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Kritik: A Day To Remember - "You're Welcome"

Wir schreiben das Jahr 2021 und in nur wenigen Tagen bringen A Day To Remember ihr nunmehr siebtes Studioalbum „You’re ...

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Wir schreiben das Jahr 2021 und in nur wenigen Tagen bringen A Day To Remember ihr nunmehr siebtes Studioalbum „You’re Welcome“ auf den Markt. Rund viereinhalb Jahre liegen zwischen ihrem letzten Album “Bad Vibrations” und dem jetzt neu erscheinenden Record, auch wenn es ursprünglich wesentlich früher erscheinen sollte, musste aufgrund verschiedenster Gründe aber mehrfach verschoben werden.

Nun hat das Warten aber ein Ende. In den vergangenen Wochen und Monaten hat uns die Band bereits einen Vorgeschmack darauf gegeben, was uns bei dieser Neuerscheinung erwarten wird.

Daraufhin musste die Band aus Florida bereits viel negative Kritik ihrer alteingesessenen Fans einstecken. Die Bedenken, die Truppe um Sänger Jeremy McKinnon würde ein rein elektronisches Album veröffentlichen, nahm vor allem nach der Bekanntgabe mit ihrer Zusammenarbeit mit DJ Marshmello auf dem Song „Rescue Me“ immer mehr zu.

Was ich vom neuen Album halte und inwieweit ich das bestätigen oder sogar das komplette Gegenteil beweisen kann, werdet ihr in den folgenden Zeilen erfahren. Soviel vorweg: Es wird ein turbulenter Ritt.

A Day To Remember: Viel Elektronik oder alte Härte?

Das Album startet mit dem bereits bekannten Song “Brick Wall”. Wir beginnen also mit richtig viel Energie, offenen Gitarren und Tempowechseln auf “You’re Welcome”, was auf jeden Fall erstmal eine ordentliche Ansage ist. Zuletzt mussten ADTR sich vor allem zu diesem Track viel Kritik anhören, weil er für viele zu wild und hektisch ist. Je öfter ich ihn aber gehört habe, desto besser finde ich ihn mittlerweile, auch wenn die Dynamik in dem Song zugegebenermaßen sehr anstrengend sein kann.

Wüsste ich es nicht besser, wäre ich felsenfest davon überzeugt gewesen, diesen Song nicht als Opener sondern am Ende des Albums zu hören. Die verzerrten Gitarrensounds, das Scheppern der Becken und Quietschen der Boxen rufen direkt Bilder einer totalen Zerstörung auf der Bühne nach einer Show ins Gedächtnis und man könnte meinen “Das war’s”.

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Stattdessen wird diese “Rockband auf Wacken”-Energie nicht weiterverfolgt, vielmehr übersetzt sie sich in Form von dem ebenfalls bekannten, poppigeren Track “Mindreader”. A Day To Remember sind nicht unbedingt für komplexes Songwriting bekannt, doch hier muss ich gestehen, dass mir gerade die Lyrics hier fast zu einfach sind. Sie sind nicht gerade das, was ich als typischen ADTR-Text beschreiben würde und hätten auch von jeder anderen Band geschrieben sein können. Der Song an sich ist okay. Sehr offen, sehr clean, gerade der Gesang und Parts, die das Publikum abholen sollen, zu klatschen und zu singen.

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Gerade diesen “Clap-Part” behalten wir im nächsten Track auf der Liste “Bloodsucker” bei. Durch die kurz gezupften Saiten der Gitarre versprühen A Day To Remember hier einen Hauch von Spanien und Flamenco-Sound, möchte ich fast sagen, wodurch ich den Track zunächst nicht einordnen kann. In der Bridge und im Refrain nimmt er dann doch etwas Fahrt auf und gewinnt durch einen treibenden Drum-Beat und Jeremys Shouts mehr an Härte. Nichtsdestotrotz bleibt “Bloodsucker” für mich ein Track, mit dem sie experimentiert haben – die Vocals sind phasenweise mit elektronischen Effekten verzerrt worden und ein Trap-Beat ist spätestens im Outro eindeutig wahrzunehmen.

