Live

Post-HardcorePunkrock

Live bei: Trash Boat, Capstan und Doll Skin in Köln (08.09.2019)

Was für ein Abend.

VON AM 13/09/2019

Es gibt nur wenige Gründe, sich an einem vorherbstlichen Sonntagabend aus dem Haus zu bewegen. Einer, beziehungsweise gleich drei davon heißen Trash Boat, Capstan und Doll Skin und jene standen letzten Sonntag im Kölner MTC auf dem Abendprogramm.

Kaum sinken die Temperaturen unter die 20 Grad-Marke regnet es auch wieder in der Domstadt. Hurra. Aber anstatt sich zu ärgern, überwog die Vorfreude auf das vollkommen unkarnevalistische Dreigestirn, das aktuell gemeinsam auf Europa- und UK-Tour ist. Der Headliner Trash Boat hat erst kürzlich die neue Single „Synthetic Sympathy“ veröffentlicht und auch Capstan haben mit der emotionalen Nummer „There Is No Answer“ vor wenigen Tagen Single Nummer 3 aus dem kommenden Album ausgekoppelt. Doll Skin, vier Mädels aus Arizona, nutzten die Gunst der Stunde und bewarben ihr Ende Juni via Hopeless Records erschienenes Album „Love Is Dead And We Killed Her“.


Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Doll Skin

Nachdem um kurz nach 19:00 Uhr die Türen geöffnet wurden und sich die ersten Gäste bereits durch eine Sitzblockade einige der besten Plätze vor der Bühne sicherten, ging es auch überraschend kurze Zeit später los. Um 19:30 Uhr stürmten Doll Skin-Sängerin Sydney Dolezal, Gitarristin Alex Snowden, Bassistin Nicole Rich und Schlagzeugerin Meghan Herring die Bühne. Das Quartett aus Phoenix übernahm direkt ab der ersten Sekunde das Zepter und agierte wie alte Hasen – und das, obwohl alle Bandmitglieder erst um die 20 Jahre jung sind. Physische Tonträger hätten sie leider nicht dabei, teilte Sängerin Sydney mit, aber man solle das neue Album rauf und runter streamen. Einen Song des Abends – „Your Idols Are Dying“ – widmeten sie ihren verstorbenen Musikidolen, die an harten Drogen verstarben.


Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Der druckvolle Sound der Band pendelte irgendwo zwischen (Pop-)Punkrock und (Thrash-)Metal-Anleihen. Gitarristin Alex – auffallend gestylt mit orange-getönter Sonnenbrille und blauen Haaren – spielte ihre Gitarrenläufe versiert runter wie Butter auf einem heißen Toast und schaffte es dabei, immer freundlich zu lächeln. Auch am Schlagzeug und Bass wurde Gas gegeben und wer vermutet hatte, dass Doll Skin eine x-beliebige Nachwuchsband mit durchschnittlichen Schrammelsongs seien, der wurde schnell eines Besseren belehrt.

Auch Sydney machte am Mikro eine gute Figur und holte beim Beartooth ähnlichen „Don’t Cross My Path“ auch mal ein paar satte Growls aus der Zauberkiste. Mit „Puncha Nazi“ lieferten die Vier dann noch eine derbe Oldschool-Punkrock-Nummer ab, die mit einer Schmährede über den wohl zwielichtigsten amerikanischen Politiker dieser Tage eingeleitet wurde. Hut ab vor dieser Energie und diesem Selbstbewusstsein.




Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Capstan

Nach einer unbeabsichtigt längeren Umbaupause ging’s dann weiter mit Capstan. Die Band aus den unterschiedlichsten Ecken Amerikas (Detroit, MI / South Bend, IN / Hudson, FL / Orlando, FL) ist drüben schon lange kein Geheimtipp mehr. 2012 gegründet, kann das Quintett bereits vier eigene EPs, eine Split-EP und eine Doppelsingle vorweisen. Im September erscheint dann das erste Komplettalbum via Fearless Records.

