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Kritik: Turnstile – „Time & Space“

„Wisst ihr noch, damals? Ja, damals. Da war alles besser!“ Gerne schwelge ich in der Musik meiner Jugend und vergieße ...

VON AM 26/02/2018

„Wisst ihr noch, damals? Ja, damals. Da war alles besser!“ Gerne schwelge ich in der Musik meiner Jugend und vergieße eine Freudenträne. Ob es „Somewhere I Belong“ von Linkin Park, „Sour“ von Limp Bizkit oder gar „Africa“ von Toto ist. Gut, letzteres ist vielleicht nicht ganz korrekt, da ich aktuell 25 Jahre alt bin und bei seinem Erscheinen nicht einmal ein Gedanke meiner Eltern war. Und trotzdem sollte man dem Internet glauben, spiegelt „Africa“ das Gefühl von Nostalgie wieder.

Für viele ist dies der Sound der 80er und die erfreuen sich wieder großer Beliebtheit. Retro ist Teil der aktuellen Popkultur: Ob die stetig wachsende Synthwave-Szene, die Ästhetik in Film, TV und Games oder viel spezieller die 80er-Remakes von aktuellen Pop-Songs. Doch was hat das mit der Band Turnstile zu tun hat? Nun, neben den Genre-Kollegen Backtrack, Angel Du$t und den Jungs von Slope liefern sie den Hardcore-Sound der 90er und späten 80er im Gewand einer aktuellen Produktion und setzen genau auf dieses „Retro-Feeling“.



Angefangen mit ihrer EP „Pressure to Succeed“, die 2011 via Reaper Records veröffentlicht wurde, schlugen sie bereits damals große Wellen innerhalb der Underground-Szene. Nach der darauffolgenden EP „Step 2 Rhythm“, macht sie ihr Debüt-Album „Nonstop Feeling“ zu einem beliebten Gast auf Festivals wie Ieperfest, dem legendären „This Is Hardcore“ oder auch dem Vainstream.

Ihr eigener Mix aus der Leichtigkeit des kalifornischen Punkrock und der groovigen Härte des NYC-Hardcores findet sich so aktuell kein zweites Mal auf der Welt, und sicherte Turnstile vor kurzem einen Plattendeal bei renommierten Metal-Label Roadrunner Records. Darüber erschien am Freitag, dem 23.02. ihr neues Album „Time & Space“ und verspricht die bewährte Turnstile-Formel. Ob sich der Longplayer auch nach kurzer Zeit in die Köpfe der Fans eingroovt oder sich in der Unendlichkeit des Weltalls verliert, erfahrt ihr hier.

Turnstile bitten zur Reise in die Vergangenheit

Der erste Flug durch das 13 Song Album hört sich für Fans wie ein alter Bekannter an und trotzdem zeigt sich jetzt schon jeder Song mit seinem eigenen Charakter. Hier und da gibt es kleine Spielereien wie eine Synthie oder verschiede Vocal-Effekte. Trotzdem verlieren Turnstile zu keinem Zeitpunkt den Bezug zum Hardcore-Punk. Auch der Sound ähnelt stark dem Vorgänger „Nonstop Feeling“, wirkt aber im Gesamten wesentlich ausgereifter.

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Mit dem Song „Real Thing“, welcher bereits als Single samt Video ausgekoppelt wurde, ist “2-Step” bereits zu Anfang der LP Pflicht. Der Intro-Riff trägt einen durch den ganzen Song, während die Drums um ihn herumspielen. Die Vocals von Sänger Brendan Yates sind energisch und geben den ganzen Song, neben den treibenden Drums, die nötige Energie. Ein kurzer aber knackiger Einstieg in „Time & Space“, der Fans als auch Neulinge auf den Kurs bringt.

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„Big Smile“ und „Generator“ behalten genau diesen Kurs bei. Knackiges Instrumental, welches sich nicht an großen Experimenten aufhält und trotzdem mit ein paar netten Spielereien das simple Grundgerüst interessant gestaltet. Die Vocals fliegen einem im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren und treiben die Horde im imaginären Circle Pit an.

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Nach einem verwirrenden Moment durch das Interlude „Bomb“ geht es mit „I Don’t Wanna Be Blind“ weiter, der ebenfalls als Single vorab ausgekoppelt wurde. Anders als bei den drei Songs zu Beginn des Albums gehen Turnstile die Sache hier etwas ruhiger an. Die Gitarren und der Bass legen ein lockeres Riffing hin, auf dem sich Drummer „D-Fang“ locker, aber nicht zu aufgeregt, ausbreitet. Auch hier keine großen Experimente beim Songwriting, aber kleinere Besonderheiten bei Effekten und Sounds, die dem Song die nötige Abwechslung bieten.

Nach dieser kurzen Verschnaufpause geht es mit „High Pressure“, „(Lost Another) Piece Of My Worlds“ und „Can’t Get Away“ zurück in das Hardcore-Power-House. Ein Wechsel aus treibenden Beats, offenem Riffing, einer Menge Groove und den obligatorischen „Side To Side“-Parts machen alle drei Songs mehr als tauglich für die kommenden Live-Shows der fünf Jungs aus Baltimore. Auffallend ist das Piano in „High Pressure“, welches mit Achtel-Akkorden in der Bridge des Songs auftaucht und dem Song ein Rock’n’Roll Gefühl beschert.