Was dann folgt, damit habe ich auch erstmal nicht gerechnet. “Last Chance To Dance”, was erstmal klingt, wie ein Stück aus Tanz der Vampire, entpuppt sich als kleines Hardcore-Brett auf der Scheibe. Riff und Beat, die man so auch bei Knocked Loose hören könnte, wurden hier perfekt in klassischer ADTR-Manier verpackt und weiterverarbeitet. Es wird einmal mehr verdeutlicht, wie groß die Range von Jeremys stimmlichen Können ist – von tiefem Growl über eindringende Shouts bis hin zu melodischem Gesang ist hier alles dabei. Natürlich bedarf es hier einem fetten Breakdown, der wohl das Herz eines jeden Hardcore-Fans höherschlagen lässt.

Was mir bis hierhin auffällt, ist dass die Songs alle durch viel Background-Chor und offene Gitarren allgemein sehr offen und hallig komponiert sind. Ich kann an der Stelle schon verraten, dass sich das über das restliche Album so weiterzieht. Sowas ist natürlich optimal, wenn man überlegt, in was für Hallen ADTR mittlerweile spielen und lässt mutmaßen, dass es darüber hinaus noch wesentlich größer werden darf.

Mit “Fuck You Money” und “High Diving” sind wir zu 100% in der Alternative-Schiene angekommen. Würden The 1975 oder Panic! at The Disco diese performen, würde ich es ihnen absolut abkaufen, dass sie von ihnen geschrieben wurden. Shouts, Growls und harte Riffs werden hier komplett außen vorgelassen. Offener Sound der Gitarren, poppige Drums und durchweg cleaner Gesang machen sich hier breit.

Hierdurch bestätigt sich auch einmal mehr mein Gedanke, den ich zuvor beschrieben habe: Durch Songwriting wie diesem wird natürlich eine wesentlich größere Zielgruppe erreicht und die Chance auf große Arenen-Tourneen wird immer wahrscheinlicher.

ADTR auf den Spuren der 2000er

Wir sind mit “Resentment” bei der Hälfte des Albums angelangt. Dieser kam, soweit ich das verfolgen konnte, sehr gut bei den A Day To Remember-Fans an, weil er die alten, härteren Seiten der Band nochmal zum Vorschein bringt. Auch für mich ist er definitiv bei der starken Songs der Platte einzuordnen.

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Bei dem folgenden “Looks like Hell” erscheint es mir durch das eingespielte Piano wie ein Stück von Linkin Park. Nur vermisse ich auch hier wieder die Shouts und Growls von Jeremy, vielmehr bewegen wir uns auch hier im alternativen Stadion-Rock.

“Is this Blink 182?” möchte man fast sagen beim neunten Track “Viva La Mexico”. Uns erwartet hier Pop-Punk und College-Rock vom Allerfeinsten. Der Aufbau und die Dynamik sind hier gut gemacht – gedämpft angeschlagene Gitarrensaiten in den Strophen, ein Trommelbeat wie von einem Football Orchester in der Bridge und ein eingängiger Refrain mit coolen Hooks versprühen den geliebten “American Pie”-Vibe. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass dies ein neuer ADTR-Partyhit wird und die Crowd bei den Shows ordentlich dazu feiern wird.

“Only Money” ist einer diesen Songs, den man guten Gewissens auch mal der Familie vorspielen kann. Auch hier finden wir erneut einen durchweg cleanen Gesang von Jeremy vor, begleitet von viel Background-Chor, durchgehendem elektronischem Bass-Beat und nur dezent eingesetzten Gitarren – kurz um eine solide Pop-Ballade, die mich und mit Sicherheit die Zartbesaiteten unter uns glücklich macht. Ein emotionaler Song, die Lyrics wirken ehrlich und Jeremy singt sich direkt in die Herzen seiner Zuhörer:innen.

