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Kritik: HEAVEN SHALL BURN – „Wanderer“

HEAVEN SHALL BURN dürften spätestens seit ihrem Charterfolg „Veto“, mit dem sie vor drei Jahren bis auf Platz 2 der ...

VON AM 16/09/2016

HEAVEN SHALL BURN dürften spätestens seit ihrem Charterfolg „Veto“, mit dem sie vor drei Jahren bis auf Platz 2 der offiziellen deutschen Album-Charts kletterten, endgültig jedem Fan härterer Musik ein Begriff sein. Die Thüringer Truppe ist neben kompromisslosen Metal auch für klare politische Botschaften und polarisierende Texte bekannt und spricht sich immer wieder gegen Rassismus, staatliche Überwachung oder die Zerstörung der Natur aus. Zusätzlich haben sich die Jungs um Sänger Marcus Bischoff zuletzt auch als Sponsor für den Fußballverein FC-Carl-Zeiss-Jena stark gemacht und so über die Metal-Community hinweg an Bekanntheit gewonnen.

Bei all diesen Nebenaufgaben ist es also wenig verwunderlich, dass es drei Jahre dauerte, bis endlich das nächste Album fertig war, welches heute unter dem Namen „Wanderer“ mit 12 brachialen Tracks und in sieben (!) verschiedenen Editionen erscheint. Erstmals sitzt hier mit Christian Bass ein neuer Drummer am Schlagzeug, der Matthias Voigt beerbt hat.

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HEAVEN SHALL BURN warten nicht lange und nehmen mit dem Opener „The Loss Of Fury“ volle Fahrt in Richtung Doom- und Black Metal-Gewässer auf. Der brachiale, kompromisslose Anfang wird von düsteren Riffs sowie markanten Keyboard-Sounds begleitet und gibt so bereits die Marschrichtung für den Rest des Albums vor, die da lautet: Crossover über verschiedene Metal-Genres hinweg, in denen Metalcore nur selten die Hauptrolle spielt. Bereits während des nächsten Songs, „Bring The War Home“, wähnt man sich fast auf einer Platte von RAMMSTEIN oder FEAR FACTORY. Der starke Industrial-Sound mit seinen stampfenden Drums und markanten Gitarrenriffs sorgt für ungewohnte Töne der Thüringer Metal-Kapelle, die erst im Refrain wieder zu ihren typischen Begleitriffs greift und dem Hörer doch noch einmal versichert, dass hier nach wie vor HEAVEN SHALL BURN zu hören sind.

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Mit „Passage Of the Crane“ folgt ein solider Track, der von dem experimentellen, genreübergreifenden Auftakt abweicht und für kurze Zeit bewährte Metalcore-Sounds durch die Gehörgänge der Fans spült.

„They Shall Not Pass“, der vierte Song des Albums, gleitet nach einem kurzen, melodischen Einstieg in einen groovigen Power Metal-Sound über, der oftmals Thrash-Elemente durchblicken lässt. Während Frontmann Marcus mit seinen Growls wieder alles wegbügelt, schaltet der Track nach 2,5 Minuten kurz einen Gang runter und bietet den Zuhörern eine kurze Verschnaufpause, die – vor allem live – tatsächlich gelegen kommen dürfte. Mit „Downshifter“ folgt die bereits bekannte, offizielle Singleauskopplung des Albums, die seit einigen Wochen im Netz verfügbar ist und bei vielen Fans den Wunsch nach mehr schürte.

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Obwohl viele widersprechen werden, empfinde ich „Downshifter“ nicht als stärkstes Lied auf dem Album. Auch nach mehreren Durchgängen fehlen mir Fixpunkte im Song, die sich aus der Walze eines typischen HEAVEN SHALL BURN-Songs hervortun könnten. Auch wenn „Downshifter“ zwar gewohnte, aber immer noch hochwertige Kost bietet, bin ich froh, dass „Wanderer“ insgesamt über mehr Qualitäten verfügt als diese erste Single. Im folgenden Stück „Prey To God“ vergeht keine Milisekunde, bis HEAVEN SHALL BURN in Zusammenarbeit mit George “Corpsegrinder” Fisher (CANNIBAL CORPSE) den Zuhörern einen knüppelharten Death Metal-Track in das Gesicht schmettern (wir berichteten). Diese Ode an die Ursprünge der Thüringer Band kommt, wie manche Leser vielleicht bereits festgestellt haben, mit einem gewitzten Wortspiel daher. So wird aus „Pray To God“ („Bete zu Gott“) ein gesellschaftskritisches „Prey To God“ (Gottes Beute) – nicht untypisch für die politisch engagierte Band.