Die Band um Sänger Anthony DeMario (der italienische Wurzeln besitzt) hatte kleinere Schwierigkeiten mit dem Bass. Um aber nicht noch mehr Zeit verstreichen zu lassen, bat Bassist Andrew „Boz“ Bozymowski (mit polnischen Wurzeln) den Tontechniker, die Band einfach per Line-Check „on the fly“ zu mischen. Die Gitarristen Harrison Bormann und Joseph „Joe“ Mabry sowie Drummer Scott Fisher nahmen es gelassen. Mit guter Laune – es war immerhin ihr erster Besuch in Köln auf ihrer ersten Tour überhaupt jenseits des amerikanischen Kontinents – eröffneten Capstan dann ihr Set mit „Invisible Fences“.


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Die Nummer der „Cultural Divide“-EP hätte kaum besser gewählt sein können, vereint sie soviel, wofür Capstan musikalisch stehen. Pop-Punk, Post-HC, jazzige Anleihen und vor allem immer wieder progressive, teils in unglaublicher Geschwindigkeit gespielte Zwischenteile, in denen sich Drums und Saiteninstrumente gegenseitig zu den wildesten Aktionen anstacheln. Und das Publikum dankte es ihnen, indem große Teile beinahe jeden Song lauthals mitsangen. Nachdem es bei Doll Skin noch etwas verhaltener ablief, meldeten sich nun auch die ersten Crowdsurfer am Haaransatz unachtsamer Besucher an.


Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Eine der neuen Singles – „Stars Before The Sun“ – wurde selbstverständlich auch zum Besten gegeben. Im Nachhinein wurden Gerüchte laut, es hätte eigentlich wie bereits in Zürich mit „Can’t.Lie.Around.Remembering.Everything“ auch eine akustische Nummer geben sollen (was Capstan mindestens so gut draufhaben wie elektronisch unterstützte Songs), jene aber wegen Stimmbandproblemen gestrichen wurde. Sollte sich das bewahrheiten, merkte man nichts von diesem Makel an diesem Abend. Sowohl Sänger und Shouter Anthony lieferten eine hervorragende Leistung wie auch Bassist und Background-Sänger Boz.

Und auch Joe meisterte den Chorusgesang mit Bravour und hatte sogar einen kurzen Moment der völligen Eskalation zu bieten, als er seine Gitarre zur Seite stellte und tief growlend unter erstaunten Blicken seiner Bandkollegen gekrümmt über die Bühne stolzierte. Aus sicherer Quelle war zu erfahren, dass die Band im kommenden Festivalsommer wieder hierzulande zu sehen sein könnte. Bis dahin haben wir noch genug Zeit, das kommende Album auswendig zu lernen und den neuen Königen des „Heaviest Pop-Punk“ gebührend zu huldigen.




Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Trash Boat

Nach einer überragenden Performance von Capstan wurde für den Headliner Trash Boat schnell beinahe die gesamte Bühne freigeräumt. Vor selbiger bereitete sich schon eine kleine Gruppe Fans auf die Show vor, indem sie kleine Geburtstagshütchen aufsetzten. Wer bis dahin nicht mitbekommen hatte, dass Gitarrist Ryan (heute ebenfalls mit kleinem Hütchen) Geburtstag hatte, würde es spätestens zur Mitte des Sets erfahren. Aber dazu später mehr. Die Frequenz der Crowdsurfer nahm zu und zu den in der Kölner Konzertszene mittlerweile bekannten üblichen Verdächtigen gesellten sich auch ein paar neue mutige Gäste.

In weiser Voraussicht hatten Trash Boat aber eine helfende Hand auf der Bühne, damit niemand zu Schaden kam, wenn denn Sänger Tobi Duncan nicht selbst dafür sorgte, dass die Fans sicher den Weg zu ihm auf die Bühne fanden. Zudem gab es eine frohe Kunde zu vermelden, denn Tobi teilte freudestrahlend mit, dass die Show offiziell ausverkauft war. Mich persönlich freute das umso mehr, denn Trash Boat haben hart für diesen Erfolg gearbeitet und werden nun für ihr Durchhaltevermögen belohnt. 2016 waren sie noch Vorband der großartigen Vanna und Beartooth in der Kölner Kantine, heute spielen sie ihre eigene Headliner-Tour mit ausverkauften Clubs.

