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Kritik: Bring Me The Horizon - "Music To Listen To (...) GO TO"

Kaum wacht man nach den Feiertagen auf, gibt es ein weiteres Geschenk für uns alle. Bring Me The Horizon haben ...

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Kaum wacht man nach den Feiertagen auf, gibt es ein weiteres Geschenk für uns alle. Bring Me The Horizon haben tatsächlich eine neue EP veröffentlicht, ganz ohne Ankündigung, wie wir heute Nacht berichteten. Wir sparen uns den langen Titel und brechen es runter auf „Music To Listen To“ und erzählen euch, was genau hier überhaupt passiert.

Alles nur ein Gimmick?

Mit jeder Menge Atmosphäre beginnt „Steal Something“, das sich erst allmählich in einem Hip-Hop-Beat fügt und klare Konturen aufschlägt. Dass es sich um Bring Me The Horizon handelt, wird erst klar, sobald man Oli Sykes Vocals zum ersten Mal hört. Doch auch hier klingen Bring Me The Horizon eher wie ein Twenty One Pilots-Remix, der um Lo-Fi Hip-Hop erweitert einen bisher von der Band ungewohnten Sound kreiert. „Steal Something“ ist kein Track, in dem viel passiert. Stattdessen fokussiert sich die Musik auf minimalistische Details und eine repetitive Melodieführung, die über weite Strecken mit synthetischen Bläsern ausgelegt wird und auch durch den fortgehenden Beat eine sehr entspannende Wirkung hat. Irgendwie wird man das Gefühl aber nicht los, es handele sich um einen Bonustrack, oder gar einen Hidden Track, der es nun auf einen neuen Output geschafft hat.

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Wie auch das Ende des ersten Songs, arbeitet „Candy Truck“ mit der Komponente des Sounddesigns und findet sich zu Beginn mehr in einer Gesprächssituation, als in tatsächlicher Musik. Der Beat beginnt und auch „Candy Truck“ baut sich über die Atmo-Sektion langsam mit minimalistischer Melodie auf. Mit Gitarren, Refrains und Schlagzeugen hat aber auch das nichts zu tun. Es sind ausschließlich elektronische Instrumente zu hören, während die eingearbeitete Aufnahme erstmal das einzig organische an diesem Track bleibt. Doch wie aus dem Nichts kommen Akkorde auf dem Keyboard in den Track, der nun durch stark modifizierten Gesang ergänzt wird. Tatsächlich gelingt es Bring Me The Horizon damit verdammt catchy zu werden und einen Sound zu liefern, der wohl auf jede Tanzfläche um 3 Uhr nachts passt.

Alleine der Titel „A Devastating Liberation“ klingt bereits wie aus einem Seriensoundtrack entnommen. Mit ähnlicher Ästhetik arbeitet der Track, der komplett instrumental gehalten ist und auf dröhnende Bläser und elegische Streicher zurückgreift. So anders und unerwartet, wie „A Devastating Liberation“ klingt, so gut kann man sich den Track in einer düsteren Serie, wie „Dark“ vorstellen. Was dieser Track uns aber im Kontext des Albums sagen soll, bleibt Spekulation. Vor allem, weil der nächste Song in keiner Weise auf das vorherige, orchestrale Geschehen Bezug nimmt. Zusammen mit Halsey haben Bring Me The Horizon einen Song gemacht, der wohl der erste gewöhnliche auf dieser neuen EP ist. „¿“ arbeitet auch größtenteils mit synthetischen Instrumenten und einem Drop, der unfassbar tanzbar ist. Im Vergleich zu den anderen Songs, wenn man diese als solche bezeichnen möchte, ist „¿“ möglicherweise der konventionellste auf dem gesamten Werk und definitiv ein Anspieltipp.

