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Punkrock

Live bei: Open Flair Festival 2022 in Eschwege (10.- 14.08.2022)

Ein Blick in die wildeste Augustwoche 2022.

VON AM 18/08/2022

In der zweiten Augustwoche jedes Jahres verdoppelt sich die Einwohnerzahl der Kleinstadt Eschwege, wenn die 20.000 Besucher des Open Flair Festivals nach Hessen pilgern. Trotz der zweijährigen Pandemiepause war auch dieses Jahr das kleine Festival komplett ausverkauft. Doch kann man bei einem solchen Event, welches von Mittwoch bis Sonntag stattfindet, noch von klein reden?

Besonders motivierte Besucher haben sogar die Möglichkeit bereits den Dienstag an- und erst den Montag abzureisen – was nichts anderes bedeutet, als eine knappe Woche mit wenig Schlaf, kalten Duschen und ganz viel lauter Punkmusik, die sich auf sechs Bühnen verteilt. Für viele Besucher wohl der perfekte Sommerurlaub.

MoreCore.de ist als Duo angereist und hat das Punk- / Familienfestival einmal genauer unter die Lupe genommen. Wir durften miterleben, wie sich die Stadt Eschwege in eine große Party verwandelt.

Mittwoch: Auftakt mit bitterem Nachgeschmack mit Youth Okay

Nach unserer bequemen, problemlosen und geordneten Anreise auf dem Campingplatz durften wir uns als erstes über den Auftritt von Youth Okay auf der Seebühne freuen. Plot twist: Die Bühne liegt circa zehn Minuten zu Fuß vom Campinggelände entfernt und direkt an einem Badesee, welcher für jeden Einwohner und Besucher zur Verfügung steht. Diese Möglichkeit wurde bei den heißen Temperaturen dankbar angenommen.

Youth Okay

Youth Okay

Youth Okay

Die 2019 gegründete Alternative-Rockband aus München startet als zweite Band auf der Seebühne mit „World On Fire“. Gerade die beiden Trompetenspieler geben ihr Bestes und heizen der kleinen Menge vor der Bühne richtig ein. Auch die Motivation von Frontmann Daniel Fahrländer schwappt auf das Publikum über und spätestens ab dem dritten Track wirbelt der staubige Boden unter den tanzenden Füßen in die Luft.

Youth Okay

Youth Okay

Hits wie „For A Moment“ ziehen zudem weitere begeistere Musikfans an. Auch mich persönlich hat die 5er Kombo mit ihrem Aufritt als neuen Fan gewonnen. Es könnte also nicht besser laufen, da lässt Youth Okay die Bombe platzen: das Open Flair Festival 2022 wird das aller letzte Festival sein, auf dem die Band spielt. Ende des Jahres löst sich die Truppe auf. Trotz des bitteren Nachgeschmacks geben Zuschauer und Musiker bei ihrer letzten Single „Get Up“ noch einmal alles und werfen die Trompeten durch die Luft.

Youth Okay

Youth Okay
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Open Flair Feeling in a Nutshell mit Rogers und Massendefekt

Abends starten Rogers ihre Show, in dem sie und die Menge den Mittelfinger gen Sonnenuntergang strecken. „Mittelfinger für immer“ füllt den kompletten ersten Wellenbrecher mit begeisterten Punkrockfans. Und das, obwohl die Truppe seit acht Jahren nicht mehr beim Flair gespielt hat.

Rogers

Rogers

Rogers

Es folgen die Hits „Einen Scheiß muss ich“ und „Zu Spät“. Doch erst bei „Vergiss nie“ fangen auch die hinteren Reihen an, passend zu den Zeile: „Doch es kommt der Tag, (…) an dem die dunklen Wolken zieh’n und die Sonne wieder lacht“ mit zu schaukeln. Als bei „Es war nicht alles schlecht“ auch Frontmann „Sebi“ von Massendefekt auf die Bühne tritt, fliegen vor Begeisterung die Bierbecher durch die Menge. Man kommt nicht drumherum den ein oder anderen nackten Bauch auf und ab tanzen zu sehen (hach, man liebt`s).

