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Interview

Between Bodies im Interview: “Das Album war ein Ort, an dem ich all meine Energie lassen konnte.”

Eine Geschichte über Trauerbewältigung und Durchhaltevermögen.

VON AM 26/02/2023

“Anfang 2020 habe ich gedacht: Verdammt, ich hätte ein Emo-Label gründen oder ein Festival mit den Bands der ‘New Wave of German Emo’ veranstalten sollen.” Shoreline, Hippie Trim, Phantom Bay, The Deadnotes, Cadet Carter: In den vergangenen Jahren hat die hiesige Musikszene einige wirklich aufregende Emo-Acts hervorgebracht, die sich die Beine wund touren und sogar Szenegrößen aus Übersee supporten. An Susan und Chris von der Kölner Band Between Bodies ist diese Bewegung natürlich nicht vorbeigezogen – nicht zuletzt, weil sie spätestens seit dem Release ihres Debütalbums mittendrin stecken.

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Chris vermutet hinter der Entwicklung unter anderem die Neugründung von vielen Bands, die sich während der Corona-Pandemie aufgelöst und neu formiert haben. Als Beispiel dafür nennt er dabei auch die sich neu entwickelnde Hardcore-Szene im Rhein-Main-Kreis. Die Beziehungen der Bands untereinander sind von großem Zusammenhalt geprägt und werden von Susan als sehr reif herausgestellt: “Die Leute bleiben Punks und tun das, was sie schon immer gemacht haben – werden dabei aber verantwortungsbewusster und verlässlicher. Mit diesem Zusammenhalt treibt man sich untereinander gegenseitig an.” Auch Between Bodies konnten nicht zuletzt durch ihre guten Beziehungen wichtige Schritte nach vorne machen.

Ein Kind der Pandemie

Der Start in den Produktionsprozess ihrer LP “Electric Sleep” (2022) hätte sich nicht schwieriger gestalten können. Hatten Between Bodies gerade einmal Ende 2019 mit ihrer EP “On Fences” zum ersten Mal aufhorchen lassen, so wurden sie kurz nach einem vielversprechenden Start von der Pandemie kalt erwischt. Die ersten Aufnahmetermine in den Kaputtmacher Studios mussten kurzerhand abgesagt werden. Doch es gab sie: Die Umstände, die der Band vermittelten, durchzuhalten. Seien es die abgesagte Tour mit Red City Radio, der Rückhalt durch die Fleet Union PR-Agentur, sowie das letztendliche Funding der Platte durch die Initiative Musik.

Was sich also zunächst wie ein “Rückschlag im Momentum” anfühlte, sollte sich später als das Beste, was der Platte hätte passieren können, herausstellen. Das Ausmaß der darauffolgenden Überarbeitungen hält Susan in einer Erzählung über Dropbox-Benachrichtigungen fest: “3 Uhr morgens. 56 Dinge wurden geändert. Alle von Chris.” Dieser perfektionistische Ansatz äußert sich auch im Artwork – dem knapp 20 Entwürfe zugrunde liegen – sowie den Gesangsaufnahmen, für die sich die Band einen ganzen Monat Zeit nahm. “Wir haben uns zwei- bis dreimal die Woche getroffen und viele Sachen ausprobiert.” Diese Liebe zum Detail bildet eine der größten Qualitäten ihrer musikalischen Weiterentwicklung.

Between Bodies im Wandel

So ist es gerade der starke Indie-Vibe, der “Electric Sleep” von gewöhnlicheren Punk/Emo-Platten abhebt. “Alle Songs sind um Melodien herum entstanden. Selbst wenn die Instrumentals zuerst kamen, waren die Melodien niemals nur ein Nebengedanke.” Gemeinsam mit der Integrierung vom Keyboard als vollwertigem Instrument und nicht nur als Studiospielerei sind es genau diese Dinge, die das Album von “On Fences” unterscheiden. Den Gipfel ihrer Experimentierfreudigkeit erreichte die Band sicherlich mit der Entscheidung, “Crosses in the Distance” in ein minutenlanges Orgelsolo münden zu lassen. “Benni schickte mir eine Demo und hatte dafür einfach den kompletten Song nach dem Intro weggeschnitten.”