24 Minuten!

„Underground Big“ beginnt als Trap-Track, der von dem 23-jährigen Rapper BEXEY gesungen wird. Doch klingt dieser BMTH-Song nicht etwa wie die Musik von BEXEY, sondern viel atmosphärischer, während sich Shouts in den Sound mit einmischen. Denn neben BEXEY sind es auch die englischen Lotus Eater, die auf dem 24-minütigen „Underground Big“ mitgearbeitet haben, wie nach knapp viereinhalb Minuten klar wird. Mit einem heftigen Break unterbrechen Lotus Eater das atmosphärische Unterfangen und der Sound beider Parteien vermischt sich im nächsten Break noch mehr. Stark modifizierter Gesang dominiert die folgende Passage, die sich durch ihre Wiederholung auf unangenehme Art und Weise aufbaut. Man kann es keinem verübeln, hier vorzuspulen, denn dieser Part wiederholt sich mehrere Male bevor eine Erzählstimme hinzukommt, die hin und wieder einen Kommentar abgibt. Ich möchte euch nicht die hypnotisierende Wirkung, die dieser Part und „Underground Big“ inne hat, vorwegnehmen, aber wem es nach zwei Minuten schon reicht, dem sei geraten, den Rest des Tracks zu skippen. Auch wenn man erwartet, dass Lotus Eater vielleicht noch einen weiteren Break um die Ohren schmeißen, bleibt „Underground Big“ auf dieser Stelle hängen und bietet keinen weiteren Aha-Moment.

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Ist das noch Bring Me The Horizon oder kann das weg?

Komplett konträr, mit 70iger Jahre Folk-Rock-Sound, beginnt „“like seeing spiders running riot on your lover’s grave””. Auch hier ist der Gesang stark durch Autotune verändert und gewinnt eine ähliche Ästhetik, wie „?“. Jedoch ist der sechste Track dieses Albums sogar noch einen Ticken eingängiger und hat eine wahre Ohrwurmmelodie in seiner Hook versteckt. Klavierspiel und eine Trompete geben beginnt „“like seeing spiders running riot on your lover’s grave”” zusammen mit einer Harfe ein ganz neues Klangbild, das zusammen mit dem Gesang von Happyalone. wirklich spannend klingt. Wie auch die anderen Tracks, hat dieser Song etwas meditatives, entspannendes in sich, das die Musik von Bring Me The Horizon, mit Ausnahme der tanzbaren Drops, zu einer Soundtrack-esken Hörerfahrung macht.

Mit Wellen an einem Ufer bauen Bring Me The Horizon eine Brücke zu dem tropisch beginnenden „Dead Dolphin Sounds ‘aid brain growth in unborn children‘ Virtual Therapy / Natural Healing 2 Hours“ feat. Toriel. Mit entspanntem Lounch-Beat und ätherisch ausgelegten Vocals wirkt auch dieser Track, wie ein Teil einer Chillout-Compilation. Auch die Länge von mehr als 10 Minuten lässt genug Zeit, um sich in den Klangsphären dieses Tracks zu verlieren. Gegen Ende nehmen Bring Me The Horizon vermehrt Elemente aus ihrem Beat zurück, der sich nun nur noch minimalistisch in Deep House-Sphären mit einer weiteren Atmo-Aufnahme auseinandersetzt, bis am Ende nur noch diese zu hören ist.

Ein Soundtrack zum Entspannen

Zusammen mit der aus Brighton stammenden Rockband YONAKA haben Bring Me The Horizon an “±ªþ³§” gearbeitet. Auch hier dominiert der Gesang der Sängerin, während sich das Instrumental auf einen sich wiederholenden Beat beschränkt, der hin und wieder durch weitere Synthesizer erweitert wird. Sogar eine Gitarre gibt es hier zu hören, wenn auch diese – gleich den anderen Instrumenten des Albums – stark modifizert klingt. Über sieben Minuten mäandert der Track, dessen Namen man wohl kaum auszusprechen vermag, inmitten von Chillout-Musik und remixartigen Elementen, die am Ende den Eindruck vermitteln, dass es sich bei „Music To Listen To“ möglicherweise nur um Remixe handeln könnte. Doch fehlen hierfür die bestehenden Songs. Zwar ist der letzte Ton noch nicht gesungen, aber “±ªþ³§” endet in einem Störsignal, das nur kurzzeitig anhält und das Unterfangen unterbricht.

