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Interview
„Die positive Resonanz auf das Album übertrifft all unsere Erwartungen“ – Dale Tanner von Ocean Grove im Interview
Der Sänger über das neue Album und Genregrenzen.
VON
Jakob Jahnke
AM 29/03/2020
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Ocean Grove haben erst vor kurzem ihr brandneues Studioalbum „Flip Phone Fantasy“ auf den Markt gebracht. Einmal mehr zeigte die australische Kombo aus Melbourne, dass Genregrenzen nicht mehr starr sind.
Frontmann Dale Tanner hat sich die Zeit genommen, uns ein paar Fragen zum neuen Longplayer zu beantworten. In unserem Interview sprechen wir darüber hinaus außerdem mit ihm über Trends in der Rock-Welt, musikalische Einflüsse und das perfekte Bühnenoutfit.
Ocean Grove-Frontmann Dale Tanner im Interview über das neue Studioalbum
MC | Jakob: Hallo und Danke, dass Ihr euch Zeit nehmt unsere Fragen zu eurem neuen Album „Flip Phone Fantasy“ zu beantworten. Es ist vor ein paar Tagen erschienen und bis jetzt ist das Feedback großartig. Wir haben es auf MoreCore.de mit 9,5 von 10 Punkten rezensiert. Habt ihr das im Schreibprozess kommen sehen?
Hey, es freut mich eine Runde mit dir zu quatschen. Ich habe deine Rezension gelesen und liebe sie, vielen Dank dafür!
Die positive Resonanz auf das Album übertrifft all unsere Erwartungen! Einige Leute haben es bereits als das beste Album des laufenden Jahres bezeichnet, was ein großes Kompliment ist. Obwohl wir uns auf Rezensionen vorbereitet hatten, die das Album verwirrend und irritierend finden oder sogar für kompletten Unsinn halten, denke ich, dass wir tief im Innern immer wussten, dass es etwas Besonderes wird. Etwas Neues, das neuen Generation von Musikhörern bis dato vorenthalten war. Wir wussten, dass wenn wir einmal den Weg der Zerstörung des Alltäglichen und des Mittelmaß betreten würden, wir nicht zurück blicken würden und dass der neue Sound und Genre-Mischung mit denen wir auf dem neuen Album experimentierten ein neues interessiertes Publikum ansprechen würde.
In eurer Review beschreibt ihr das sehr gut mit der Passage „Doch dann vergisst man die Tatsache, dass alternative Genres häufig ein kritischer Gegenpol für den Mainstream sein wollen und oft das Ziel haben, etwas unbequem zu sein.“ Das ist genau das, was wir mit dem Album erreichen wollten. Wenn es die Meinungen über uns und unsere Musik spaltet, aber gleichzeitig eine neue Gruppe von Fans zusammenbringt, dann war das Album in unseren Augen ein voller Erfolg.
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MC | Jakob: In der Vergangenheit habe ich euch immer als ein moderne Nu-Metal-Band mit einigen Einflüssen aus anderen Genres, die aber nie so deutlich waren, wie auf „Flip Phone Fantasy“, gesehen. Die Hauptkombination aus Nu-Metal und Grunge ist etwas, was ich so vorher noch nicht gehört habe, doch wirklich perfekt funktioniert. Wo kam die Veränderung des Fokus her? Gibt es etwaige aktuelle Einflüsse oder Bands, die ihr hört? Oder war es die Entwicklung der Band selbst?
Ocean Grove in den vergangenen Jahren oft in die Nu-Metal-Schublade gesteckt, obwohl wir uns da selber gar nicht sehen. Deshalb haben wir unserem Sound einen anderen Namen gegeben – „Oddworld“-Musik – der besser zu der Musik passt, die wir schreiben. Natürlich gab es einen deutlichen Anteil von Nu-Metal-Einflüssen in unseren letzten Alben, doch hatten wir schon immer den Drang, Musik zu schreiben, die weiter geht als die einer Nu-Metal-Cover-Band.
Der größere Einfluss von Grunge und Brit-Rock auf „Flip Phone Fantasy“ ist etwas, das sich über die Zeit entwickelt hat. Auf dem letzten Album waren schon Songs, die diesen Wechsel angedeutet haben. Das ist etwas, das ich als Musiker schon immer schreiben und performen wollte. Wir brauchten jedoch etwas Geduld, um diese Veränderung mit der Zeit und einigen Veröffentlichungen geschehen zu lassen. Eine Entwicklung weg von dem harten, mehr Hardcore-orientierten Stil von 2010 bis 2015, hin zu einem eher rockigen Sound. Mit dem Wechsel im Line-Up, bei dem ich zum Frontmann geworden bin und dem Eintritt von Twiggy Hunter als Bassist und zweiten Sänger konnten wir deutlich mehr mit dem Grunge und Rock Sound ausprobieren und es ergab sich eine ähnliche Dynamik, wie z.B. be Alice In Chains. Daher sind wir mit diesem Album so nah an unseren eigenen Wurzeln wie nie. Um einige Bands zu nennen die wir von Anfang an hören: Faith No More, Pearl Jam, Linkin Park und Pantera.
MC | Jakob: Euer Album ist eines dieser Alben, die wie aus einem Guss wirken. Trotzdem hab ihr vorher fünf Singles veröffentlicht. Für eine Band, die sich im Rock-Genre wiederfindet, sind das gar nicht so wenige Singles. In anderen Genres wie Pop, Hip-Hop oder EDM, sieht man dagegen schon länger einen Trend, gar keine Alben, sondern ausschließlich unabhängige Singles zu veröffentlichen. Ist das eine Entwicklung, die wir auch bei Ocean Grove oder sogar im gesamten Rock-Genre sehen werden?