Rogers

Rogers

Rogers
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Bevor Fiddler`s Green den Mittwoch beenden, präsentieren uns noch Massendefekt ihre einstündige Show. Songs wie „Schiffbruch“, „Autopiloten“ und „Glücklich sein“ kurbeln die Energie der Menge an, sodass der Moshpit beinah die ganze erste Welle einnimmt. An dieser Stelle bedankt sich die Band bei der Crowd und dem Festival mit den Worten: „Wir wollen nicht schleimen. Das ist jetzt unser sechstes Mal beim Open Flair und es fühlt sich an wie nach Hause kommen.“ Rührend.

Massendefekt

Massendefekt

Mit jedem weiteren Song steigt die Stimmung, sodass leider an manchen Stellen weniger Rücksicht auf Rollstuhlfahrer genommen wird, wie noch zu Beginn. Bei „Nimm mich mit“ kann sich auch die Band nicht mehr zurückhalten, steigt mit ihren Instrumenten von der Bühne und beweist, dass auch Männer multitaskingfähig sind – zumindest im Musizieren und Moshen.

Massendefekt

Massendefekt
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Donnerstag: Kurz, aber intensiv mit Chaosbay

Die Progressive-Metalcore-Band Chaosbay aus Berlin hat es als Opener des Donnerstags zunächst schwer. Die kleine Menge vor der Bühne bewegt sich eher schleppend zu den Gitarrenriffs. Schieben wir es auf einen möglichen Kater der Nachteulen und den anfänglich schiefen, scheppernden Sound der Seebühne. Sänger und Gitarrist Jan Listing lässt sich davon allerdings nicht irritieren.

Chaosbay

Chaosbay

Bevor „The Prophet“ startet, zieht er mit seinem Shoutout „Open Flair macht mal ein bisschen Lärm“ nicht nur mehr Leute vor die Bühne, sondern löst auch die ersten Headbanger aus ihrer Reserve. Mit „New Age“, „Passenger“, „2 Billion“ und „What Is War“ bekommen wir auch zahlreiche Tracks aus ihrem brandneuen Album „2222“ präsentiert. Mit verbesserter Qualität des Sounds, lassen die tiefen Growls des Frontmanns die Menge vom Boden abheben. Insgesamt haben Chaosbay einen gelungenen und sehr ausdauernden Auftritt abgeliefert.

Chaosbay

Chaosbay

Chaosbay
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Freitag: Jetzt geht es erst richtig los mit Nathan Gray und The Gaslight Anthem

Nach zwei Nächten mit ganzen vier Stunden Schlaf sind normale Menschen vielleicht schon aus der Puste – nicht aber Open Flair Besucher. Jetzt startet das Festival erst richtig, denn das Werdchen öffnet seine Toren. Auf dem Hauptgelände finden wir neben der großen Radio Bob! Bühne auch die deutlich kleinere, hinter Bäumen versteckte Freibühne.

Auf dieser präsentiert Nathan Gray erstmalig beim Flair sein Soloprojekt. Im stylischen neonpinken Tanktop hüpft der Boysetfire Frontmann bei „Rebel Songs“ und „Fired Up“ über die Bühne. Sofort entfacht das Feuer bei der Crowd. Ruhiger geht es dann erst bei den Balladen „As the Waves Crash Down“ und „Working Title“ zur Sache, worunter die Stimmung keineswegs leidet.

Nathan Gray

Nathan Gray

Nathan Gray

Zum Abschluss fliegen bei „That Said“ die Wasserbälle bei den angefixten Fans in der ersten Reihe durch die Luft, während die hinteren Reihen verzaubert mit schaukeln. Besonders positiv in Erinnerung ist Nathan Grays dankbare und freundliche Art zum Publikum. Hier hatten wir es mit einem gelernten Performer zu tun!

Nathan Gray

Nathan Gray

Nathan Gray

Nathan Gray
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Während Blackout Problems als Ersatzband für Brutus auf der Seebühne eine energiegeladene Show abliefern, hat The Gaslight Anthem ihren Platz auf der Hauptbühne eingenommen. In solchen Momenten würde man sich gerne zweiteilen, aber es hilft alles nichts. Mit der tiefstehenden Sonne im Nacken, hallt die raue Stimme von Sänger Brian Fallon über das Werdchen, als die Band „Handwritten“ anstimmt.

