Review

PunkrockRock

Kritik: Broilers - "Santa Claus"

„Sante Muerte“, erschienen im Jahr 2011, war für die Broilers ein ganz besonderes Album, bedeutete es doch ihren bis heute ...

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„Sante Muerte“, erschienen im Jahr 2011, war für die Broilers ein ganz besonderes Album, bedeutete es doch ihren bis heute anhaltenden kommerziellen Durchbruch. Ob das Weihnachtsalbum Santa Claus eine ähnliche Bedeutung für die Band haben wird, erscheint fraglich. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass sich bei der Band in den letzten Monaten eine Menge Energie aufgestaut hat, die ein Ventil brauchte.

Kein Wunder bei einer Band, die eigentlich schon im Sommer 2020 eine große Open Air-Tour spielen wollte, die dann das im April 2021 erschienene Album Puro Amor nicht ein einziges Mal vor Publikum spielen durfte und schließlich auch noch wegen einer Erkrankung von Fronter Sammy Amara ihre kurzfristig geplanten Picknick-Konzerte im Sommer wieder absagen musste. Und wer jetzt sagt, dass Punkrock und Weihnachtssongs nicht zusammenpassen, sei nur beispielhaft auf das Album Christmas Songs von Bad Religion verwiesen.

So klingt das neue Weihnachtsalbum „Santa Claus“ von den Broilers

12 Coversongs und zwei eigene Kreationen haben die Düsseldorfer für uns zusammengestellt – und los geht es mit „Feliz Navidad“, einem echten Klassiker. Es ist schon gewöhnungsbedürftig, Amara auf Spanisch singen zu hören. Meine allererste Band wurde einmal bei einem Bandcontest von Joko Winterscheidt beurteilt, der uns neben der üblichen Lobhudelei auch mit den Weg gab, es aufgrund unserer dürftigen englischen Aussprache doch einmal mit deutschen Texten zu versuchen – letzteres würde er wohl auch den Broilers auf Santa Claus empfehlen. Vielleicht hat er auch schon, denn mit „Grauer Schnee“ findet sich einer der beiden eigenen Songs – auf Deutsch gesungen – an prominenter Stelle.

Und das Ganze hört sich direkt viel mehr nach Broilers an. Der Song würde auch auf einem gewöhnlichen Album eine gute Figur machen, wobei er lyrisch schon etwas einfältiger klingt als der Broilers-Durchschnitt. Aber vielleicht muss das bei Weihnachtsliedern auch so sein. Ein absolutes Highlight der Platte ist „Fairytale Of New York“ – ein hier eher unbekanntes Cover der Folk-Band The Pogues, das als Duett mit der Berliner Sängerin Vivjan sogar über das Original hinauswächst.

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Das gilt eher nicht für Klassiker wie „Driving Home For Christmas“ oder „Santa Claus Is Comin‘ To Town“, wobei letzteres zumindest mit dem vorangeschalteten Band-Dialog den ein oder anderen Schmunzler provozieren kann. Und zu seiner Ehrenrettung muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass es bei Sammy Amara mit dem Englisch dann doch wesentlich besser aussieht als bei meiner Band damals.

Äußerst positiv ist darüber hinaus zu erwähnen, dass es die Band keineswegs bei den absoluten Klassikern belässt, die aufgrund ihrer Heavy Rotation regelmäßig schon Ende November Würgereflexe hervorrufen. So versucht sich die Band auch an einigen hierzulande eher unbekannten Songs wie „Christmas Vacation“ von Mavis Staples oder das hawaiianische „Meli Kalikimaka“. Auch das The Vandals-Cover „Oi! To The World“ kann nicht nur mit dem Original mithalten, sondern übertrifft es stellenweise sogar.

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Und auch zum Ende des Albums halten die Broilers noch die ein oder andere mutige, aber gelungene Interpretation für uns bereit. Das gilt weniger für das eher zurückhaltende Cover des The Kinks-Songs „Father Christmas“, aber umso mehr für „Vor Mitternacht“, eine Neuinterpretation von Auld Lang Syne inklusive eigenem Text. Letzteres weckt zwar unangenehme Erinnerungen an Wolfgang Petrys Weihnachts-CDs (Geschenktipp fürs Schrottwichteln auf der nächsten Weihnachtsfeier!), auf denen dieser englische Weihnachtssongs mit deutschen Schlager-Reimen verunstaltete, ist aber bei weitem nicht so peinlich.

Stattdessen ist „Vor Mitternacht“, das ebenso wie das Original eher ein Silvester- als ein Weihnachtssong ist, eine gelungener Abschluss einer Platte, die zwar keine*r so wirklich braucht, aber eben auch eine nette Abwechslung darstellt. Und mal ehrlich, wer braucht schon Weihnachten?

Foto: Robert Eikelpoth / Offizielles Pressebild

ALBUM
Santa Claus
Künstler: Broilers

Erscheinungsdatum: 12.11.2021
Genre:
Label: Skull & Palms Recordings
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Carol Of The Bells
  2. Feliz Navidad
  3. Christmas Time (Again)
  4. Grauer Schnee
  5. Driving Home For Christmas
  6. Fairytale Of New York
  7. Santa Claus Is Comin’ To Town
  8. Christmas (Baby Please Come Home)
  9. Christmas Vacation
  10. Merry Christmas (I Don‘t Want To Fight Tonight)
  11. Mele Kalikimaka
  12. Oi! To The World
  13. Father Christmas
  14. Vor Mitternacht (Auld Lang Syne)
Broilers Santa Claus
Broilers Santa Claus
7.5
FAZIT
Die Broilers haben sich die Langeweile im Sommer mit der Aufnahme von 14 Weihnachtssongs vertrieben – dass das Ganze nicht zu 100 % ernst zu nehmen ist, liegt dabei auf der Hand. Auch, dass nicht jeder Song funktioniert – aber mal ehrlich, es gibt so viele miese Weihnachtssongs, da kommt dieses Album schon zur rechten Zeit. Und auch wenn es uns nicht in Weihnachtsstimmung versetzen sollte, ist das Album zumindest doch eine Hommage an Bands wie The Ramones oder The Kinks. Und das sollte doch eigentlich schon genügen.