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Pop-PunkPunkrock

Kritik: Blink-182 - "One More Time... Part-2"

Es ist schlicht das Zeitalter der pompösen Reunions und der abrauchenden Server. Rauchschwaden lassen sich in allen erdenklich möglichen Himmelsrichtungen ...

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Es ist schlicht das Zeitalter der pompösen Reunions und der abrauchenden Server. Rauchschwaden lassen sich in allen erdenklich möglichen Himmelsrichtungen erkennen und verhindern jegliche Weitsicht. Blink-182 sind dabei in diesem Zirkus mit ihrem 2023er Wiedereinstieg bereits alte Hasen. Gemessen am reinen Lebensalter hätten sie fast schon alle in einer Klasse sitzen können. Man stelle sich das vor: Travis Barker lässt sich mit freiem Oberkörper während der Religionsstunde mit dem Druckbleistift sein erstes Tattoo stechen, während DeLonge unmittelbar daneben verträumt in den Himmel starrt und bereits zu diesem Zeitpunkt vom Kauf der NASA tagträumt und Bennington in der Reihe davor die Songzeile „Keep that in mind, I designed this rhyme“ in die Beschichtung des Holztisches ritzt. Der mehrfach zurückgestufte Gallagher sitzt derweil in der letzten Reihe und zückt während der Religionsstunde das bereits dritte Dosenbier unter der Windbreaker hervor. Sein Bruder Noel sitzt vom vorherigen Faustkampf auf dem Schulhof zerfressen wortlos mit einer Tüte Vanillemilch daneben. Es sollte nicht der letzte Streit sein. Die zu erledigende Strafarbeit bekam er dafür, dass er sich weigerte, während der Ethikstunde die Kapuze abzuziehen, aus der ziemlich treffsicher recht gottlose Kommentare zu kommen schienen.

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Alles, woran ein Tom DeLonge jemals beteiligt war, hatte nie etwas zu tun mit dieser zeitgemäßen „Alter, wie hoch kriegste dein Bein denn heute?“-Konzert-Mentalität. Da wurde im Idealfall – wenn’s denn besonders gut lief – eben nur frontal in Herzen getreten. Und eben dieser beachtliche und künstlerisch zugleich effektive Move, der im Angesicht des Zeitgeists mehrerer Generationen stets bleibenden Eindruck hinterließ, gelang DeLonge, Barker und Hoppus mit „ONE MORE TIME…“ bereits letztes Jahr.

Und neben den beiden bereits bekannten Bonus-Songs „Cut Me Off“ und „See You“ entstammen auch die acht nun in Szene gesetzten Kompositionen der Spanne 2022 bis 2024. Und wie stellt sich die Krönung der offensiven Bonifizierung künstlerischen Schaffens letztlich dar? Als schlichtes Ärgernis für Freunde physischer Tonträger, die nun erneut zur Kasse gebeten werden? Als Resterampe der letztjährigen Veröffentlichungsarie oder aber als eine in Schleifchen verpackte musikalische Offenbarung?

WEIß DIE SINGLE-ERÖFFNUNG VON BLINK-182 ZU ÜBERZEUGEN?

Es verhält sich wie im richtigen Leben: Die Wahrheit findet sich ziemlich genau in der Mitte. Die erste Single „All In My Head“ unterstreicht im direkten Vergleich zum 2023er Output die zeitliche Nähe des Entstehungsprozesses, haben wir es hier doch mit einem Songkonstrukt zu tun, das sich denkbar gut in das ureigene Album einfügt. Wäre da nicht das Gefühl, etwas Entscheidendes würde dem Song abgehen. Lässt die Bridge noch auf einen fulminanten Refrain hoffen, so schleicht dieser in Hinsicht auf sein Soundgewand doch recht dünnhäutig und ohne bleibenden Eindruck am Hörer vorbei. Was zur zünftigen Eskalation fehlt, ist schlicht eine komplette Gitarrenspur, die dem Ganzen zu weit mehr Bombast und Schmiss verholfen hätte. Fast schon könnte man meinen, DeLonge habe beim Gedanken an Stargazing versehentlich vergessen, sein Distortionpedal zu bedienen. In Summe ist zwar dabei zwar eine recht organisch wirkende Produktion entstanden, Blink bleiben bei der Single-Eröffnung jedoch ganz klar hinter ihren Möglichkeiten. Klar, das wirkt schon bodenständig und erinnert in seiner gesamten Machart recht stark an die Skiba-Ära, außer einer sehr schemenhaft wirkenden Erinnerung bleibt da jedoch nicht viel.

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Mit „No Fun“ machen die US-Amerikaner vieles richtiger. Nach einer fast schon kirchlich anmutenden Eröffnung nimmt DeLonge rein lyrisch die Vogelperspektive ein und schaut zurück auf die Neunziger. Melodiös ist das bedeutend griffiger und setzt sich direkt fest, auch wenn wir es in diesem Fall zweifelsfrei mit keinerlei künstlerischem Geniestreich zu tun bekommen. Nichtsdestoweniger gelingt es dem Trio auch hier, den Kopf irgendwie über Wasser zu halten, sodass die Luftzufuhr – zumindest in künstlerischer Hinsicht – weiterhin gesichert ist.