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Auf lyrischer Seite bildet “Electric Sleep” das “Produkt einer schweren Zeit“, in der vor allem der Tod, das Abschiednehmen und das Ende von Dingen “omnipräsent” waren. So verarbeitete Chris unter anderem den Tod seines Großvaters, das Ende einer langen Beziehung sowie die ungewissen Zustände in der Welt zu diesem Zeitpunkt. “Das Album war ein Ort, an dem ich all meine Energie lassen und dem ich mich immer zuwenden konnte wenn ich meine Freund:innen nicht sehen konnte.” Die Verarbeitung von so schweren Themen äußert Chris auf schonungslos sarkastische Weise. Ein gutes Beispiel dafür bietet folgende Zeile aus “On a Grave” – einem Song über das schmerzvolle Ende von Beziehungen:

“It’s the tiniest things that keep life interesting,
like an airplane crash or a school shooting.”

“Wenn man an einem Punkt ist, an dem man sich nur noch gegenseitig verletzt und es nicht fertig bringt, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, dann ist es vielleicht besser sich irgendwann einzugestehen, dass es vorbei ist.” Chris zieht hier die Parallele zu den Horrormeldungen, mit denen die Nachrichten tagtäglich überflutet werden. Demnach könnte man Sarkasmus fast schon als Abwehrmechanismus betrachten, um sich emotional von negativen Geschehnissen abzugrenzen. Susan ergänzt ihre eigene Interpretation, nach der sich solche Beziehungskrisen manchmal größer anfühlen können als Flugzeugabstürze oder Amokläufe – eben weil sich die Schlagkraft der Situation voll und ganz auf die zwei beteiligten Menschen entlädt.

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Schlussendlich fügt sich “Electric Sleep” dennoch zu einer Platte der Kontraste zusammen. Chris beschreibt das Album musikalisch als “leichtherzigen Emo mit düsteren Texten”, aus dem trotz der ausgiebigen Auseinandersetzung mit dem Tod ein “frustrierter Funken Hoffnung” durchscheint. “Das Leben geht weiter. Dinge sterben und hören auf, aber es geht einfach immer weiter.” Diesen Kerngedanken fangen Between Bodies auch im Musikvideo zur Single “Towards The Light” ein. Eingetaucht in Corpsepaint besuchen die vier Bandmitglieder einen Jahrmarkt in Köln-Deutz, auf dem das Leben ganz unberührt von ihrer Präsenz vonstattengeht.

“Chained to the dark,
we drag ourselves towards the light.”

“Es kann kein Licht ohne Dunkelheit geben.” Eine Aussage, die sich nicht nur auf die Themen des Albums, sondern auch auf die bisherige Geschichte der Band und ihr Heraustreten aus der Pandemie mitsamt der Platte beziehen lässt. So starten Between Bodies mit reichlich Rückenwind aufgrund der positiven Resonanz zu “Electric Sleep” und ihren Auftritten im Vorprogramm von Bands wie Press Club oder Deaf Havana ins neue Jahr. Susan lässt es sich aber nicht nehmen, auch ein wenig darüber zu spaßen: “Wir beide spielen in Bands seit wir 15 sind. Nun – 15 Jahre später – passiert wirklich was. Viel zu spät, als dass es unsere Eltern überhaupt interessieren könnte.”

Im Juni live auf Festivals

Für 2023 haben sich Between Bodies zunächst einen entspannten Start vorgenommen. Sicherlich steht auf dem Plan, möglichst viele Shows mitzunehmen und vielleicht auch zum Ende des Jahres wieder im Studio zu landen. Aber ebenso freut sich die Band, in den kommenden Monaten bei Bands wie Martha, The Tidal Sleep oder den Menzingers selbst im Publikum zu stehen. Wo wir gerade bei den Menzingers sind: Auf dem Booze Cruise Festival in Hamburg habt ihr die Möglichkeit, diese direkt mit Between Bodies zusammen live zu erleben. Eine weitere Gelegenheit unter anderem mit Muff Potter und Grade 2 gibt es eine Woche vorher in Leipzig:

16.-17.06.2023 – Beard Attäck Festival, Leipzig
23.-25.06.2023 – Booze Cruise Festival, Hamburg

Foto: Sebastian Igel / Offizielles Pressebild

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