist die Zeit des Meckerns vorbei. Mit zwölf neuen Songs machen die Schotten klar, dass es darum geht „Schwierigkeiten zu überwinden und als Person zu wachsen, sich all seinen Ängsten und Unsicherheiten zu stellen und zu erkennen, dass man damit nicht alleine ist“, wie Sänger und Gitarrist Ross selbst über „Goodbye To Misery“ sagt.

Die „Generation Fuck It All“-Herrlichkeit

Den Anfang macht der Song 32. Warum 32? Aus zweierlei Gründen. Zum einen ist es das Alter des Sängers zum Zeitpunkt des Songwritings, zum anderen ist es die Fortsetzung des Songs „31“. Ganz ruhig findet man als Hörer den Einstieg in den Song, bis es schließlich in gewohnter Cold Years-Manier etwas mehr zur Sache geht. Die Band, die musikalisch eine Mischung aus und Rise Against und Dropkick Murphys abgibt, drückt sich mit melodischen Gitarrenriffs und eingängigem Gesang von Ross aus. Die Botschaft?

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„Das ist unser ‚Scheiß drauf, lass uns hier einfach abhauen‘-Track. Es ist, als hätte man nichts mehr zu verlieren also könnte man genauso gut alles riskieren, um glücklich zu sein.“

Abrechnung mit dem Brexit

Cold Years kommen aus Schottland, genauer gesagt aus Aberdeen. Das betrachten Sänger Ross, Bassist Luis und Gitarrist Fin selbst eher als unglücklichen Umstand, statt als Bereicherung. Und genau darum geht, es im nächsten Song „Britain is Dead“, in dem die Jungs mit ihrem Heimatland abrechnen. Auch hier finden Snare-Rolls und Fills zusammen, wirken aber eher wie eine Unterstützung im Hintergrund für die Lyrics, die Ross ins Mikro schreddert: „tear up the past, throw it in the past, where it belongs to rot in hell.“

Goodbye to Misery

Schließlich folgt „Goodbye To Misery“ – der Titeltrack. Auch hier gibt es musikalisch wenig Abwechslung zu den vorigen Songs. Doch das brauchen Cold Years auch gar nicht. Wer hier harten Core erwartet, ist gänzlich an der falschen Adresse. Die schottische Band lädt eher dazu, einfach mal runterzukommen und bleibt dennoch leidenschaftlich bei der Sache. „GOODBYE TO MISERY“, ruft Ross ganz laut und man möchte direkt einfach mitmachen. Trotz reduziertem musikalischem Aufwand entsteht eine ganz besondere „Ja, verdammt!“-Mentalität. Und das ist die hohe Kunst, die Cold Years perfekt beherrschen.

Das beweisen sie auch mit „Headstone“. Der Song wurde bereits vor Album-Release veröffentlicht und ging regelrecht durch die Decke. Es geht hierbei um „die Verletzlichkeit, die mit dem Erwachsenwerden einhergeht“, erklärt Ross. Was damit gemeint ist, sind ausartende Partynächte und jede Menge Schuldgefühle. Was in den Lyrics so dramatisch klingt, lässt sich musikalisch nicht unbedingt raushören. Ein fast fröhlich klingender Green Day-Sound stellt einen echten Kontrast zum Text dar. Der Song ist definitiv als radiotauglich einzuordnen und rutscht eher in die Kategorie gut gelaunter Pop-Punk.

Von der Muse geküsst

Etwas Abwechslung bringt Jane in das Album. Aber Who the fuck ist Jane? “Jane ist jedermanns „Person“. Die Person, ohne die man nicht leben kann. Die Person, wegen der man seinen Verstand verliert“, gibt der Frontmann von Cold Years zu verstehen. Besungen wird besagte Person im 5. Song des Albums „Jane“. Der Track ist auf jeden Fall mitsingtauglich und hat einen sehr hohen gute-Laune-Faktor.

Hassliebe: Heimat

Auch „Home“ war schon vor Release des Albums zu hören. Hatten die Jungs nicht gesagt, dass sie nur wenig begeistert von ihrer Heimat Aberdeen sind? Exakt! Dennoch gilt „home is where the heart is“, wie es im Song heißt. Ein klassischer Fall von Hassliebe bietet genug Stoff für diesen Song, der stark an Rise Against erinnert.

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Der Song ist eine echte Anti-Aberdeen-Hymne, sensibilisiert aber auch dafür, dass das Zuhause immer etwas ganz Besonderes ist. Aber es geht um viel mehr, darum einfach aufzubrechen, wenn man sich irgendwo unwohl fühlt: „Ich liebe meine Heimat, und ich liebe die Menschen dort. Aber ich musste raus, und ich musste etwas Neues anfangen“, sagt der Frontmann über den Song.

