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Interview

Trash Boat im Interview: „Wir machen nichts mehr mit dem Ziel, in etwas reinzupassen“

Frontmann Tobi Duncan im Gespräch.

VON AM 28/12/2022

Das Quintett Trash Boat aus dem englischen St. Albans hat ein belebtes Jahr hinter sich. Mit fast 120 Shows in den letzten zwölf Monaten hat die Gruppe auf Tourneen mit Enter Shikari und Boston Manor die Welt bereist, eine eigene Headliner-Tour in England gespielt und auch ein volles Zelt beim Download Festival UK nicht ausgelassen. Nun neigt sich das Jahr dem Ende zu – Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Von der Londoner Vorstadt in die Welt

Zum Interview treffen wir uns mit Frontmann Tobi Duncan in Dresden im Zuge ihrer aktuellen Tour mit Wargasm und Enter Shikari. Als letzten Dezember das Telefon klingelte und mit nur sieben Stunden Vorlauf das Angebot eines Auftritts im Londoner Alexandra Palace mit letzterer Gruppe im Raum stand, musste Tobi nicht lange überlegen. „Es war verrückt, in diese Halle passen 10,000 Menschen“, erinnert sich der Sänger, der natürlich direkt zusagte. „Aber anscheinend haben wir einen guten Eindruck hinterlassen“. Denn seitdem sind die Bands gemeinsam auf verschiedenen Kontinenten unterwegs gewesen. Auch weil sie alle aus der gleichen Stadt kommen, fühlen sie sich mittlerweile wie eine große Familie – ohne unangenehme Kennenlernphase.

Sänger Tobi Duncan im Interview

Das Line-Up der Tour verbildlicht gut, welche Bewegungen sich derzeit in der britischen Heavy Musikszene abzeichnen. Um wirklich einzuordnen, wo sich Trash Boat darin nach einem ausgelasteten Jahr 2022 verortet, muss Tobi allerdings erstmal nachdenken. Natürlich lägen ihre Wurzeln in der Pop-Punk-Szene – und natürlich liebe er diese nach wie vor. Jedoch würde er die Band eher dem Heavy Rock zuschreiben, mit dem Wink, dass vor allem eine aufkommende Rock-Szene für „Mid-level“ Bands fehlt. „Denke zum Beispiel mal ans Download Festival, fast alle Headliner sind alt. Ich liebe diese Bands, aber wer unter 40, abgesehen von Bring Me The Horizon, hat gerade das Zeug dazu, das zu machen?“, überlegt Tobi. Gerne würde er sagen, dass Trash Boat das Zeug zum „next big rock thing“ hat – vorerst steckt er sich und die Band erstmal in die „schläfrige Rockszene“.

Das Jahr nach „Don’t You Feel Amazing“

Wer Trash Boat über die Jahre verfolgt hat, wird wissen, dass das dritte Studioalbum „Don’t You Feel Amazing“ (2021) einen ziemlichen Einschnitt in der Banddiskographie darstellt. Was sich verändert hat? Für Tobi vor allem das, was hinter der Musik steht: „Wir machen nichts mehr mit dem Ziel, in etwas bestimmtes reinzupassen und mit bestimmten Bands zu touren“. Er könne mit aller Bescheidenheit zugeben, dass die Alben „Nothing I Write You Can Change What You’ve Been Through“ (2016) und „Crown Shyness“ (2018) aus diesem Standpunkt heraus entstanden. „Don’t You Feel Amazing“ haben sie ausschließlich für sich selbst geschrieben. „Um unsere eigene Party zu starten. Und dann vielleicht Download zu headlinen“, lacht er.

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Doch was kommt jetzt, nachdem Album 3 eine neue Richtung eingeschlagen hat? Laut Tobi eine verfeinerte Version genau dessen: „Wir haben mit dem letzten Album viel experimentiert. Ich möchte das Gelernte jetzt mitnehmen und eine perfekte Version dieses Sounds kreieren“. Zu erwarten sei also viel Bekanntes, ungefiltert und geradeaus. Er wolle vor allem in den Texten nicht mikro-managen, sondern diese am liebsten in weniger als einem Tag schreiben. Früher hätte er den Leuten durch seine Texte seine Intelligenz beweisen wollen, doch das sei „Bullshit – ich möchte mit der nächsten Platte viel rauer sein“. Eines versichert er: Es wird immer heavy und energiegeladen sein, bepackt mit seinen aggressiven Vocals und „big fat riffs“.

„Ich hasse langweilige Fragen über Sexualität”

Spannend wird es vor allem, wenn es um potenzielle Themen in neuer Musik geht. Während die älteren Alben in Tobis Worten „introspektiver sad boy pop punk“ waren, ist die aktuelle Platte klar gesellschaftskritisch und nach außen gerichtet. Doch auch wenn es politische Statements immer wieder in seine Texte schaffen, möchte er aufgrund der Geschwindigkeit, mit denen sich Themen weiterentwickeln, kein „This is me“-Statement in den Raum stellen. „Meine politischen Meinungen sind sehr reaktiv. Was ich brauche, ist einen Gegenspieler – darin gehe ich komplett auf“, erklärt er. Am liebsten habe er ein Gegenüber, der ihm vehement widerspreche, klare Konfrontation und viel Zeit, um in die Tiefe zu gehen.

So zum Beispiel auch in Bezug auf Themen wie Sexualität und Genderidentität, die explizit im Track „He’s So Good“ thematisiert werden. „Ich hasse langweilige Fragen über Sexualität“, sagt er. „Man kann direkt erkennen, wenn sie auf eine Schlagzeile abzielen und das nervt“. Im Gespräch mit Tobi kommt klar zum Vorschein, dass ihm die Thematiken am Herzen liegen – vom Queersein zum persönlichen Ausdruck. Was auch klar ist, ist dass es dennoch kein Konfrontationsthema für ihn ist, sowohl innerlich als auch äußerlich. Denn zum einen habe er das Privileg, mit dem Ausdruck seiner Femininität und der Offenheit über vergangene Beziehungen bisher problemlos durchzukommen. Zum anderen ist es ihm „wirklich, wirklich egal“, wie andere Leute ihn lesen. Und wünscht diese Einstellung allen: „Es ist einfach befreiend, erlösend“. Es bleibt also offen, welche Konfrontationen uns in neuen Trash Boat-Songs erwarten.

Touren, touren, touren

Den ersten Vorgeschmack gibt es mit „Delusions of Grandeur“, zu Deutsch: Größenwahn. „Um es schrecklich in einer Schlagzeile zusammenzufassen, ist es ein ‚Lebe den Moment‘-Song“, gibt Tobi grinsend zu. „Aber ich hasse es, ihn so zu beschreiben“. Bisher ist der neue Track allerdings nur live zu hören gewesen.

Rückblickend lässt sich 2022 als sehr konsistentes, gutes Jahr für Tobi abschließen. Bleibt noch offen, worauf er sich im neuen Jahr am meisten freut. Für ihn klar: Die Tour mit I Prevail. Allerdings klingt schon durch, dass auch 2023 ein vollbepacktes Jahr für Trash Boat wird. „Dieses Jahr war ein Support-Tour Jahr, was auch super viel Spaß macht. Aber nächstes Jahr wird das große Headline-Jahr. Wir werden überall touren, und es wird großartig“.

Foto: Beth Miller / Offizielles Pressebild

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