The Gaslight Anthem

The Gaslight Anthem

The Gaslight Anthem

Ohne Verschnaufpause wird ein Song nach dem anderen performend, sodass die Band schon zwanzig Minuten vor Timetable ihren Auftritt beendet – zur Verwunderung aller Beteiligten. Zugegeben: melancholische Lieder wie „Biloxi Parish“ und „The Patient Ferris Wheel“ eignen sich eher weniger für eine actiongeladene Bühnenshow. Nichtsdestotrotz hätte mehr Interaktion mit dem Publikum der Gesamtperformance nicht geschadet.

The Gaslight Anthem

The Gaslight Anthem

The Gaslight Anthem
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Samstag: Das Open Flair bietet weit mehr als nur Musik

Den Samstag haben wir uns die Zeit genommen, ein genaueres Auge auf den Campingplatz und die Stadt zu werfen. Während ich also am Abend über das Campinggelände laufe, brüllt mir ein zugedröhnter Festivalzombie ins Ohr: „Das Open Flair ist das geilste Festival der Welt“. Es stimmt, dass kaum ein anderes Festival eine so lebendige Campingkultur besitzt wie das Open Flair. Schuld daran sind möglicherweise sind die lockeren Regeln bezüglich Glasflaschen und Aggregate. Während ab 2 Uhr Nachtruhe herrscht, sieht man tagsüber an jeder Ecke Flunkyball, Rage-Cage und Trichterkünste aufleben. Neben diversen kreativen Party-Zelten finden wir in den versteckten Ecken sogar ein Feuerwehrauto, auf dessen Dach Akkordeon gespielt wird.

Doch auch hinter den Zäunen hört die Party nicht auf. Die ganze Stadt Eschwege feiert mit den Besuchern des Festivals und verkauft aus dem Küchenfenster Bier oder andere brauchbare Lebensmittel. Apropos Bier: Falls euch dieses auf dem Flair ausgehen sollte, dann könnt ihr ganz bequem in der Innenstadt für Nachschub sorgen. Die Geschäfte befinden sich gerade mal 20 Minuten zu Fuß entfernt, was die vorangehende Planung und Anreise deutlich vereinfacht.

Ein weiterer Grund für die lockere Atmosphäre sind die rund 300 Mitarbeiter, die auf komplett freiwilliger Basis angestellt sind. Die gute Laune der Mitarbeiter überspringt entsprechend auf die Besucher – so herrscht von Beginn an ein harmonisches Verhältnis. Und auch wenn die Flair-Besucher sich teilweise wie wilde Tiere benehmen, wurde beispielsweise die Müllaktion des Veranstalters dankbar angenommen. In jedem Ticket ist eine Müllpfandmarke enthalten: So haben die Besucher für einen vollen Sack Müll 5 Euro bekommen. Dadurch wurde der Campingplatz trotz Partyzelten ordentlich zurückgelassen.

Sonntag: Das volle Programm mit The Deadnotes, Emil Bulls und Skindred

Der abschließende Sonntag war für uns noch einmal so intensiv, wie die letzten vier Tage zusammen.

Eröffnet wird Tag fünf von der kleinen Freiburger Pop-Punk-Band The Deadnotes auf der Radio Bob! Bühne. Während sich Sänger und Gitarrist Darius Lohmüller vollkommen seiner Musik hingibt, wird die Menge von dieser speziellen und gefühlvollen Performance mitgerissen. Gerard Way von My Chemical Romance hat hier seinen Doppelgänger gefunden. Neben einem brandneuen Track wird das Konzert mit „Fickle Fake Friend“ eröffnet und mit „Never Perfect“ beendet.