Trash Boat
Trash Boat

Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Neben der bedauerlichen Mitteilungen, dass 2019 kein gutes Jahr für Trash Boat-Hunde gewesen sei, da sowohl die Vierbeiner von Tobi, Ryan und Drummer Oakley den Weg alles Irdischen gegangen sind (jener Verkettung von Ereignissen widmete man den Song „Love, Hate, React, Relate“) gab es aber eben auch einen feierlichen Anlass zu bejubeln. Ryan wurde an diesem Sonntag zuckersüße 24 Jahre jung und das sollte auch zelebriert werden.

Zwischen zwei Songs standen plötzlich Crew und Supportbands neben ihm auf der Bühne und sangen ihm ein Ständchen, einen Kuchen mit Schokoglasur in der Hand von Doll Skin-Sängerin Sydney. Wer nun gedacht hat, jeder im Raum darf jetzt einmal beißen, wurde eines Besseren belehrt. Denn der Kuchen wurde kurzerhand in Clownmanier zum temporären Kopfschmuck. Wohl bekomms. „Who wants floor-cake?“ witzelte Tobi lachend. Und wer wirklich noch etwas hätte haben wollen, hätte sich ein paar Brocken vom Kemper Fußboard des Gitarristen während der restlichen Show schnappen können.

Trash Boat
Trash Boat

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Langsam wurde es warm im Keller auf der Zülpicher Straße und während Gitarrist Dann Bostock sich in seinem Fußballtrikot totgeschwitzt haben muss, nutzte Tobi die Gunst der Stunde, sich seines T-Shirts zu entledigen und den Abend nur in etwas zu weiten Jeans und Sneakern abzuschließen. „Brave Face“ war vielleicht die Hymne des Abends, bei dem das Publikum des MTC Sänger Tobi in Sachen Lautstärke ordentlich herausforderte. Mit „Strangers“ beschlossen Trash Boat den Abend und der Frontmann nutzte die letzte Gelegenheit, sich ebenfalls auf Händen tragen zu lassen.

Um ca. 22:15 Uhr war der Spaß dann (leider) schon vorbei, was einerseits noch einen entspannten Ausklang des Wochenendes bedeutete, andererseits Raum für weitere Capstan-Songs gelassen hätte. Nicht ohne Grund wurde aus dem Publikum anstatt des üblichen „One more song!“ lauthals „Ten more songs!“ gefordert. Bis zu den ersten Stationen der kommenden Festival-Saison ist es ja nur noch ein gutes halbes Jahr. Und bis dahin haben wir alle genug Zeit, die Songs eines möglichen Nachfolgers zu „Crown Shyness“, der aktuellen Doll Skin-Platte und der kommenden Scheibe „Restless Heart, Keep Running“ von Capstan in- und auswendig zu lernen.

Trash Boat
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Trash Boat
Trash Boat
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Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

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Guess what @sleepygreenbean of @dollskinband is about to do with this delicious cake for @hyslopryan of @trashboatuk who celebrated his 24th birthday on Sunday in Cologne at the @mtc_cologne 🤷🏼‍♂️👀. If you're bad at guessing or can't stand the tension simply swipe. A full gallery and a review of the sold-out show of Doll Skin, the mighty @capstanband and Trash Boat will be online soon at MoreCore.de. Picture taken for @morecore.de. ____________________________ #trashboat #ryanhyslop #dollskin #mtc #mtcCologne #crownshyness #morecore #htbarp #concertphotography #concertphotographer #musicphotography #musicphotographer #zeisscameralenses #sonyzeisssonnar55mmf18 #sonyalpha7iii #sonydeutschland #sonya7iii #sonyalphashooter #germanalphas #sonyalphagallery #fromthepit #frontstage #hopelessrecords #tandemmgmt #bigpicturemedia #unitedtalentagency #audioloveofficial

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