Wertschätzung: Live Musik ist alles

Es folgen weitere Songs, in denen mit Corona abgerechnet wird. In „Never Coming Back“ und Walk Away“ wird über leere Straßen, Einsamkeit und vor allem „Konzertlosigkeit“ gesungen. Wer den Verlust nochmal aufarbeiten möchte, hat mit diesen Songs die Chance dazu. Einfach mal wertschätzen, dass wir aktuell wieder Konzerte genießen können? Sänger Ross macht das auf jeden Fall:

„Es ist verrückt, wenn man zurückblickt, aber die meisten von uns haben ein Jahr lang kaum das Haus verlassen. Das Verschwinden ist ein Gefühl der Hilflosigkeit und Rastlosigkeit, und man will sein Leben zurück. Und ich denke, das ist wahrscheinlich etwas, das bei vielen Leuten mitschwingt. Ich werde niemals eine Show, einen Gig, einen Besuch im Restaurant oder Zeit mit Familie und Freunden als selbstverständlich ansehen. Nie wieder.“

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Eine Zeit ohne Konzerte ist vielleicht auch ein bisschen so wie eine Fernbeziehung. Die Verbindung ist stark, aber die Entfernung größer. „Say Goodbye“ handelt genau davon. Auch das verpackt das schottische Trio als gute Laune-Song, der sich schnell weghören lässt. Kurz vor dem großen Finale des Albums, warten Cold Years mit dem Song „Kicking an Screaming“ auf. Toxische Beziehungen adé ist das Motto dieses Tracks. Hier gibt es sogar ein kleines Gitarrensolo, dennoch bleibt vor allem der Refrain im Kopf:

„I don’t wanna fall apart again I’m sick of clinging to the edge You came like a wrecking ball instead“.

Auch dieser Song erinnert wieder an die Anfänge von Green Day. Dazu reiht sich „Jacknife“ ein, der 11. Song auf dem Album.

Aufraffen und Kontrolle verschaffen

Cold Years wären nicht Cold Years, wenn sie sich für den Abschluss ihres Albums nicht etwas Besonders überlegt hätten. Tempomäßig geht der finale Song „Control“ nochmal gut nach vorn. Doch auch hier steht wie immer die Botschaft im Vordergrund. Sänger Ross erklärt, was der Song vermitteln soll:

„Hört auf, euch um die Dinge zu kümmern, die euch runterziehen und konzentriert euch auf die Dinge, die ihr ändern könnt. Ihr seid es leid, kontrolliert zu werden? Ob es eine Person ist, eine Regierung, ein Job, eine Sucht, was auch immer euch kontrolliert. Lasst es nicht zu.“

Aufmerksame Zuhörer werden in diesem Song feststellen, dass die schottische Truppe Textzeilen aus anderen Songs nutzt. Auf diese Weise bildet „Control“ den perfekten Abschluss für „Goodbye To Misery“, was durch ein fulminantes Cresendo am Ende verstärkt wird.

Foto: Finley Urquhart / Offizielles Pressebild

ALBUM
Goodbye To Misery
Künstler: Cold Years

Erscheinungsdatum: 22.04.2022
Genre:
Label: Mnrk Records Lp (H'Art)
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. 32
  2. Britain Is Dead
  3. Goodbye To Misery
  4. Headstone
  5. Jane
  6. Home
  7. Never Coming Back
  8. Wasting Away
  9. Say Goodbye
  10. Kicking And Screaming
  11. Jack Knife
  12. Control
Cold Years Goodbye to Misery
Cold Years Goodbye to Misery
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FAZIT
„Goodbye To Misery“ ist wie ein gutes Gespräch in der Kneipe mit Freunden – tiefgründig, irgendwie bodenständig und persönlich. Die Melodien sind so eingängig, dass sie sich teilweise wie zuhause anfühlen. Während man zu einem Song aufspringen und mitbrüllen will, möchte man beim nächsten sitzen bleiben und mit Freunden im Arm schunkeln. Cold Years schaffen es, zum musikalischen Miteinander einzuladen. Dabei bleiben sie ihrem eigenen Sound treu.

Dass sich die Jungs bei einer Kneipentour dazu entschlossen, gemeinsam Musik zu machen, scheint sich musikalisch auf ihre Arbeit auszuwirken. Wer „Goodbye To Misery“ hört, holt sich die Kneipenatmosphäre auf die Ohren. Core ist hier definitiv nicht zu erwarten und insgesamt ist das Album fröhlich punk-rockig – es eignet sich bestens dafür, Freunden, die sich mit der Szene bisher noch nicht anfreunden konnten, einen sanften Einstieg zu bieten. Hier treffen klare Botschaften auf echten Pub-Rock.