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Kritik: Haken überzeugen auch auf „Vector“, lassen aber Tiefe vermissen

Wer sich mit progressiver Musik beschäftigt wird in den letzten Jahren wohl kaum an Haken vorbeigekommen sein. Dabei sind Haken ...

VON AM 22/10/2018

Wer sich mit progressiver Musik beschäftigt wird in den letzten Jahren wohl kaum an Haken vorbeigekommen sein. Dabei sind Haken nicht der typische Dream Theater Verschnitt, wenn auch sie als Liveband von ex-Dream Theater Drummer Mike Portnoy mit seinem Projekt Shattered Fortress auf Tour waren. Nein, Haken gelingt es Progresive Metal zu spielen und dabei so catchy zu sein, dass es auf Konzerten nicht bloß zu taktgebundenem Kopfnicken und verschränkten Armen in den analytischen Blicken der Musikgenießer führt, sondern für massiv Bewegung sorgt.



Auf ihrer zuletzt veröffentlichten Live-DVD „L-1VE“ haben sie dies unter Beweis gestellt. Möglicherweise ist auch das der Grund, warum Haken für ausverkaufte Konzerte und größer werdende Venues auf ihren Touren streben. Am 26.10 veröffentlicht die Band ihr neues Album „Vector“ bevor es dann im neuen Jahr erneut auf große Europatour geht.

Als Fan der Band wird man Hakens Magnum Opus zweifelsohne im großartigen „The Mountain“ sehen. Das Konzeptalbum ist auch für mich zweifelsohne ein unangefochtenes Meisterwerk, das den Sound von Haken perfektioniert hat. Nichtsdestotrotz ist auch dem 2016 veröffentlichten „Affinity“ vieles abzugewinnen. Mit ihrem neu gefundenen Sound exponieren Haken sich in einen Sound der sehr 80er affin daherkommt. Bereits der Song „1985“ deutete diese Affinität, nicht zuletzt auch aufgrund des geschickt gewählten Albumtitels (Affinity – den Wortwitz spare ich mir hier, bevor es AFFIg wird.), an. Achtziger Jahre Drumpads, Pornobrillen, bunte Farben. Irgendwie haben Haken in den 80ern ihr Ding gefunden und konzeptionell auf die Band reflektiert. Dabei klingen Weder „Affinity“ noch das neue „Vector“ nach einem obsoleten Sound und sind stattdessen mit allen Kniffen der modernen Klangkunst lupenrein produziert.

Diese lupenreine Produktion führt zu einem gewissen Authentizitätsproblem. Auf „Vector“ klingen Haken fast klinisch, so perfekt und klar ist das Gesamtprodukt produziert. Dass die Musiker ihre Instrumente in Bravour beherrschen, ist nicht zu bezweifeln. Eine gewisse Portion Organizität lässt der sehr sterile Sound jedoch vermissen. Behält man „Affinity“ im Hintergrund wird sich daran aber wohl kaum ein Fan stören, denn auch „Vector“ klingt verdammt gut, was nicht zuletzt an dieser eben lupenreinen Produktion liegt.

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Doch was bieten Haken uns neben gut klingender Musik? Hier kommen wir zum nächsten Problem, dass man mit Haken haben kann, aber nicht muss. Ein Intro, eine Hand voll normaler Songs, darunter eine Ballade und ein Longsong der die 10 Minuten Marke knackt. All das klingt 1 zu 1 nach Haken und wird irgendwie erwartet. Diese Erwartungshaltung lässt „Vector“ jedoch irgendwie formularisch wirken. Wie kann etwas im Grundgedanken progressiv sein, wenn es zu erwarten ist? Demnach stellt sich die Frage, ob die Musik von Haken überhaupt noch progressiv ist, oder ob technisch der bessere Terminus für eine Genrebezeichnung der Briten wäre. Technisch versiert agieren Haken in ihren Songs, die teilweise etwas entschärft wirken, aber ebenfalls zu überspitzen drohen.

