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Kritik: Beach Bunny - "Emotional Creature"

Mittlerweile dürften es wirklich alle verstanden haben: Die 2000er sind wieder da und feiern in der Rockmusik ein großes Revival. ...

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Mittlerweile dürften es wirklich alle verstanden haben: Die 2000er sind wieder da und feiern in der Rockmusik ein großes Revival. Während sich der Fokus dabei größtenteils auf alles richtet was aus der Pop-Punk-Ecke kommt, wird fast schon ignoriert, wie auch Indie und Emo eine kleine Zeitreise machen. Artists wie Snail Mail, The Beths oder Soccer Mommy schmeißen dabei zur Inspiration wahrscheinlich nicht nur 20 Jahre alte Platten an, sondern ziehen sich auch auf Netflix wieder die guten Dramedy-Serien um Scrubs, O.C. California und Co. rein.

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Auch die aus Chicago stammende Band Beach Bunny mischt ganz vorne bei diesem Trend mit. Wenn der Hauptcharakter in den Sonnenuntergang fährt und über das in der Folge Geschehene nachdenkt; genau dann würden sich wahrscheinlich gleich eine ganze Handvoll an Songs des Quartetts anbieten um dies musikalisch zu untermalen. Falls bei euch die Nostalgie-Alarmglocken angehen, kann ich euch direkt beruhigen. Denn als reiner Abgesang auf ein vergangenes Jahrzehnt ist “Emotional Creature” – der zweite Langspieler der Band – definitiv nicht einzuordnen.

Hohe Erwartungen durch starkes Debüt

Beach Bunny haben sich bereits eine treue Fanbase aufgebaut und schafften es mit ihrem ersten Album “Honeymoon” (2020) zudem auch Kritiker*innen weltweit zu verzaubern. Das Beeindruckende daran: Die US-Amerikaner*innen brauchten lediglich 25 Minuten Musik aufgeteilt in neun Songs, um ihre ganze Bandbreite abzudecken. Sowohl punkige Nummern wie “Promises” oder “Cloud 9”, als auch verträumte Emo-Hymnen wie “April” blieben dabei nachhaltig im Kopf. Viele ihrer Stärken nehmen Beach Bunny auch mit auf “Emotional Creature” – packen diese aber in ein anderes Gewand.

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Im Vergleich zum Vorgänger ist dieses ein ganzes Stück glatter produziert und lässt die Ecken und Kanten von “Honeymoon” ein wenig vermissen. Dieser Sound Shift in Richtung Pop und weiter weg vom Punk äußert sich vor allem bei den Drums, die sehr ausproduziert und nicht mehr so roh klingen. Zudem fällt gleich beim Opener “Entropy” auf, dass Sängerin Lilli Triflio sehr weit vorne im Mix platziert ist und so vom Rest stark separiert wirkt. Die sich daraus resultierende Aufdringlichkeit zieht sich leider durch das ganze Album durch und schmälert den Höreindruck zusätzlich.

Beach Bunny spielen ihre Stärken aus

Musikalisch bewegen sich Beach Bunny ziemlich sicher zwischen Indie und Emo. Songs wie “Entropy” oder “Love Song” gehen dabei am stärksten in die 2000er-Pop-Rock-Hymnen Richtung. Vor allem Ersterer schafft es sich durch einen ohrwurmartigen Chorus gefolgt von einer starken Lead-Gitarre direkt in den Kopf einzubrennen. Das als Lead-Single veröffentlichte “Oxygen” kommt ein wenig punkiger daher und zeigt die Chicagoer*innen genau in ihrer Komfortzone. Dabei bestechen sie vor allem im letzten Drittel durch sehr klug eingesetzte Tempowechsel.

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In der ersten Hälfte des Albums halten sich Beach Bunny größtenteils in diesem Bereich auf und brechen nur selten durch kleine Surf Rock-Anleihen (“Deadweight”) oder verspielte Gitarrensoli (“Gone”) aus ihren sehr klaren Strukturen aus. Erst in der zweiten Hälfte – die durch das Sci-Fi-esque Interlude “Gravity” eingeleitet wird – traut sich die Band bei Songs wie “Scream” oder im Outro vom “Love Song” auch Synths einzusetzen und so für etwas mehr klangliche Vielfalt zu sorgen. Besonders gelungen ist dabei witzigerweise das viel zu kurze “Infinity Room”, das mit einer reichen Instrumentierung und einer träumerischen Atmosphäre glänzen kann.

Wie aus einem Gedichtband

Durchweg überzeugen können Beach Bunny aber vor allem auf lyrischer Seite. Mit Themen wie Liebe, Beziehungen, Ängsten und dem Leben als Mittzwanzigerin mögen sie zwar in fürs Genre bekanntem Terrain unterwegs sein, verzichten aber auf das obligatorische “I feel like shit” und verpacken ihre Inhalte zutiefst poetisch. “I’m tired of being anxious, broken, choking on my tears. I let the same old problems steal away my years.” Sängerin Lilli Triflio selbst beschreibt das Album als eine Sammlung der verschiedensten emotionalen Erfahrungen.

Leider kann “Emotional Creature” am Ende nicht mit seinem großartigen Vorgänger mithalten. Zum einen, weil es ein ganzes Stück durchkalkulierter wirkt und nicht mehr die gewisse Spontanität vom verspielten “Honeymoon” ausstrahlt. Dies ist an der Stelle definitiv der glatt polierten Produktion geschuldet, die der Band fast schon ihren Charme raubt. Zum anderen wäre da noch die relativ schmale Bandbreite, auf der sich Beach Bunny nun bewegen. Gerade die erste Hälfte lässt trotz des starken Einstiegs ein wenig Abwechslung vermissen.

Vergleicht man die Chicagoer*innen nochmal mit den eingangs erwähnten Genrekolleg*innen, so muss man zudem feststellen, dass all diese Bands ein wenig entschlossener in ihre letzten Alben gestartet sind. Während Snail Mail sich generell experimenteller und die Beths progressiver zeigen, schafft es beispielsweise Soccer Mommy ihren etablierten Dream Pop-Sound auch in düsterere Gefilde zu führen. Vielleicht sind es ihre außergewöhnlichen Elemente, die Beach Bunny ein wenig mehr in den Vordergrund rücken könnten um mit ihrem Songwriting ein klareres Statement zu setzen.

Foto: Alec Basse / Offizielles Pressebild

Beach Bunny News

ALBUM
Emotional Creature
Künstler: Beach Bunny

Erscheinungsdatum: 22.07.2022
Genre: , ,
Label: Hart Musik
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Entropy
  2. Oxygen
  3. Deadweight
  4. Gone
  5. Eventually
  6. Fire Escape
  7. Weeds
  8. Gravity
  9. Scream
  10. Infinity Room
  11. Karaoke
  12. Love Song
Beach Bunny
Beach Bunny
6.5
FAZIT
Beach Bunny melden sich mit ihrem zweiten Langspieler zurück und haben dabei leider ihren rohen und ungeschliffenen Sound eingebüßt. Im Vergleich zu ihrem brillanten Erstling geht die Band dabei sehr auf Nummer sicher und hält sich im Bezug aufs Songwriting in einem relativ engen Bereich auf. “Emotional Creature” mag zwar ein wenig zu glatt daherkommen, ist aber am Ende eine solide Indie/Emo-Platte, die vor allem Fans des Genres eine Freude bereiten wird.

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