Unser klares Bestreben war diesem Trend, den man in der Pop- und Hip-Hop-Welt sieht, einen Schritt voraus zu sein, obwohl in der Streaming-Welt Singles einen viel größere Wirkung haben. Mich würde es nicht wundern, wenn auch Rock sich in dieser Richtung entwickelt, da die ganze Welt sich immer mehr auf Streaming als primäre Musikquelle fokussiert. Wir dagegen wollte mir der Anzahl von Singles, die alle komplett unterschiedlich waren, dem Hörer einen Vorgeschmack darauf geben, wie abwechslungsreich das Album ist. Außerdem war es ein guter Grund, mehr neue Musik früher zu veröffentlichen, da unsere Fans bereits drei Jahre darauf warten mussten. Ich denke nicht, dass wir irgendwann aufhören werden, komplette Alben zu schreiben, da ein Album als Gesamtwerk immer etwas sein wird, das der Rockhörer zu schätzen weiß.
MC | Jakob: Da wir gerade generell über Rock sprechen: Rock in Deutschland hat nahezu keine Präsenz im Radio- oder Fernsehprogramm. Weiter sieht man einen starken Rückgang von Clubs und Bars, die ihren Fokus auf Rock legen. Im Allgemeinen haben Genres, die grundsätzlich Gitarren-orientiert sind, nicht mehr den Status, den sie noch vor einigen Jahren hatten. Habt Ihr eine Idee, welche Gründe das haben kann und was passieren muss, damit Rock wieder beliebter wird?
Das macht mich wirklich traurig und ärgert mich gleichzeitig ein wenig, um ehrlich zu sein! Es ist schade, sowas zu hören. Zeiten ändern sich und das schon eine ganze Weile. Ich denke, dass großer Faktor vielleicht die Produktion von Dance-Music ist, die Vorliebe zu Live-Studio-Aufnahmen mittlerweile überholt hat.
Die großen Songs der Welt sind absolute Hochglanzproduktionen mit einer festen Formel. Diese Formel erleichtert den Leuten den Zugang zur Musik auf eine Art, auf der das eine Live-Studio Aufnahme das einfach nicht kann. Sie haben die Wissenschaft dahinter komplett entschlüsselt und nun ist die ganze Welt süchtig nach perfekten 4/4-Beats. Alles, was dieser Formel nicht folgt, der Rockmusik eingeschlossen, wirkt dadurch vielleicht abgestanden, glanzlos oder zu rau für den Großteil der Popmusik-Hörer. Popmusik ist zu einer sofortigen Befriedigung für die geworden, die süchtig nach dieser Formel sind. Diese Sucht zu befriedigen ist die Basis dieser Art Musik.
Das heißt aber nicht, dass all die Hoffnung für die Rockmusik verloren ist. Ich denke viel mehr, dass Rockmusik auf eine Art wiederaufleben wird, die wir so vielleicht nicht erwarten. Der Aufschwung von Vinyl aktuell ist ein gutes Beispiel für den Trend gegen einen technologischen Fortschritt. Wir als Band können natürlich von nichts besserem träumen als einem Comeback der Rockmusik, wodurch sie wieder den Status von früher bekommen würde. Wir geben daher alles, um unsere Musik auch in den Mainstream zu drücken. So kann man versuchen, neue Leute zu gewinnen und ihnen vielleicht dabei helfen zu merken, was für einen großen Fehler sie machen!
MC | Jakob: Neben dem Musik-Aspekt scheint Fashion sehr wichtig für Ocean Grove zu sein. Wie wichtig ist das generelle Auftreten und der Faktor Show für ein Band in der heutigen Zeit? Kann eine Band erfolgreich sein, wenn sie „nur Musik macht“?
Ja, ich denke, dass das absolut wichtig für mich ist. Ich denke aber nicht, dass in jedem Fall nötig ist, um ein guter Musiker zu sein oder eine gute Show abzuliefern. Man muss sich nur Lemmy von Motörhead anschauen, der sich ganz und gar nicht dafür interessiert hat, was für theatralische Auftritte Bands wie KISS abliefern und trotzdem war er der unbestreitbare Showman, der er war. Schaue ich aber auf Künstler wie Bowie, Jagger, Elton John und Elvis, haben diese immer sehr viel Wert auf ihren Bühnenauftritt und ihr Outfit gelegt. Für mich ist das eine sehr wirkungsvolle Möglichkeit, die Botschaft von Musik, Kunst und Auftritten zu vermitteln. Meine Outfits auf der Bühne helfen mir, mich auszudrücken und zeigen, was für ein Mensch ich bin. An dieser Stelle muss ich auch Twiggy danken, der mir hilft, diese Outfits nach meinen Wünschen zusammenzustellen und dafür sorgt, dass Sie auch immer etwas die Grenzen von männlicher Mode in Frage stellen.
MC | Jakob: Letzte Frage: Natürlich sorgt die aktuelle Situation dafür, dass alle Tour-Planungen auf unbestimmte Zeit verschoben sind. Könnt ihr trotzdem absehen, wann die Fans Ocean Grove in Deutschland wiedersehen können?
Auf unserer Europa-Tour letzten Monat zusammen mit Crossfaith haben wir unseren Fans versprochen, dass vor dem Ende dieses Jahres zurückkommen werden. Die Situation hat sich aber soweit geändert, dass ich mir nicht sicher bin, ob das noch möglich ist. Doch sobald wir mit dem neuen Album in Australien touren, ist Deutschland definitiv unser nächster Halt!
Foto: UNFD / YouTube: „Ocean Grove – Ask For The Anthem [Official Music Video]“
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