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Interview

Alex Mofa Gang-Sänger Sascha: „Die Enttabuisierung ist der Schlüssel, um offen mit dem Krankheitsbild umzugehen“

Der Sänger über die neue Single mit besonderer Bedeutung und über Mental Health.

VON AM 05/07/2021

Alex Mofa Gang-Frontmann Sascha Hörold: „Ich möchte gerne erwähnen, dass wir von Kevin aus Eurer Redaktion einen ganz lieben Einleitungstext zu diesem Interview bekommen haben! Da einige Fragen ganz konkrete Antworten erfordern und verdienen, werde ich meine Meinung hier aufschreiben und dann bei den Jungs erfühlen, ob wir alle diese Meinung tragen können…“

„Moin Jungs,

vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt und auf das Thema Depression aufmerksam machen wollt. Ich weiß, dass das ein sehr persönliches und sensibles Thema ist. So möchten wir bei MoreCore das Ganze auch behandeln. Scheut euch daher bitte nicht eine Frage zu skippen, wenn sie zu weit geht oder nicht angemessen ist. Ich denke, dass das Empfinden immer unterschiedlich in diesem Belange ist.
Ich freue mich auf eure Antworten.

Viele Grüße
Kevin“

Alex Mofa Gang-Frontmann Sascha Hörold im Interview

MC | Kevin: Wie gehts euch aktuell? Das neue Album wurde angekündigt und mit „Was am Ende bleibt“ stand erst am Freitag ein Single-Release an.

Hallo lieber Kevin, liebes MoreCore Team. Uns geht es aktuell sehr gut – wir haben den Stillstand der Konzert- & Kulturlandschaft genutzt, um ein neues Album zu schreiben und aufzunehmen. Jetzt kommt bereits die zweite Single und es fühlt sich sehr gut an, ein Ziel zu haben, auf das wir hinarbeiten.

MC | Kevin: Mit der neuen Single stellt ihr das Thema Depression in den Mittelpunkt und wollt darüber sprechen. Was war für euch der ausschlaggebende Punkt um einen Song zu schreiben, der dieses Thema behandelt?

Ich hole ganz kurz aus, um die Frage präzise beantworten zu können: Mittlerweile schreiben wir unsere Songs fast ausschließlich gemeinsam, Musik und Text entstehen Hand in Hand. Das ist eine großartige Sache für uns, weil wir uns situativ in derselben Gefühlswelt befinden, was den Prozess sehr intuitiv macht. Dementsprechend „unverkopft“ purzeln dann auch die Worte & Textfragmente aus uns heraus. Es gab also keinen konstruierten Moment, sich dem Thema inhaltlich zu nähern, sondern es ist passiert und wir haben es passieren lassen.

Der ausschlaggebenden Punkt für uns, einen Text zu schreiben bzw. ein Thema zu behandeln, ist immer sehr persönlich, es muss immer einen Bezug zum Inhalt geben.

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MC | Kevin: Ist man noch einmal besonders aufgeregt, wenn ein Song mit einer solchen inhaltlichen Relevanz veröffentlicht wird? Was geht in euch vor?

Wir sind immer wahnsinnig aufgeregt. Wir haben auch nach einigen gemeinsamen Jahren immer noch so eine euphorische Naivität, was die Gang angeht. Aber es ist ganz sicher so, dass es inhaltlich auf „Nacht der Gewohnheit“ noch mal einen deutlichen Schritt persönlicher wird – das gilt auch für „Was am Ende bleibt“ und das fühlt sich sehr, sehr gut an!

MC | Kevin: Depressionen treten langsam aus der Tabuisierung hervor. Wie nehmt ihr diesen Verlauf wahr und was haltet ihr davon?

Depression ist erstmal immer ein schweres Wort. Steht es im Raum kommen zunächst Assoziationen wie Ohnmacht, Traurigkeit und leider immer noch Beschreibungen wie Schwäche ins Spiel. Die Enttabuisierung ist ganz sicher der Schlüssel, um nach und nach offen in der Gesellschaft mit dem Krankheitsbild umzugehen, ehrlich und vorurteilsfrei darüber miteinander sprechen zu können.

MC | Kevin: In „Was am Ende bleibt“ wird auch die Belastung für eine Beziehung thematisiert. Habt ihr für euch einen Weg gefunden, das Leben mit Depressionen und die Auswirkungen auf andere Menschen unter einen Hut zu bekommen? Und wie sieht dieser Weg aus?

Die Konstellation im Song (ob die Beziehung eine Partnerschaft ist, oder eine Freundschaft bleibt offen) bringt auch zum Ausdruck, wie unterschiedlich Menschen mit Druck, Stress, oder auch mit Routinen umgehen. Ebenso beschreibt es die Situation eines Schubes mit dem der oder die andere nicht umgehen kann, die Flucht nach vorne antritt.

Ich glaube, dass Depressionen so facettenreich und individuell zu beurteilen sind, dass ich mir nicht anmaßen würde, einen allgemeingültigen Ausweg zu formulieren. Ich denke, dass ist Teil der dringend notwendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema.