Es folgt “Degenerates”, ein ebenfalls bereits veröffentlichter Track. Ich habe ihn mir nun schon mehrfach angehört, aber so viele Chancen ich ihm auch gebe, er erreicht mich einfach nicht. Er schwebt irgendwo zwischen totaler Belanglosigkeit und infantilem Verhalten, wenn man einen Song so beschreiben kann. Es passiert nichts Spannendes bei den Gitarren und der Versuch, durch den Four Years Strong-artigen Breakdown nochmal etwas Härte mit reinzubringen, bleibt für mich auch nur ein Versuch.

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Das gelingt im folgenden “Permanent” deutlich besser. Auch hier hat es wieder einen Hauch von Linkin Park durch die durchgehenden Akzente auf der Gitarre. Der Song baut von der ersten Sekunde an eine zunehmende Spannung und Energie auf, die immer intensiver wird und sich in einem hektisch wirkenden, aber brachialen Breakdown mit eindringendem Growl entlädt.

Einen weitere Alternative-Rutsche, erneut vergleichbar mit Blink 182, wir uns noch einmal mit “Reentry” geboten. Hier fällt einmal mehr der Background-Chor mit seinen “Bap bap bap”-Gesängen auf, wodurch der Song einen späten 90er/Anfang 2000er-Vibe bekommt.

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Das Schlusslicht der Platte bildet “Everything We Need”, ein sehr offener und einnehmender Song. Man kann sich jetzt schon vorstellen, wie dieser Song live performt wird: Jeremy sitzt mich seiner Akustikgitarre auf einem Hocker, lediglich ein Spot ist auf ihn gerichtet, die Menge steht mit Feuerzeugen und Handy-Lichtern da und schunkelt im Rhythmus mit. Ein guter Song, um nochmal ordentlich das “Wir-Gefühl” zu vermitteln und dieses Album ausklingen zu lassen.

Foto: Jimmy Fontaine / Offizielles Pressebild

ALBUM
You’re Welcome
Künstler: A Day To Remember

Erscheinungsdatum: 05.03.2021
Genre: ,
Label: Fueled By Ramen
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. Brick Wall
  2. Mindreader
  3. Bloodsucker
  4. Last Chance To Dance (Bad Friend)
  5. F.Y.M.
  6. High Diving
  7. Resentment
  8. Looks Like Hell
  9. Viva La Mexico
  10. Only Money
  11. Degenerates
  12. Permanent
  13. Re-Entry
  14. Everything We Need
A Day To Remember You're Welcome
A Day To Remember You're Welcome
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FAZIT
A Day To Remember versuchen sich treu zu bleiben, sind aber auch sehr ambitioniert, viel Neues auszuprobieren. Ich kann die oben genannten Befürchtungen zu großen Teilen nicht bestätigen - es wird elektronischer, es bleibt aber auch genügend Platz für Gitarre, Bass und Schlagzeug. Man erkennt, was sie damit erreichen wollen: Große Arenen füllen und noch mehr Menschen erreichen. Die Alternative-Schiene wird mit diesem Album komplett bedient und man fragt sich stellenweise zurecht “Was hat das noch mit A Day To Remember zu tun?”.

Es ist nicht so, dass die Qualität der einzelnen Songs dadurch grundsätzlich schlecht ist – man muss versuchen, zu vergessen, was die Band musikalisch für einen Hintergrund hatte und dass sie in ihrem Entwicklungsprozess an den Punkt gelangt sind, neue Wege einzuschlagen und andere Genres für sich interpretieren zu wollen

Der ein oder andere Song ist für mich ein absoluter Totalausfall, nichtsdestotrotz hat das Album für mich auch viele wirklich starke Parts. Auch wenn ich mir öfter die alte Härte und mehr Core gewünscht hätte, so stören mich diese neuen “Experimente” nicht, ganz im Gegenteil. Ich bin gespannt wo diese sie in ihrer Karriere noch hinführen werden.