So ist „Veil“ mit seinen 12 Minuten Spielzeit etwas in die Länge gezogen und ballert neben Gitarrensoli, harten Breaks und catchy Refraingesang immer noch mal eine Windung hinterher. Vielleicht würde die Magie in der Musik von Haken länger fortleben, würde man nicht immer versuchen noch eins draufzulegen. So wirkt der letzte Refrain in „Veil“ einfach nur rangeklatscht um eine gewisse Eingängigkeit und den damit verbundenen Mass-Appeal zu erreichen. Einen gewissen Ohrwurmcharakter entwickelt „Veil“ aufgrund seiner penetranten Gitarrenmelodie, weniger aber durch repetitive Breaks, die es in der Musik nicht zwingend benötigen würde.



„Nil By Mouth“ startet elektronisch und gibt, gelinde gesagt, direkt auf die Fresse. Sonderlich einfallsreich, oder technisch anspruchsvoll ist der Breakdown mit dem Haken diesen Song eröffnen nicht. Viel mehr sind es die Keyboard-Spielereien, die diesen Song, der uns ganze eineinhalb Minuten nur vollballert, abdriften lassen. Wer noch immer denkt, dass Prog nicht in 4/4 Takten funktioniert, muss leider enttäuscht werden. Haken arbeiten viel damit, verschieben die rhythmischen Schwerpunkte aber so, dass sich ungewohnte Betonungen ergeben und die Songs technischer erscheinen, als sie eigentlich sind.

Beim Hören von „Vector“ verfolgt oft das Gefühl der absoluten Reizüberflutung, die auf jeden Fall gewollt wirkt, aber auch ein wenig von dem ablenkt für die es viele bei Musik geht; dem Gefühl.

Gefühlvolle Passagen sind in Hakens neuem Opus kaum zu finden. Stattdessen wirkt Ross Jennings Gesang, ähnlich wie die Gitarren, oft sehr rund und glatt. Eine Ausnahme stellt jedoch der sechste Song „Host“ dar. Der Song ist mit Akustikgitarren gespickt und wirkt viel smoother und dynamischer als die Metal Seite von Haken. So bietet „Host“ einen sehr willkommenen Kontrast und ist weniger wild und komplex strukturiert als die anderen Songs. Die innere Dynamik, sowie der dramaturgische Aufbau lassen diesen Song kulminieren und bauen sich so zu einem epischen Finale auf, das durch den quietschhohen Fallsett Gesang gekrönt wird. Zugegeben, das mag ein bisschen schmerzen, aber Ross Jennings ist dabei verdammt on point, Hut ab!

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Das Ende von „Vector“ fällt vergleichsweise gewohnt aus. Es ist nicht das große Konzept, dass dem Rezipienten hier geboten wird. Stattdessen hauen Haken nochmal einen unfassbar eingängigen Chorus raus, der zugegeben musikalisch und vokal stark an die Norweger Leprous und auch ein kleines bisschen an Between The Buried And Me erinnert. „A Cell Divides“ endet abrupt, in einem Break und erzielt damit einen interessanten Effekt. Es wirkt unvollendet und lässt stutzen. War’s das schon? Tatsächlich! Haken veröffentlichen ihr kürzestes Album ever und bespielen gerade einmal 45 Minuten. War man von „Aquarius“ und „Visions“ knappe 70 Minuten, bzw. von „The Mountain“ und „Affinity“ noch eine Stunde Spielzeit gewohnt verkürzen Haken diese auf eine knappe dreiviertel Stunde.

Hakens Konzept geht auch auf „Vector“ erneut auf, lässt aber die Tiefe von „The Mountain“ vermissen, während auch die Emotionalität unter der sehr glattgebügelten Produktion leidet. Nichtsdestotrotz agieren Haken erneut auf verdammt hohen, spieltechnischen Niveau und wissen mit der Mixtur ihrer einzelnen Parts zu überzeugen. Wer sich mit Prog Metal noch nicht anfreunden konnte, wird das mit Haken vielleicht ändern können. Denn so komplex wie sie eigentlich sind, klingen sie nur ab und zu. Möglicherweise ist genau das der Schlüsse, und ein Weg in die komplexe und virtuose Welt der harten Musik. Wenn nicht, ist „Vector“ einfach ein Album, das verdammt viel Hörspaß mache kann und das ist ja auch nicht verkehrt!

Wertung: 7/10

Band: Haken
Album: Vector
Veröffentlichung: 26.10.2018

Offizielle Website der Band

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