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Nach diesem Hardcore-Feuer versuchen sich Turnstile mit dem Song „Moon“ wieder an einem kleinen Experiment. Dieser ist auf den ersten Blick ein typischer Punkrock-Song, zeigt aber auf den zweiten Blick einige Eigenheiten. Als Erstes übernimmt Bassist „Freaky Franz“ Lyons den Haupt-Gesang und gibt mit seiner Soul-Stimme dem Song einen ganz anderen Ansatz. Auch das Instrumental ähnelt stark dem Surf-Rock bzw. Rock der 60er und 70er Jahre. Das wird gerade im Chorus durch die Drums deutlich. Trotzdem verliert der Song nicht an Druck oder bricht mit dem Sound der restlichen Platte.



Mit „Come Back For More – H.O.Y“ kriegen man wieder die volle Ladung Punk auf die Ohren. Beide Songs konnte man bereits letztes Jahr auf der „Move You Thru“ EP hören, bekamen aber für das neue Album ein kleines Facelift bei ihrem Sound, um nicht neben den anderen Tracks heraus zu stechen.

Gegen Ende kommen „Right To Be“ und der Titeltrack „Time & Space“, die vom Interlude „Disco“ getrennt werden. „Right To Be“ setzt, wie schon „Moon“, auf den Einfluss des Surf-Rock der 60er-Jahre. Das wird durch die Vocals in der Bridge, wie auch das Tamburin als Unterstützung im Chorus hörbar. Ein weiteres kleines Highlight des Songs ist der 8-Bit Synth gegen Ende, welcher den spacigen Seventies-Einfluss nochmal verstärkt.

Nachdem „Disco“ einen noch fragend zurücklässt, kündigt eine Roboterstimme mit den Worten „You will dilute the distinction between Time and Space“ den letzten Song an, welcher sofort loslegt. Die Gitarre beißt sich an zwei Akkorden fest, während die Drums losgaloppieren. Sänger Brendan spornt uns mit seiner Stimme ein letztes Mal an. Gipfelnd in einem Side To Side-Aufbau endet das Album auf einem Höhepunkt.



Im Blick auf die Produktion war der Wechsel zu einem großen Label ein absoluter Gewinn für Turnstile. Die Gitarren sind wesentlich knackiger im Gegensatz zum Vorgänger „Nonstop Feeling“, verlieren aber nicht an Biss oder Kraft. Gerade in den groovigen Palm Mutes dröhnen sie im unteren Frequenzbereich. Dieser Mittelweg beim Gitarren-Sound spielt Turnstile bei ihrer Vermischung von Punkrock und Hardcore in die Karten. Die Drums haben im Gesamten ein wenig mehr natürlichen Raum, wobei die Snare im Einzelnen direkter ist. Das macht das Schlagzeug wesentlich zeitgemäßer, wobei ich persönlich ein großer Fan der halligen Snare von „Nonstop Feeling war.

Bei den Vocals kann nicht viel gesagt werden. Sie klingen absolut natürlich und fügen sich bestens in das Gesamtbild ein. Weibliche Stimmen, diverse Effekte und der Einsatz verschiedener Instrumenten als kleine Zusätze füllen das Instrumental auf und machen jeden Song interessant. Einziges kleines Manko ist der Bass im Vergleich zur restlichen Rhythmusgruppe. Glänzt er in seinen Solo-Parts mit einem knurrigen, aber klaren Sound, geht er durch die fehlenden tiefen Frequenzen, zwischen Rhythmus-Gitarre und Schlagzeug doch sehr unter. Beim Songwriting bleiben Turnstile ihren Hardcore-Wurzeln treu. Side To Side-Aufbauten, 2 Step-Beats und viel Stoff für die Mosh-Pits dieser Welt.

Fazit:

Turnstile bewegen sich mit ihrer Musik in einem Genre, welches sich nur schwer mit Neuerungen anfreunden kann. Selbst in ihrer Vorgeschichte hat sich die Band nicht nur Fans gemacht, sondern auch viel Gegenwind bekommen. Trotzdem zeigen Turnstile mit „Time & Space“ wie man die Grenzen eines eher konservativen Genres ausweiten kann. Mit dem Motto „Don’t Forget Your Roots!“ im Hinterkopf schaffen sie den Spagat zwischen neuen Ansätzen und alten Konventionen. Sie bleiben ihren Fans treu, werden aber gerade mit ihrer Einblendung des 70er- und 60er-Rock einen Anteil neuer Fans abseits von Hardcore und Punk finden. Auch wenn „Time & Space“ nicht mit einer Überraschung hinter jeder Ecke aufwartet, kann man hier auf jeden Fall von Album reden, bei dem jeder Song die gleiche Qualität besitzt. Ein absolut solider Release, der aber nicht unbedingt zum Album des Jahres taugt.

Wertung: 8/10

Band: Turnstile
Album: Time & Space
Veröffentlichung: 23.02.2018

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