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Über ein Jahr ohne „Normalität“: Livestreams, Abstandskonzerte und Melancholie

Ein Fan-Kommentar zur Pandemie und der Szene.

VON AM 05/08/2021

Ja schon klar, dieses Wort, das mit „C“ beginnt, nervt mittlerweile einfach nur noch und auch ich kann es echt nicht mehr hören. Doch solange es nur bei „nervig“ bleibt und diese Pandemie keine existenziellen Auswirkungen auf mein Leben hat, habe ich wirklich Glück gehabt. Anders geht es den Menschen, die uns regelmäßig mit großen Veranstaltungen, Konzerten und Liveevents versorgen.

In unserer Reihe „Stillstand? – Eine Szene in der Pandemie“ haben wir uns in den letzten Wochen mit den unterschiedlichen Akteuren der Veranstaltungsbranche ausgetauscht, um zu erfahren, wie es ihnen im letzten Jahr ergangen ist. Natürlich kamen wir dabei auch darauf zu sprechen, wie man weitermacht, wenn man nicht weitermachen kann. Häufig viel dabei das Stichwort „Livestream“ oder „Ersatz“ oder „Überbrücken“. Der Tenor war immer der gleiche: Durchhalten, Hoffnung nicht verlieren und Zusammenhalten. Neben Kritik an der Politik ging es in unseren Interviews auch um Fans. Da kam in mir die Frage auf: „Wie finde ich das Alles eigentlich, so als Fan?“

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Ein Jahr ohne Livemusik

Als das Ganze los ging, war ich der festen Hoffnung, dass das alles schnell wieder vorbei sein würde und ich meinen Sommer wie gewohnt auf den Festivals verbringen könnte. Einsicht und Ernüchterung kamen schnell.

Anstatt verschwitzt und übermüdet mit einem überteuerten Bier vor einer Bühne zu stehen, habe ich das erste Konzert dieses Sommers in meinem Wohnzimmer verbracht. Auf der Couch, vor dem Fernseher. Und ich bin sicherlich nicht die Einzige, die sich das alles ganz anders vorgestellt hat. Da war er nun, mein erster Livestream. Trivium – A Light or a Distant Mirror. Ich war sehr skeptisch und so richtige Konzertstimmung war nicht vorhanden. Aber gut, ich habe mich darauf eingelassen und zu meiner Überraschung, hat mich dieser Livestream überzeugt und mitgerissen. Den Bericht dazu findet ihr hier. Aber damit blieb mein erster Livestream auch irgendwie das Highlight, denn alles was folgte konnte da nicht mehr mithalten.

Im Laufe des Jahres kamen etliche weitere Liveshows dazu und wenn gerade mal kein interessanter Stream zur Hand war, habe ich hin und wieder auch mal Livemitschnitte angeschaut, bei denen ich damals selbst vor der Bühne stand. Die alten Gefühle kamen wieder hoch, aber irgendwie kam da auch immer Melancholie mit auf. Also blöde Idee und schnell wieder ausgemacht.

Für diesen Kommentar habe ich mal die Historie auf unserer Website durchsucht. Wir bei MoreCore.de haben uns im letzten Jahr knapp 35 mal vor den Stream gesetzt und Live(stream)berichte für euch verfasst. Zugegeben, ich habe nicht alle gelesen aber der Tenor scheint ähnlich zu sein: Livestreams sind halt einfach nicht so geil.

Livestream als Konzertersatz?

Wie überzeugend Livestreams sind, zeigten schon die Antworten der Künstler selbst. Auf die Frage, ob man denn auch selbst mal einen Livestream geschaut hätte, kam häufig eine Antwort wie: „Also ja, ich hab‘ da mal reingeguckt, aber das war nichts für mich.“ oder „Nein, ehrlich gesagt nicht.“ (Falls euch das interessiert, schaut euch gerne unsere Bandinterviews zum Thema an) Also ehrlich: Ist ja schön, wenn sich Bands die Mühe machen einen Stream für ihre Fans auf die Beine zu stellen, doch wenn sie nicht mal selbst einen Livestream anschauen, warum sollten es dann auch ihre Fans tun?

So richtig überzeugt scheint da niemand zu sein und das zeigt ja auch, dass es sich eigentlich nur um eine Notlösung handelt, denn irgendwie muss man sich selbst und die Fans ja bei Laune halten, um der Langeweile zu entfliehen oder wenigstens ein bisschen Geld reinzukriegen. Denn in Zeiten von Spotify und Co. sind Konzerte und Shows die Haupteinnahmequelle der Bands und wenn das wegbricht, dann kriegt es so manch einer mit der (Existenz)-Angst zu tun.

Immerhin gab es dann noch diese „Abstandskonzerte“ am Biertisch, auf der Picknickdecke oder im Strandkorb. Zum Glück! will ich an dieser Stelle betonen. Die Atmosphäre war sicherlich nicht dieselbe, aber eine andere, die auch schön war und als Alternative zum Livestream deutlich besser. Das stellt sicherlich niemand in Frage – behaupte ich jetzt einfach mal.

Liveshows jetzt – Ja oder Nein?

Und dann sind da seit einiger Zeit diese Bilder, die uns hier in Deutschland erreichen. Von Konzerten in den USA vor Publikum und von richtigen Festivals aus Großbritannien. Und wir? Schauen immer noch, im wahrsten Sinne des Wortes, in die Röhre. Dabei gab es Möglichkeiten. Wie uns der Marketingmanager des Summerbreeze im Interview ausführlich erläutert hat – Infos dazu findet ihr hier – scheiterte es nicht unbedingt an den passenden Hygienekonzepten.

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Doch so sehr ich mir Livekonzerte wünsche, stelle ich mir aktuell auch häufig die Frage, ob, wenn ich die Möglichkeit hätte, überhaupt hingehen würde. Bin ich da die einzige oder geht es einigen von euch ähnlich? Eine gewisse Verunsicherung bleibt. Zumindest bei mir und zumindest aktuell noch. Eure Meinung würde mich da echt mal interessieren.

Für diejenigen, die jetzt mit voller Überzeugung „JA“ brüllen, gibt es nun auch hierzulande erfreuliche Neuigkeiten. Einige Festivals verkleinern sich in diesem Jahr, um den Auflagen entsprechen zu können und alle Maßnahmen einzuhalten. Und auch für uns gibt es in diesem Sommer noch die Möglichkeit echte Livemusik, mit einem echten Publikum, vor einer wahrhaftigen Bühne zu sehen, ohne sich an Abstandsregeln halten zu müssen oder aufzupassen, den zugewiesenen Quadratmeter bloß nicht zu übertreten.

Und wie geht es jetzt weiter?

Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Woher soll das überhaupt jemand wissen, wenn sich ständig alle Regelungen ändern und das Planen nahezu unmöglich wird. Das ist es zumindest, was uns die Veranstalter zurückgemeldet haben.

Alles was uns bleibt ist das Einhalten von Regeln, das Hoffen auf die schnelle Rückkehr zur Normalität und Solidarität untereinander. Und da sind wir doch aktuell auf einem guten Weg.

Aber eins können wir auch jetzt schon mit Sicherheit festhalten: Livestreams sind kein Ersatz – waren es nie und werden es nie sein.

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

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