Der siebte Song, „My Heart Is My Compass“, ist ein ausnahmesweise ruhiges Interlude, das nahtlos in das darauffolgende Lied „Save Me“ übergeht. Darin kehrt das fast schon vermisste, klassische Erfolgsrezept aus aggressiven Vocals, einem pumpenden Double Bass sowie harten Riffs zurück, die zum Ende des Songs gemächlich ausfaden. Ein seltenes, kurzes Gitarrensoli in der Mitte des Songs hinterlässt hier ein zusätzliches i-Tüpfelchen. Die Power-Balade „Corium“ verändert im Anschluss einmal mehr die Gangart von „Wanderer“ und schickt sich nicht nur an, das – für HSB-Verhältnisse – ruhigste Lied zu werden, sondern dem ganzen Album eine Prise mehr Fröhlichkeit und Zugänglichkeit zu verleihen.

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Wieder härter angehen lässt es der nächste Track „Extermination Order“, der sich inhaltlich mit dem ersten (deutschen) Völkermord des 20. Jahrhunderts beschäftigt – dem leider fast schon vergessenen Massaker an mehr als 60.000 Herero und Nama in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Trotz seiner ernsten Thematik ist das Lied schon jetzt ein garantierter Live-Hit, der sämtliche Moshpits zusätzlich anheizen dürfte. Im vorletzten Kracher „A River Of Crimson“ verbindet sich der beliebte Sound von HEAVEN SHALL BURN mit eher ungewohnten melodischen Riffs, die unweigerlich an Heavy Metal oder gar Hardrock erinnern. Wem das bis zu diesem Punkt noch nicht experimentell genug war, darf sich im Abschlusstrack „The Cry Of Mankind“ nicht nur auf einen sehr progressiven Sound freuen, sondern erstmals auch auf klaren Gesang. Dieser entstammt allerdings nicht der Kehle von Frontmann Marcus, sondern geht auf die Kappe von Gastsänger Aðalbjörn Tryggvason, Mitglied der Band SÒLSTAFIR.

Und so endet „Wanderer“ wie es angefangen hat: Mit experimentellen, dynamischen, frischen Sounds. Zwar erfinden sich die Thüringer dabei weder neu, noch liefern sie hier ihr härtestes Album ab. Aber trotz 15 Jahren Bandgeschichte verleihen sie dem mittlerweile neunten Album ein modernes, starkes Antlitz. Natürlich wären HEAVEN SHALL BURN nicht HEAVEN SHALL BURN, wenn so manche Riffs oder Refrains stark an alte Werke erinnern. Dabei driften sie aber, anders als zuletzt CALIBAN, nicht in das Deutsch-Metalcore-Baukasten-Prinzip ab und beweisen somit erneut, dass sie in der hiesigen Metalszene zurecht eine der relevantesten Bands sind. Nach dem Charterfolg von „Veto“ wüsste ich keinen Grund, warum „Wanderer“ unter diesen Voraussetzungen nicht ähnlich erfolgreich werden sollte. Metalheads und Fans der Band dürfen und sollten also beruhigt zugreifen.

Wertung: 8/10

Release: 16.09.2016

Tracklist:
01. The Loss Of Fury
02. Bring The War Home
03. Passage Of The Crane
04. They Shall Not Pass
05. Downshifter
06. Prey To God
07. My Heart Is My Compass
08. Save Me
09. Corium
10. Extermination Order
11. A River Of Crimson
12. The Cry Of Mankind

Label: Century Media Records

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