
News
Pop-Punk
Neck Deep: „Wir müssen als Gesellschaft mehr füreinander da sein, uns gegenseitig mehr unterstützen“
Ben Barlow im Gespräch beim Jera On Air.
VON
Mauritz Hagemann
AM 08/07/2024
Geschätzte Lesezeit:
- Minuten
Artikel teilen:
Dass Neck Deep schon zum vierten Mal beim Jera On Air spielen, überrascht Ben Barlow. Der Sänger der Pop-Punk-Institution aus Wales freut sich aber auch sichtlich darüber, dass Neck Deep in diesem Jahr nach 2016, 2018 und 2022 ein weiteres Mal im niederländischen Ysselsteyn spielen. „Das Festival ist einfach perfekt für Punkrock und Hardcore. Die Zelte sind super, es gibt keine tiefen Gräben und die Bühne ist nah bei den Fans.“. Ben Barlow zählt jede Menge Argumente für das Festival auf.
Für Neck Deep geht es „back to the roots“
Auf der Setlist ihres Festival-Sommers dürfen natürlich auch die Songs des neues Albums „Neck Deep“ nicht fehlen. Ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung ist der Eindruck, den Ben Barlow vom insgesamt fünften Album der Band hat, immer noch überwiegend positiv. Mit dem Album habe die Band zurück zu den Wurzeln und Anfängen der Band gehen wollen. Gerade nachdem auf den vorherigen Alben „The Peace And The Panic“ und „All Distortions Are Intentional“ mehr experimentiert worden sei, sollte „Neck Deep“ wieder gradliniger und bodenständiger werden. „Wir sind sehr froh, dass die Fans das Album so gut aufgenommen haben. Ich habe den Eindruck, sie haben genau das, was wir geliefert haben, erwartet.“ Daher hat auch Barlow selbst wenig am Album auszusetzen. Ein wenig Verbesserungspotential habe er dann aber doch ausgemacht, wie er erklärt „Ich habe inzwischen damit angefangen, bei einigen Songs die Lyrics geringfügig zu ändern, weil mir bessere Texte eingefallen sind.“ Welche Songs betroffen sind, verraten wir an dieser Stelle aber nicht. Aber das herauszufinden ist doch eine nette Aufgabe für die nächste Live-Show von Neck Deep oder?
10 Jahre „Wishful Thinking“
In diesem Jahr steht neben „Neck Deep“ aber noch ein weiteres Album im Fokus. Denn das Debüt „Wishful Thinking“ hat Anfang dieses Jahres seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Grund genug, einmal zurückzublicken. Für Ben Barlow hat das Album jedoch vielmehr einen emotionalen Wert als einen musikalischen. Während er unumwunden zugibt, dass er allenfalls eine Handvoll der Songs auf „Wishful Thinking“ auch heute noch gerne hört, zaubern ihm die Erinnerungen an den Recording-Prozess ein breites Lächeln ins Gesicht. „Ich erinnere mich an viele tolle Momente. Wir haben die Songs im Sommer 2013 aufgenommen und es gab damals jeden Tag von morgens bis abends eigentlich nichts anderes für mich als dieses Album.“ Die Bedingungen für Neck Deep waren selbstverständlich noch ganz andere als heutzutage. Gleichwohl gibt es auch entscheidende Parallelen wie Barlow berichtet. „Das gesamte Album wurde bei uns zuhause aufgenommen. Mein Bruder Seb (seit 2020 auch Bassist der Band, Anm. d. Red.) hat ‚Wishful Thinking‘ produziert. Bei den folgenden Alben haben wir mit externen Leuten zusammengearbeitet. Erst ‚Neck Deep‘ hat Seb dann wieder alleine produziert.“
Neck Deep: Die Tomate im Kinderzimmer
Doch auch wenn Neck Deep neben dem Fußballverein AFC, der Ryan Reynolds gehören, inzwischen zu den größten Attraktionen der nordwalisischen Kleinstadt Wrexham gehörten dürfen, hatte die Band zumindest seinerzeit nicht zur Fans in der Heimat. Ben Barlow erinnert sich lachend an eine ganz bestimmte Begebenheit. „Wir haben damals stundenlang Gesangsspuren aufgenommen. Es ist ganz einfach so, dass ich eine ziemlich laute Stimme habe. Und einen Nachbarn haben wir damit wohl so genervt, dass irgendwann eine Tomate durch das geöffnete Fenster flog und mitten im Zimmer explodierte.“ Wenn es nur das ist – die Teppichreinigung dürften Seb und Ben Barlow inzwischen mit ihrer Band refinanziert haben.
Do we need more bricks?
An einem Thema kommt man in diesen Tagen nicht vorbei, wenn man mit Personen aus dem UK spricht. Alles dreht sich um die Parlamentswahl – und während Pop-Punk eigentlich einen großen Bogen um die ganz ernsten Themen macht, ist Neck Deep in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Natürlich gibt es auch aus der Feder von Ben Barlow inzwischen mehr als nur ein Dutzend Lovesongs. Doch auch Politik und Gesellschaft sind immer wieder ein Thema – zum Beispiel in „We Need More Bricks“ vom neuen Album. Wie also beurteilt Barlow die politische Situation und Stimmung im UK rund um die Wahl? Ziemlich negativ, das wird schnell klar. „Ich glaube, das Land ist sehr vereint, wenn es darum geht, dass wir einen Regierungswechsel brauchen und die Tories weg müssen. Aber ansonsten ist das Land ziemlich gespalten. Und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es Labour viel besser machen wird.“, zeigt sich Ben Barlow wenig euphorisch. „Labour und die Tories tun sich nicht so viel. Der einzige Unterschied ist, dass die Leute von Labour lachen, wenn sie unsere Steuergelder verschwenden.“
Die Lösung gegen den Politikverdruss? More Bricks? – das wohl auch nicht. Ben Barlow hat aber einen Lösungsansatz. „Es hört sich immer so langweilig an, wenn man sagt, dass man die Mitte stärken muss. Aber vielleicht ist das ein Ansatz. Einigkeit ist jetzt wichtig. Wir müssen begreifen, dass wir enger zusammenrücken sollten. Rechtspopulisten wie Nigel Farage versuchen doch nur, die Gesellschaft gegeneinander aufzuhetzen. Sie wollen, dass wir gegeneinander kämpfen. Wir brauchen keine Politiker, denen es nur um sich selbst geht und auch keine Rassisten. Wir müssen als Gesellschaft mehr füreinander da sein, uns gegenseitig mehr unterstützen.“ Und da soll noch jemand sagen, Pop-Punk sei oberflächlich.
Europameister England?
Es gibt ein Thema, mit dem sich Ben Barlow mindestens genauso gut auskennt wie mit Politik: Fußball. Und natürlich verfolgt der Manchester United-Fan die Europameisterschaft in Deutschland mit großem Interesse. Doch Wales ist nicht qualifiziert und seine Tipps Portugal und Deutschland haben sich inzwischen erledigt. Was ist also mit England? „Ja, wahrscheinlich ist England meine Mannschaft bei der EM. Wir haben ja auch zwei Engländer in der Band. Aber es interessiert mich nicht so sehr, wie das Team abschneidet.“ Ob das so stimmt? Ein Blick auf Ben Barlows Instagram-Account spricht da eine andere Sprache. Schauen wir doch mal, ob die Three Lions dieses Mal den Titel holen – und wie Ben Barlow dann reagiert.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Nico Kearns (nico_kea)
Latest News
Live-Dates
Feature
Latest