Ich persönlich habe beide Richtungen schon kennengelernt. Betroffene, die das Krankheitsbild akzeptiert haben und wahnsinnig an ihrer Selbsteinschätzung gearbeitet haben, um früh und – rechtzeitig einen Schub oder eine Phase zu erkennen, ihr Umfeld mit einzubeziehen und professionelle Begleitung gesucht haben.

Andererseits haben sich im Laufe meines Lebens auch enge Kontakte entfernt, wenn die Krankheit nicht ernst genommen, erkannt oder akzeptiert wurde und es keine Möglichkeit zum Gespräch gab – und nicht der Krankheit wegen, sondern ob des Umgangs damit, man immer wieder Enttäuschungen hinnehmen musste, die irgendwann zu einem Bruch führten, da man die Situationen nie klären konnte. Auch ich habe leider schon einmal die Krankheit nicht ernst genug genommen, bzw. als solche erkannt und war dem Betroffenen daher keine Hilfe und kein verlässlicher Partner. Auch das hat letztendlich zum Bruch geführt.

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MC | Kevin: Wie geht ihr mit depressiven Schüben um und was würdet ihr Betroffenen raten?

Ich habe einem lieben Freund, der sich sehr mit dem Thema beschäftigt, dieses Interview zum Lesen gegeben und um seine Meinung gebeten. Ich möchte seinem Rat folgen und an der Stelle auf professionelle Hilfe verweisen. Es gibt anonyme Anlaufstellen und Telefonseelsorge z.B. unter: (0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222.

Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen ist ganz sicher ein wichtiger Schlüssel, um mit der Krankheit umgehen zu können, sie zu heilen, oder zu therapieren.

Anmerkung der Redaktion: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du dich in einer belastenden Situation befindest, dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die mit dir Auswege aus schwierigen Situationen finden und eine tolle Stütze sein können. Danke, dass du es versuchst!

MC | Kevin: Und wie sollten sich eurer Meinung nach Angehörige verhalten?

Das ist brutal schwer zu sagen, ich denke aber, genau über die individuellen Symptome informiert zu sein, hilft schon sehr, um so gut wie überhaupt möglich nachvollziehen zu können, was ein geliebter Mensch in einer Phase durchmacht. Geduld und Zuspruch, eine positive Haltung, den Betroffenen vorurteilsfrei begegnen, sie ernst nehmen und wenn es drauf ankommt da sein.

Ja; ich weiß – das schreibt und liest sich einfacherer als es in der Wirklichkeit ist.

MC | Kevin: Welche Rolle Spielt Musik in solchen Momenten?

Für mich war und ist Musik immer die Lösung bzw. die Erkenntnis zur Lösung aller Probleme. Spätestens wenn meine Gefühlswelt schwarz auf weiß aufgeschrieben vor mir liegt, sind Dinge klar, die vorher noch nebulös erschienen, die ich von mir weggeschoben habe. In diesem Moment kann ich die Dinge angehen und klären. Das die Musik für mich einen selbsttherapeutischen Charakter hat, ist mir schon eine ganze Weile bewusst und ich bin sehr dankbar dafür!

MC | Kevin: Was bedeutet für euch mentale Gesundheit im Allgemeinen?

Mentale Gesundheit würde ich gerne mal übersetzen mit möglichst genauer Selbsteinschätzung. Jeder Mensch hat seine individuellen „Fehlfunktionen“. Die zu kennen, sie einzugestehen und dann damit bestmöglich umzugehen – das ist für mich mentale Gesundheit und Stärke.

Ich wünsche mir für alle Betroffenen, dass durch gesellschaftlichen Diskurs und ein offenes Miteinander eine Sensibilität geschaffen wird, ohne dass ein „Social Media Hype“ zu einer Verwechslung von deprimiert und depressiv führt. Ich wünsche allen Betroffenen, dass sich das Gesundheitswesen mehr und breiter aufstellt und die Krankenkassen auch ihren Teil dazu beitragen, eine Krankheit ernstzunehmen und Therapiemöglichkeiten zu unterstützen.

MC | Kevin: Wie sieht die zweite Jahreshälfte 2021 für Alex Mofa Gang aus? Könnt ihr schon etwas verraten?

Wir schauen natürlich, wie alle, jeden Tag auf die Entwicklung der Situation. Natürlich hoffen wir, dass wir irgendwie mit dem Impfen vorankommen, die notwendige Disziplin noch behalten und eine vierte Welle nach dem Sommer abwenden können… sollte das gelingen und zu verantworten sein, stehen wir in den Startlöchern, um unsere Tour im Herbst zu spielen. In jedem Falle gibt es noch einiges an Musik auf die Ohren dieses Jahr und wir fiebern dem Release im Januar entgegen!

Vielen, lieben Dank für dieses besondere Interview!

Eure Gang.

Foto: Alex Mofa Gang / Offizielles Pressebild

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