The Deadnotes

The Deadnotes

The Deadnotes

The Deadnotes
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Deutlich lauter geht es eine Stunde später mit den Emil Bulls zur Sache. Das erste Mal in dieser Festivalwoche lässt der dröhnende Bass aus den Boxen den Boden vibrieren. Die Menge ist von Anfang an angefixt, spätestens aber bei „Here Comes The Fire“ erreicht der Moshpit eine Bulls-würdige Größe. Auch die sympathischen Secruityleute geben am letzten Tag noch einmal volle Power und schießen der ersten Reihe nach nur sechs Songs zum dritten Mal Konfetti in die erfreuten Gesichter, während bei „Euphoria“ und „The Jaws of Oblivion“ Hände ich die Luft fliegen.

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Ein persönliches Konzerthighlight hat mir Skindred im Anschluss beschert. Zunächst war ich etwas skeptisch, da die Herren beinah die komplette Länge von AC/DCs „Thunderstruck“ laufen lassen haben, bevor sie sich entschieden auf die Bühne zu kommen – meiner Meinung nach etwas zeitschindend. Am Ende war aber klar, dass dies zum Gesamtkonzept der Show gehört. Keine Band spielt so intensiv mit dem Publikum wie die Kombo um Benji Webbe – hier zeigt sich die jahrelange Bühnenerfahrung. Nach Showeinlangen bei „That`s My Jam“ oder „Nobody“, springt das Publikum zum Abschluss mit ihren ausgezogenen Shirts zu „Warning“ in die Luft – ein Bild für die Götter.

Skindred

Skindred

Skindred

Skindred

Skindred
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Ein würdiger Abschluss mit Fever 333, The Bouncing Souls und Flogging Molly

Wer Fever 333 bereits live erlebt hat, der weiß, dass die Jungs immer mindestens 200% auf der Bühne geben. Beim Open Flair Festival war es am Sonntag nicht anders. Mit „Bite Back“ wird die Show eröffnet. Es folgen bekannte, emotionale Ansprachen die sich für BPoCs, Frauen, Eltern und sogar für die Secruityleute einsetzen.

Fever333

Fever333

Fever333

Nachdem sich Frontmann Jason Butler freiwillig von den Wasserbällen abwerfen lässt, schenkt er seinen „Peinigern“ als Dankschön noch exklusives Merch. Sehr süß. Danach geht`s für das Energiebündel via Stagediving ab in die Crowd – auch wenn diese nicht verstanden hat, dass sie ihn auf die andere Seite der Bühne tragen sollen. Abgeschlossen wird die Show mit „Burn It“ und „Hunting Season“.

Fever333

Fever333

Fever333

Fever333
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Auch wenn die Kalifornier noch die letzten Töne ins Mikrophon schreien, huschen wir weiter zur Freibühne, auf der The Bouncing Souls bereits die ersten Akkorde anstimmen. Hinter den Bäumen verstecken sich zwar deutlich weniger Besucher, dennoch zaubert irgendein Punkt in der Ferne immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht des Sängers Greg Attonito. Diese Freude schwappt auf das Publikum über und die Menge tanzt auf der staubigen Erde zu „Lean On Sheena“ und „Kids and Heroes“. Während Greg sich bei „Ghosts on the Broadwalk“ alleine mit der Akustikgitarre auf der Bühne befindet, genehmigen sich seine Bandkollegen an der Seite zunächst ein Schluck Bier (#prioritäten) bevor die drei gemeinsam den Backgroundgesang anstimmen.

The Bouncing Souls

The Bouncing Souls

The Bouncing Souls

The Bouncing Souls

The Bouncing Souls
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Last but not least spielen Flogging Molly im Anschluss auf der Hauptbühne, die für die sieben Personen gerade genug Platz bietet. Zu keiner anderen Show hat die Menge so ausgiebig getanzt und geklatscht wie zu diesem Pre-Abschluss. Schuld daran sind Songs wie „Selfish Man“, „Devil`s Dance Floor“ und „Salty Dog“, bei denen selbst unsere müden Füße nicht stillstehen können. Doch auch die zahlreichen neuen Titel aus der aktuellen Platte „This Road Of Mine“ wurden positiv vom Publikum angenommen.

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly

Flogging Molly
Fotos im Auftrag von Morecore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Während sich SDP für die Abschlussshow vorbereitet, gehen wir zurück in unser Camp. Feierabend.

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

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