Review

PunkrockRock

Kritik: Broilers - "Puro Amor"

Mit „Puro Amor“, spanisch für pure Liebe, wollen uns die Dame und die Herren der Broilers die grauen Tage der ...

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Mit „Puro Amor“, spanisch für pure Liebe, wollen uns die Dame und die Herren der Broilers die grauen Tage der Pandemie ein wenig versüßen. „Puro Amor“ ist Album Nr. 8 der Düsseldorfer, die 1994 als Schülerband gegründet wurde und sich spätestens seit dem 2011-Album „Santa Muerte“ nicht mehr nur auf den kleinen, engen Bühnen, sondern auch in den großen Arenen des Landes zuhause fühlen.

Mit dieser Entwicklung, verstärkt durch das in weiten Teilen sehr softe Album „Noir“ (2014), ging – fast schon obligatorisch – die Kritik der Oldschool-Fraktion über den vermeintlichen Ausverkauf der Band einher. „[sic.]“ (2017) ging nicht nur musikalisch, sondern auch durch die politischen Texte wieder mehr zurück zu den Wurzeln.

Broilers starten mit Altbewährtem ins neue Album

Also Start frei für „Puro Amor“: Das Album fängt – und beim achten Album kann man so etwas wohl sagen – broilers-typisch an. „Nicht alles endet irgendwann“ ist eine Ode an die Jugend, eine Hymne für den ewig jungen Punkrock. Auch textlich merkt man hier schnell, dass Sänger und Textschreiber Sammy Amara seine ohnehin schon einfühlsamen Texte gerne noch mit der für die erste Gänsehaut notwendigen Prise Pathos garniert.

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In „Nach Hause kommen/Zurück zu mir“ wird es dann etwas persönlicher, aber mindestens genauso mitreißend. Musikalisch und textlich hätte sich der Song übrigens auch auf „Noir“ gut eingefügt. Dieser Gedanke – so viel kann man an dieser Stelle schon verraten – kommt in der Folge noch öfter auf.

Track 3 „Gib das Schiff nicht auf“ war vorab schon als erste Single erschienen. Unter der Prämisse, dass zumindest die erste Single möglichst eingängig sein soll, sicher eine gute Entscheidung, doch in Sachen Gefühl können andere Songs mehr überzeugen. Das gilt zum Beispiel für „Porca Miseria“, der schon durch den Namen zeigt, dass die Broilers, auch wenn sie mit dem Mafia-Image nicht mehr ganz so offen kokettieren wie in den 90er- und 00er-Jahren, immer noch gerne mit italienischen Begriffen spielen.

Eine ausgewogene Mischung

Die oben genannte Kritik der Oldschool-Fans an einem vermeintlichen Ausverkauf der Band kontern die Broilers auf Puro Amor auf eine sehr stilvolle Art und Weise. „Schwer verliebter Hooligan“ kann nämlich als sehr offensichtliche Anlehnung an „Paul der Hooligan“, „Diktatur der Lerchen“ als etwas verstecktere Hommage an „Nur die Nacht weiß“, beides Songs aus dem Jahr 1996 verstanden werden.

„Diktatur der Lerchen“ – keine wissenschaftliche Abhandlung über die Vorteile der Frühaufsteher, sondern vielmehr eine ohrwurmverdächtige Abrechnung mit diesen, ist übrigens eines der absoluten Highlights der Platte. Das ebenfalls schon als Single veröffentlichte „Alles wird wieder Ok!“ ist musikalisch zwar wieder etwas seichter, aber inmitten der Pandemie ist schon allein die Botschaft des Songs Grund genug, um den Song in Dauerschleife zu hören.

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Im Gegensatz zu „[sic]“, das inmitten einer politisch aufgewühlten und vom Aufstieg der AfD und der so genannten Flüchtlingskrise geprägten Zeit entstand und als ein wütendes Zeichen gegen den damaligen Zeitgeist verstanden werden kann, kommt „Puro Amor“ tatsächlich deutlich persönlicher daher.

Es wirkt insgesamt wie ein emotionaler, aber auch versöhnlicher Rückblick auf die ersten 40 Jahre des Lebens mit all ihren Höhen und Tiefen. Auch musikalisch kann man das Ganze als eine Art Best Of aus 27 Jahren Broilers betrachten. Natürlich nicht mehr so im Oi-Punk verhaftet wie die ersten Alben, aber eben auch nicht ganz so dunkel wie „Noir“ oder so rau wie „[sic]“. Die Broilers und ihre Musik sind gereift, ohne alt zu werden.

Ganz ohne Politik kommt „Puro Amor“ letztlich doch nicht aus, denn „Alice und Sarah“ bezieht sich auf die dauergenervte und dauernervige Chefin der AfD-Bundestagsfraktion. Auf den ersten Blick fragt man sich, ob die humorvolle Herangehensweise dem ernsten Thema wirklich gerecht wird, doch wenn man ehrlich ist, gibt es – auch von den Broilers – schon genügend klare und ernsthafte Aussagen in Richtung Rechts.

Da ist dieser auch musikalisch fröhliche Song eigentlich eine entspannte Alternative, um das Elend besser zu ertragen. Mit dem ebenfalls broilers-typischen Rausschmeißer „An allen anderen Tagen nicht (Lebe, Du stirbst!)“ enden schließlich 46 Minuten über die echte, wahre, große und eben die pure Liebe. 46 Minuten Therapie für unsere pandemie-geschädigten Seelen. Das tut gut.

Foto: Robert Eikelpoth / Offizielles Pressebild

ALBUM
Puro Amor
Künstler: Broilers

Erscheinungsdatum: 23.04.2021
Genre: ,
Label: Skull & Palms Recordings
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Nicht alles endet irgendwann
  2. Nach Hause kommen / Zurück zu mir
  3. Gib das Schiff nicht auf!
  4. Porca Miseria
  5. Alter Geist
  6. Trink mich doch schön
  7. Schwer verliebter Hooligan
  8. Diktatur der Lerchen
  9. Da bricht das Herz
  10. Dachbodenepisoden
  11. Alles wird wieder OK!
  12. Niemand wird zurückgelassen
  13. Alice und Sarah
  14. An allen anderen Tagen nicht (Lebe, Du stirbst!)
Broilers Puro Amor
Broilers Puro Amor
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FAZIT
Puro Amor für "Puro Amor"! Das Album ist ein gelungener Ritt durch das Leben und die Liebe mit all ihren schönen und schaurigen Facetten. Musikalisch bleiben sich die Broilers dabei weitegehend treu und setzen auf Bekanntes und Bewährtes, sodass der schwierige Spagat zwischen den guten alten Zeiten und der Gegenwart gut gelingt. Sich treu bleiben und gleichzeitig modern klingen ist gar nicht so einfach. Auf "Puro Amor" gelingt es aber!