EINE STARKE EINZELLEISTUNG

„Can‘t Go Back“ besticht wiederum durch die für Angels & Airwaves so typische, latent quasi hinter jeder Akkordfolge versteckte Epik und scheint Hoppus von DeLonge auf den Leib geschrieben zu sein. Welch eine einfach gehaltene wie prachtvolle Bassline das doch ist. Und obendrein punktet DeLonge durch seine in Chorus getränkten U2-Gitarrenverweise.

„Every Other Weekend“ ist im Zusammenspiel von Bass und Gitarre knietief im Powerpop verwurzelt und in seinem klaren Aufbau von unsäglich schöner wie anmutiger Natur. Diese, genau diese Melodie wird man zweifelsfrei auch in zehn Jahren noch im Radio hören, ohne dass dieser Song auch nur in Ansätzen angestaubt klingen würde. Klar erkennbar ist, dass MT&T am Vorabend des Entstehungsprozesses dieses Songs einen ganz gewaltigen Schluck The Cure aus der Pulle genommen haben. Recht so!

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BLINK-182 HÄNGEN MUSIKALISCH KURZ DURCH

„Everyone everywhere“ gleicht einer in Retro-Keys getauchten Mittelpracht, die in Sachen Ideenreichtum nicht sonderlich zu punkten weiß und ohne Umschweife als allenfalls hörenswerte Spielerei abgetan werden kann. Hoppus kann einem gesanglich in diesem Pet Shop Boys-Korsett fast schon leidtun. Das folgende „If You Never Left“ ist dann quasi die Blaupause eines grundbodenständigen Pop-Punk-Songs, der derart unprätentiös daher kommt, dass man sich vorkommt, als würde man es hier in musikalischer Hinsicht mit Malen nach Zahlen zu tun bekommen, und das auch nur bis zur nicht gerade anspruchsvollen Zehnerreihe.

PATHETISCH GEHT ES ÜBER DIE ZIELLINIE

Zum tosenden Abschluss ist „Take Me In“ eine vor Pop-Pathos nur so triefende Hymne zum Abschluss, von der man beim Hören fast schon meinen könnte, sie habe auf „ONE MORE TIME…“ bis dato tatsächlich noch gefehlt. Bei aller fehlenden Raffinesse und allem fehlenden künstlerischen Anspruch, den man Blink hier wie dort bei reiner Böswilligkeit attestieren könnte, trägt ein Song wie dieser eine ganz, ganz große Symbolik in sich. Und auch hier zeigt sich bei aller songschreiberischer Bodenhaftung die unbestreitbare Einzigartigkeit dieser Band. Eben dieser Song vermag den Hörer binnen der Sekunden des beginnenden Refrains um ganze zwei Dekaden in die Vergangenheit zu katapultieren. Genau das macht diese unsere Welt schlicht und ergreifend doch so viel besser.

Und da ist er. Dieser eine Moment, in dem die Spotlights allein auf diese drei Menschen gerichtet sind und für ein paar Sekunden alles außer eben dieser, genau dieser Melodie nur noch ganz schemenhaft vorhanden, wenn nicht gar vollends vergessen ist.

Foto: Blink-182 / Offizielles Pressebild

ALBUM
ONE MORE TIME.. PART-2
Künstler: Blink-182

Erscheinungsdatum: 06.09.2024
Genre:
Label: Columbia Recrods
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. ANTHEM PART 3
  2. DANCE WITH ME
  3. FELL IN LOVE
  4. TERRIFIED
  5. ONE MORE TIME
  6. MORE THAN YOU KNOW
  7. TURN THIS OFF!
  8. WHEN WE WERE YOUNG
  9. EDGING
  10. YOU DON’T KNOW WHAT YOU’VE GOT
  11. BLINK WAVE
  12. BAD NEWS
  13. HURT (INTERLUDE)
  14. TURPENTINE
  15. FUCK FACE
  16. OTHER SIDE
  17. CUT ME OFF
  18. SEE YOU
  19. CHILDHOOD
  20. NO FUN
  21. ALL IN MY HEAD
  22. CAN’T GO BACK
  23. EVERY OTHER WEEKEND
  24. EVERYONE EVERYWHER
  25. IF YOU NEVER LEFT
  26. ONE NIGHT STAND
  27. TAKE ME IN
Blink-182 One More Time... Part 2
Blink-182 One More Time... Part 2
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FAZIT
Und natürlich - Songs wie „No Fun“ und „ All In My Head“ sind musikalisch-gesellschaftlich betrachtet das „Vamos A La Playa“ der im Mittelstand verendeten Gegenbewegung. Und mit Blink-182 verhält es sich letzten Endes gefühlt so wie mit alten Freundschaften. Die eigene Lebenswelt wird gestützt und bereichert, einige wenige Sätze vermögen auch nach langer Zeit die Uhren um ganze Jahre zurück zu drehen.

Und selbst bei gerade mal mittelprächtig überraschender Regentschaft sind Blink-182 immer noch bedeutender, ja, eben einzigartiger als eine Vielzahl aller derzeit tätigen Genregenossen. Und das auch heute noch - from the east to the very, very west.