Hin und wieder könnte man meinen, dass BMTH einen Soundtrack geschaffen habe, oder etwa altes Material recyceln. So finden sich in „¿“ Anspielungen auf „in the dark“, während „Steal Something“ eine Verbindung zu „I apologise if feel something“ aufweist und auch zwischen „Why you gotta kick me when I’m down“ und „A Devastating Liberation“ Parallelen existieren. Doch ist diese Veröffentlichung wohl die erste von vielen EPs, die in Zukunft folgen werden. Weg vom Konzept des Albums hin zu experimentellen Werken, die zusammen mit Singles die Karriere der Band dominieren könnten, haben Bring Me The Horizon einen weiteren Grundstein gelegt und polarisieren mehr als je zuvor. Ob „Music To Listen To (…) GO TO“ nun eine EP ist, ist aufgrund der üppigen Spieldauer wohl eher zu verneinen. Von einem Album will sich aber auch nicht so recht sprechen lassen, so fehlt doch ein gewisser Kontext, beziehungsweise eine Kontinuinität im Sound der Platte.

Etwas positives hat diese Platte aber darüber hinaus in sich. Durch die vielen Features mit teils noch unbekannteren Bands, könnten Bring Me The Horizon die Karrieren dieser wirklich in Schwung bringen und zeigen sich eben auch mit kleinen Künstlern, anstatt ausschließlich mit großen Namen. Ein nobler Zug, der definitiv wertgeschätzt werden sollte.

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Foto im Auftrag von MoreCore.de: Peter Detje (lostrealistphotography)

ALBUM
Music To Listen To (…) GO TO (EP)
Künstler: Bring Me The Horizon

Erscheinungsdatum: 27.12.2019
Genre: , ,
Label: Sony
Medium: CD, etc

Tracklist:
  1. “Steal Something”
  2. “Candy Truck / You Expected: LAB Your Result: Green”
  3. “A Devastating Liberation”
  4. “¿” [feat. Halsey]
  5. “Underground Big {HEADFULOFHYENA}” [feat. BEXEY & Lotus Eater]
  6. “Like Seeing Spiders Running Riot On Your Lover’s Grave” [feat. Happyalone.]
  7. "Dead Dolphin Sounds ‘aid brain growth in unborn child’ Virtual Therapy / Nature Healing 2 Hours” [feat. Toriel]
  8. “±ªþ³§” (feat. Yonaka)
Bring Me The Horizon BMTH Music To Listen To
Bring Me The Horizon BMTH Music To Listen To
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FAZIT
Bring Me The Horizon verlieren sich und ihren Sound in einem atmosphärischen Sounddesign, das zwar experimentell und frisch erscheint, aber die eingängigen Passagen der Tracks stark verwässert. Bring Me The Horizon liefern mit „Music to listen to~dance to~blaze to~pray to~feed to~sleep to~talk to~grind to~trip to~breathe to~help to~hurt to~scroll to~roll to~love to~hate to~learn Too~plot to~play to~be to~feel to~breed to~sweat to~dream to~hide to~live to~die to~GO TO“ nichts anderes, als das, was sie versprechen. Die Musik auf diesem Album kann man hören, man kann darauf tanzen, dabei schlafen und möglicherweise auch alles andere, was im Titel, der nun mehr wie eine Beschreibung wirkt, angeführt wird. Ob man letztendlich zu dieser Musik geht, wie ebenfalls im Titel beschrieben, und sie für die eigene Playlist auswählt, ist wohl jedem selbst überlassen. Aber Achtung: nicht überall wo Bring Me The Horizon drauf steht, ist auch Bring Me The Horizon drin! Oder etwa doch?