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Kritik: Polar – „Nova“

„Nova“ bedeutet im Portugiesischen „neu“ und so betiteln Polar auch ihre neue Platte. Wenngleich die Musiker wohl eher an die ...

VON AM 04/04/2019

„Nova“ bedeutet im Portugiesischen „neu“ und so betiteln Polar auch ihre neue Platte. Wenngleich die Musiker wohl eher an die stellare Nova gedacht haben als an die portugiesische Übersetzung, steht dennoch viel Neues bei der englischen Band aus Surrey an, ist „Nova“ doch die letzte Platte mit Schlagzeuger Nick Jones.

Wie der Musiker nur wenige Tage vor Release des vierten Studioalbums verlauten ließ, verlässt er Polar, um seinem Privatleben Priorität zu geben. Dafür wünschen wir ihm selbstverständlich alles Gute und freuen uns umso mehr, dass er bei den Aufnahmen für „Nova“ noch fleißig die Drums bearbeitet hat. Zwölf Songs sind es geworden, die Jones mit seinen nun ehemaligen Bandkollegen Adam „Woody“ Woodford (Gesang), Tom Green (Gitarre), Fabian Lomas (ebenfalls Gitarre) und Jonny Bowman (Bass) eingespielt hat und diese zwölf Songs sind wegweisend für eine neue Richtung, in die sich Polar wenden.

Drei der zwölf Titel sind mehr als Intro („Mare“) und Interludes („Sonder“ und „Dusk“) denn als ganze Lieder zu werten. Bevor das Geschrei um die „Lückenfüller“ los geht, sollte aber gesagt sein, dass diese Einspieler erstens vergleichsweise kurz sind und lediglich die nachfolgenden Tracks bedingen, zweitens dem Hymnischen des Albums die Kirsche aufs Sahnehäubchen setzen und man sie drittens ja nicht hören muss. Die restlichen neun Songs haben es nämlich in sich, die kurzen Verschnaufpausen zwischendrin tun da ab und zu mal ganz gut.

Los geht das Album nach dem Intro mit „Devil“ und insbesondere Woodford legt direkt mal ordentlich vor. Die Stimme des Sängers steht für das, was auch der Song darstellt und vor allem auch für das, was man bisher von Polar kannte: Raue, ungeschliffene Emotion. Sofort hört man aber ebenso die neuen Einschläge des Albums und die bleiben auch in den restlichen Songs enthalten – Melodischere Strukturen, eingängige Gitarrenriffs, abwechslungsreiche Gesangsparts. Die Tracks wirken durchdachter als noch in den Alben zuvor und ebenso vielschichtiger. Gitarrist Tom Green bezeichnete das neue Material vorab in Relation zu früheren Songs der Band als „bunter“ und das trifft es doch sehr genau.

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Wo vorher das musikalische „Hau-Drauf“-Geballer stand (und das stellt keine negative Wertung dar!), findet man nun experimentelle Passagen und damit sind keine absoluten Auswüchse in andere Musikrichtungen gemeint, sondern die Spielweisen der einzelnen Songs. Tracks wie „Devil“ oder auch „Cradle“ sind noch immer noch der polaren Rauheit der Vorgängeralben geprägt, aber zwischendrin findet man immer wieder Neues.

Insbesondere in den Refrains wirken die Tracks oft wie Hymnen, bei denen man sich gerne sofort auf ein Konzert der Band stellen und ihr die Lyrics entgegenbrüllen will. Das vorab veröffentlichte „Drive“ ist ein solcher Song und im Nachhinein ist auch klar, wieso Polar den Hörern genau diesen Track präsentierte: Er ist die richtige Mischung zwischen Altem und Neuem.

Neu ist in jedem Fall auch der weibliche Clean-Gesang, den Ellie Price liefert. Price ist Sängerin bei den beiden britischen Bands Signals und Chartz und ergänzt die ausgewählten Songs auf „Nova“ hervorragend. „Amber“ beispielsweise beginnt ohne Umschweife damit und im Interlude-Track „Dusk“ deckt sie die einzige Gesangspassage ab. Weiterhin holt auch Woodford mehr aus seiner Stimme heraus als bisher. In „Brother“ hört man die Vocals zum Teil sehr deutlich im Klargesang und das darf in Zukunft gerne öfter passieren.

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Dass Polar ihre Wurzeln trotz allem Neuen dennoch nicht verloren haben, hört man z.B. bei Tracks wie „Adore“. Obwohl (oder gerade weil?) der Track thematisch vom Loslassen handelt, kommt er powervoll in einer fröhlich-schnellen Spielweise daher. „Prey“ wiederum ist ein härter anlautender Song, in dem auf Klargesang völlig verzichtet, dafür aber mit donnernden „Prey!“-Rufe gearbeitet wird. Das nachfolgende „Midnight“ ist wieder ein Song, der von klassischem Polar-Sound in den Strophen zu einem melodischen Mitsing-Chorus übergeht. Und das passt – haters gonna hate – ziemlich gut zusammen.

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In „Midnight“ und beispielsweise auch „Brother“ kombinieren Polar ihren bekannten Sound mit musikalischen Stilmitteln, die in ihren Vorgängerwerken kaum bis keine Anwendung fanden. So hört man beispielsweise in den beiden letztgenannten Tracks die schon von anderen Bands derartiger Genres aufgegriffenen „Woah-Woah“s und „Oh-oh-ohooo“s. Hä was?

Dazu ein kurzer Exkurs in die zeitgenössische Musiktheorie: Wie ich im Dialog mit Teamkollege Sebastian B. erfuhr, nennt man solche (von mir wahnsinnig treffend transkribierten) Sequenzen „Millennial Whoops“. Diese bezeichnen eine Tonfolge, die zwischen dem fünften und dem dritten Ton einer Dur-Tonleiter wechselt.

Dieses musikalische Stilmittel wird in der zeitgenössischen Popmusik, vor allem seit der Jahrtausendwende (deshalb „millennial“), gerne verwendet, um klassische Sing-Along Songs zu generieren. Wieder was gelernt! Jedenfalls bauen Polar ebendiese „Whoops“ in ihre Songs ein. Kann man mögen, kann man hassen. Die Lieder bleiben dadurch aber definitiv im Ohr und ebenso im Kopf.

Genau das ist es dann auch, was „Nova“ von den Vorgängerwerken unterscheiden. Die Songs der Platte besitzen deutlichen Wiedererkennungswert. Laut der Band selbst seien die Tracks auf ihrem neuen Werk von persönlicheren Dingen geprägt, als die der drei älteren LPs. Zugegebenermaßen wäre noch ein klein wenig mehr Abwechslung zwischen den Songs schön. Wenn sie sich auch grundsätzlich in ihrer Spielweise voneinander unterscheiden, sind die Zutaten doch immer gleich. Unterm Strich aber haben Polar den Spagat zwischen Altem und Neuem geschafft und das Ergebnis lässt sich wirklich hören.

Wertung: 8/10

Band: Polar
Album: Nova
Veröffentlichung: 05.04.2019

Polar Nova

Offizielle Website der Band

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